Review: Alan Wake

Wenn ein renommiertes Entwicklerstudio wie Remedy in Zusammenarbeit mit den Microsoft Game Studios über fünf Jahre lang an einem einzelnen Projekt arbeiten darf, ist das ein guter Ausgangspunkt für ein hervorragendes Spiel. Die Erwartungshaltung war dementsprechend hoch, als Alan Wake Anfang 2010 exklusiv für die Xbox 360 erschien.

Der Titel behauptet auf der Verpackung stolz, selbst ein psychologischer Action-Thriller zu sein und verspricht Besitzern einer Xbox 360 und mittlerweile auch PC-Spielern ein einmalig inszeniertes Erlebnis. Dazu integrierten die Entwickler in ihr Werk einige aus der Fernsehwelt bekannte Techniken, wie einen episodenhaften Aufbau und regelmäßige Zusammenfassungen und Vorausblicke auf die nachfolgende Handlung. Nicht nur der Aufbau, sondern auch der Inhalt und das Setting besitzen eindeutige Parallelen zu Romanen von Stephen King und TV-Serien wie Lost oder Twin Peaks. Wir spielen den titelgebenden Schriftsteller Alan Wake, der zusammen mit seiner Frau Alice Urlaub in dem ruhigen und abgelegenen Ort Bright Falls macht. Weniger zur Entspannung, viel mehr wegen Alans anhaltenden Schreibblockade, zieht es das Ehepaar Wake in das fiktive Örtchen an der nördlichen Westküste der USA. Auf der Suche nach Inspirationen für sein neues Buch, erlebt Alan in Bright Falls ein Abenteuer, das sein gesamtes Leben verändern wird. Alice wird entführt, sein Ferienhaus verschwindet und ist danach wie vom Erdboden verschluckt. Zudem verliert er auch noch Erinnerungen an eine gesamte Woche. Was anfangs mit einer Suche nach seiner Gattin beginnt, entwickelt sich schließlich zu einer genauso komplexen wie mysteriösen Geschichte. Alan mausert sich zum Hauptcharakter in seinem ganz eigenen Abenteuer, wie er sich nie hätte vorstellen können.

Licht und Schatten

Der Gegenspieler Alans entlarvt sich als die Finsternis höchstpersönlich. Von ihr besessene Menschen und Objekte lauern in den dunklen Winkeln von Bright Falls und versuchen den Schriftsteller mit allen Mitteln aufzuhalten. Um die Dunkelheit zu bekämpfen ist der Einsatz von Licht natürlich die beste Methode. Alans Waffenarsenal besteht daher zu einem Großteil aus lichterzeugenden Gegenständen. Dazu zählen sich genauer gesagt eine gewisse Anzahl von verschiedenen Taschenlampen, Leuchtraketen oder Blendgranaten. Selten reicht es aber aus, den Gegner mit Hilfe von Licht von dem Bann der Finsternis zu lösen. Für diese Fälle gibt es zusätzlich noch einige Third-Person-Shooter typische Waffen wie etwa Revolver und Schrotflinten. Hier belässt es Remedy auch bei Einzelschusswaffen mit nur wenig Munition, um dem Spieler niemals ein Gefühl der Überlegenheit zu geben. Die ständige Knappheit von Ressourcen in Form von Munition sowie Batterien für die Lampen, treibt Alan Wake in die Richtung des leider immer seltener gewordenen Genres des Survival Horrors. Dass jener Weg gewollt war, erkennen wir auch am Soundtrack, der es versteht, sich dezent im Hintergrund zu halten und nur die spannendsten und nervenaufreibendsten Momente zu begleiten. Das lässt uns auf ältere Titel wie Resident Evil zurückblicken, wo mit solch geringen Mitteln ebenfalls die Atmosphäre für uns Spieler geschaffen wurde.

Im dunklen Wald

Die insgesamt sechs Episoden des Spiels sind allesamt sehr linear aufgebaut. Im Laufe der Erkundung von Bright Falls und Umland, befinden wir uns fast ausschließlich tief dunklen Nadelwäldern. Wir machen aber auch einige Abstecher in verlassene Siedlungen oder alte Bergwerkstollen. Allgemein macht Alan Wake technisch einiges her. Die Umgebungen sind sehr detailreich und glänzen durch ihren realistischen Aufbau und ihren schönen Texturen – für Xbox-360-Verhältnisse. Wer von euch einen leistungsstarken PC sein Eigen nennt, sollte aber unbedingt zu dieser Version greifen. Licht- und Schatteneffekte und vor allem Texturen sehen in der PC-Fassung nochmals besser aus. Leider bieten die nächtlichen Waldgebiete der Westküste dann aber nicht genügend Abwechslung, um uns die gesamte Spielzeit von gut fünfzehn Stunden zu unterhalten. Dazu kommt noch, dass es kaum mehr als ein halbes Dutzend unterschiedliche Gegnerarten gibt. Somit wirken alle Kapitel spielerisch nahezu gleich. Alan kämpft sich von Checkpoint zu Checkpoint und schaltet derweil eine Horde Schattengegner nach der anderen aus oder rennt von dieser davon. Kurze Fahrpassagen in Autos entlang der Highways bleiben dabei die Ausnahme. Aufgelockert wird das Geschehen zwar durch zahlreiche Zwischensequenzen, doch grafisch stehen diese im krassen Gegensatz zum Rest des Spiels. Es handelt sich dabei nämlich um schwach vorgerenderte Szenen.

Dichte Atmosphäre

Die deutsche Synchronisation des Spiels ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite findet man tolle Synchronsprecher wie Christian Brückner (deutsche Stimme von Robert De Niro), doch auf der anderen Seite ist die Originalsprachausgabe auf Englisch auch hier wieder einmal authentischer. Das Hauptaugenmerk von Alan Wake liegt aber natürlich nicht auf der Synchronisation, sondern ganz klar auf seiner Atmosphäre und seiner Präsentation. Bessere Licht- und Partikeleffekte sieht man in einem Spiel auch heute noch sehr selten. Licht und Helligkeit als Element des Spiels nehmen zudem eine besondere Rolle ein und symbolisieren Schutz und Geborgenheit. Straßenlaternen dienen als Speicherpunkte, bergen manchmal neue Vorräte und füllen die Lebensenergie wieder auf. Der Spieler steht permanent unter einer gewissen Anspannung, denn es kommt selten vor, dass Gegner aus der Ferne ersichtlich sind. Positiv anzumerken ist auch, dass in jedem Kapitel Sammelobjekte wie Thermoskannen versteckt sind. Interessanter sind da schon Teile von Alans Manuskript, in denen der Ablauf der Handlung noch einmal festgehalten und sogar aus der Perspektive von anderen Charakter beleuchtet wird. Wer die Manuskriptseiten nicht findet, wird die Handlung trotzdem verstehen können – verpasst aber ein klein wenig Hintergrundwissen. Diese zwanglose Methode der Erzählweise gefällt uns wirklich gut und dürfte ruhig öfters in Spielen vorkommen.

Offene Fragen

Käufer der Xbox-360-Fassung erhalten eventuell den ersten Zusatzinhalt gratis dazu, sofern sie noch die Erstausgabe im Handel erwerben. Wer eine neuere Ausgabe des Spiels kauft, guckt vermutlich in die Röhre und muss im Xbox-360-Marktplatz für das zusätzliche Kapitel blechen. In der direkten Fortsetzung der Story erkunden wir eigentlich fast ausschließlich Abschnitte, die wir bereits aus dem Hauptspiel kennen und nochmals aufsuchen müssen. Ähnlich sieht es auch bei der zweiten und letzten Zusatzepisode aus. Beide Kapitel umfassen zusammen übrigens circa zwei Stunden Spielzeit. Wer dabei jetzt hofft, dass Alan Wake ein abgeschlossenes Spiel sei, wird enttäuscht. Selbst mit den beiden Zusatzepisoden kommen die Entwickler nicht zum Schluss. Das Ergebnis ist eine in die Länge gezogene Geschichte, da sich das Entwicklerteam wohl selbst nicht sicher war, welches Ziel sie eigentlich anstreben. Uns wundert das nicht, da der Titel einst als Open-World-Spiel angedacht war. Immerhin kommen PC-Spieler direkt in den Genuss beider Kapitel und das gratis. Der PC-Fassung liegen zudem auch noch Soundtrack und weitere Goodies bei. Wer sich für die Collector’s Edition interessiert, erhält zudem noch zwei Bonus-DVDs mit Einblicken in die Produktion des Spiels. Am besten finden wir jedoch den Audiokommentar seitens der Entwickler, den wir ins laufende Spiel hinzuschalten können. Solch gut gelungenes Bonusmaterial erleben wir bei Spielen leider viel zu selten. Alan Wake hat es dieses trotz der Makel verdient.

Geschrieben von Jonas Maier und ergänzt von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der Xbox-360- und der PC-Fassung): Im letzten Jahr bin ich recht günstig über die Xbox-360-Fassung von Alan Wake gestoßen. Nachdem man mir den Titel ein Jahr zuvor schon recht schmackhaft gemacht hat, konnte ich nach so vielen Monaten nicht mehr widerstehen. Nach dem ersten Kapitel war ich auch regelrecht begeistert und habe mir dann vorgenommen, die restlichen fünf Episoden wie bei einer TV-Serie im Wochentakt zu spielen. Das ist mir auch gelungen, doch wurde ich von Woche zu Woche in spielerischer Hinsicht immer mehr enttäuscht. Die Gameplay-Elemente wiederholen sich zu schnell und es kommen auch kaum neue Aufgaben dazu. Da habe ich mir bei einem so kurzen Spiel deutlich mehr erwartet, zumal ich zuvor eigentlich nur Gutes über den Titel gehört habe. Vor kurzem trudelte bei mir die PC-Fassung im Testlabor ein, womit ich endlich auch einmal die beiden Bonuskapitel spielen konnte. Diese gefallen mir nach über einem Jahr genauso gut wie das Hauptspiel, doch jetzt ist es eher die Geschichte, die mich enttäuscht. Die Entwickler schaffen es nicht, die Story um Alan Wake zu einem befriedigenden Ende zu führen. Das Ende fühlt sich gestreckt und langatmig an. Da kenne ich genügend schlechte Filme, die ebenfalls so enden und das habe ich mir für Alan Wake nie gewünscht. Ich hoffe jetzt sehr, dass – bevor ein Alan Wake 2 angekündigt wird – noch ein abschließender Zusatzinhalt erscheint, um die Story in Bright Falls zu einem guten oder bösen Ende zu führen. Dann aber bitte gratis, denn eine mögliche weitere Enttäuschung möchte ich ungern bezahlen.

Jonas‘ Fazit (basierend auf Xbox-360-Fassung): Auch wenn viele das grundlegende Spielprinzip als repetitiv empfinden, hatte ich mit Alan Wake bis zum Ende meinen großen Spaß. Das Spiel darf auf keinen Fall zu einem belanglosen Third-Person-Shooter degradiert werden, denn von denen gibt es dort draußen wahrlich genug. Besonders die fesselnde Story und Atmosphäre haben mich in ihren Bann gezogen, aber an gruselige Highlights wie Silent Hill reicht Alan Wake natürlich nicht heran. Sehr schön finde ich auch, dass das Spiel immer wieder versucht zu erklären, warum eben hier am Boden Munition und Batterien herumliegen und warum in den Levels so viele schützende Lichter verteilt sind. Dieser gewisse Grad an Realismus tut dem Spiel richtig gut. Die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade, die zusätzlich noch neue Manuskriptseiten freischalten, reizten mich sogar nach dem ersten Durchspielen dazu, dass Spiel direkt erneut zu starten. Da kann ich auch über einige grobe Schnitzer in der deutschen Synchronisation hinwegsehen. Inzwischen ist der Titel auch auf dem PC erhältlich und sollte von jedem, der auch nur im Entferntesten mit Thrillern und Horrorgeschichten etwas anfangen kann, mindestens einmal angespielt werden.

Vielen Dank an Nordic Games für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars der Collector’s Edition von Alan Wake!

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