Wir schreiben den zweiten September 1965 auf der Insel New Penzance in Neuengland und in drei Tagen kommt der große Sturm. Oberpfadfinder Ward (Edward Norton) steigt am Morgen aus seinem Zelt und begeht seinen routinierten Kontrollgang durch das Camp. Alles scheint in Ordnung zu sein, doch bereits beim Frühstück merkt er: Einer fehlt.
Nachdem klar wird, dass Sam Shakusky offenbar aus dem Camp geflohen ist, wird umgehend die Inselpolizei in Form von Bruce Willis verständigt. Hier beginnt bereits die wahrscheinlich größte Suchaktion, die die kleine Insel je erleben durfte. Sam, der seine Karriere als Khaki-Scout in einem Brief an Ward offiziell an den Nagel gehängt hat, hat das Camp offenbar verlassen, um sich das erste Mal mit seiner Brieffreundin Suzy zu treffen. Er hat sie damals bei einer Theateraufführung von Noahs Sintflut kennengelernt und die beiden empfinden wohl etwas füreinander. Sofern man denn in diesem doch noch sehr jungen Alter überhaupt davon reden kann. Auch Sams Camp-Kameraden helfen bei der Suche. Allerdings ist Sam beim Rest der Truppe nicht sonderlich beliebt, was daran liegt, dass er aufgrund seiner verstorbenen Eltern emotional gestört ist. Zumindest wird dem Zuschauer das erzählt, im Film selbst macht Sam überhaupt nicht den Eindruck. Sein Waisendasein hat allerdings zur Folge, dass Sam in ein Jugendheim kommen wird, da seine Pflegefamilie nicht mehr für ihn aufkommen möchte. Daher beteiligt sich auch eine Frau des Jugendamts, die im ganzen Film auch lediglich Jugendamt genannt wird, an der Suche nach Sam. Hier wird schon im Ansatz deutlich, mit welch unterschwelligen Witzen Wes Anderson arbeitet. Sam und seine Brieffreundin Suzy, deren Eltern sie übrigens auch verzweifelt suchen, ziehen also zusammen los, finden die Liebe und campen in der freien Natur.
Und nach uns die Sintflut
Dabei bringt Sam die beiden mit seinem angesammelten Pfadfinderwissen gut durch und bekommt abends von Suzy Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen. Die beiden küssen sich das erste Mal und Sam darf Suzys Brüste anfassen. Strike! Leider dauert der Ausflug der beiden nicht allzu lange an. Relativ schnell werden sie von der Gruppe der Suchenden ausfindig gemacht und wieder zurück nach Hause geschleppt. Als wäre das nicht schon schlimm genug, bekommt Suzy von ihren Eltern auferlegt, den Jungen nie wieder zu treffen. Doch Sam und Suzy wären nicht Sam und Suzy, wenn sie das so einfach mit sich machen lassen würden. Zusammen mit den anderen Jungs aus dem Camp, die mittlerweile eingesehen haben, dass ihr verräterisches Verhalten nicht gerade kameradschaftlich war, gelingt es ihnen, erneut zu flüchten. Einerseits damit Sam nicht in ein Jugendheim muss und andererseits, damit er und Suzy zusammenleben können. Und damit beginnt das Abenteuer erst so richtig. Auf eine ganz neue romantische Ebene wird der Film gehoben, indem sich Sam und Suzy von einem Pfadfinder eines benachbarten Camps verheiraten lassen. Einer gemeinsamen Zukunft steht bis auf die Flucht nun fast nichts mehr im Weg. Doch da ist ja auch noch der große angekündigte Sturm. Und dieser spielt für den weiteren Verlauf der Geschichte und insbesondere für das große Finale noch eine entscheidende Rolle. Das Theaterstück Noahs Sintflut bekommt hier noch mal eine ganz neue Umsetzung.
Surreale Lächerlichkeit
Nicht nur die Story weiß zu überzeugen. Auch technisch ist der Film wirklich ganz großes Kino. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Film im Jahr 1965 spielt und tatsächlich wirkt Moonrise Kingdom etwas älter. Dies ist allerdings ganz und gar nicht negativ gemeint. Wes Anderson hat es geschafft, mit einer fantastischen Bildkomposition, dem zunächst sehr ungewöhnlichen Schnittstil und nicht zuletzt der musikalischen Untermalung zwar ein surreal-lächerlich wirkendes, aber dennoch absolut authentisches Bild dieser fiktiven neuenglischen Insel und ihrer Bewohner zu schaffen. Dieser skurrile Stil ist aber auch etwas, das Wes Anderson einfach auszeichnet und sich durch alle seine Filme zieht. Moonrise Kingdom ist ein Film, den man sich mit seinen circa 94 Minuten Laufzeit auch gerne mehrmals anschauen kann. Solch eine liebevolle Arbeit fürs Detail sieht man wirklich selten, jedes Mal entdeckt man wieder etwas Neues und freut sich darüber. Neben Deutsch ist natürlich auch der englische Originalton anwählbar, zu beiden liegen Untertitel vor. Die Auflösung der Blu-ray beträgt natürlich 1080p und ist im 1,85:1-Widescreen-Format zu sehen. Aber auch abseits des Films selbst gibt es auf der Blu-ray noch einiges zu sehen. Neben Interviews mit einigen Darstellern bietet das Bonusmaterial noch ein Making-of, Material von den Dreharbeiten, eine Set-Tour mit Bill Murray (Suzys Vater) und noch einiges mehr.
Geschrieben von Patrick Overkamp
Patricks Fazit (basierend auf der Blu-ray-Fassung): Ich hatte bereits im Rahmen einer Preview im Mai dieses Jahres das Vergnügen, mir den Film im Kino ansehen zu dürfen. Wie ich das immer so mache, ging ich auch diesmal völlig ohne Erwartungen in den Saal und wurde regelrecht überrascht. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, hätte ich diesen Film aus welchen Gründen auch immer verpasst. So stand die Anschaffung des Streifens auf Blu-ray natürlich gar nicht zur Debatte. Moonrise Kingdom wirkt trotz seiner surrealen Machart doch irgendwie wie aus dem Leben gegriffen und weiß, mit Komik, aber auch dem nötigen Ernst, die Geschichte zu erzählen. Schauspielerisch ist der Film natürlich auch große Klasse. Bei diesem Star-Aufgebot kann man aber auch gar nichts anderes erwarten. Edward Norton, Bruce Willis und Bill Murray sind wohl die bekanntesten Darsteller des Films und spielen ihre Rollen wirklich ganz hervorragend. Jeder, der diesen Film noch nicht gesehen hat, sollte sich zunächst fragen, warum das so ist, und ihn dann schleunigst nachholen.
Vielen Dank an Tobis Home Entertainment für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Moonrise Kingdom!