Wenn Anime-Fans danach gefragt werden, welcher Anime sie beeindruckt hat, so fällt nicht selten Death Note als Antwort. Die Serie aus den Jahren 2006 und 2007 wurde bereits kurz nach der Ausstrahlung in zwei jeweils abendfüllenden Anime-Filmen zusammengefasst.
Während die Anime-Serie nur ein paar Jahre nach der japanischen Erstausstrahlung ins Deutsche synchronisiert wurde, hat es bei Death Note: R – Relight 1: Visions of a God bis ins Jahr 2019 gedauert. Der erste Film aus dem Jahr 2007 beschäftigt sich mit der ersten Hälfte der Serie, ohne jedoch auf eine großartige Exposition zu setzen. Demnach wäre es hilfreich, wenn der Zuschauer die Anime-Serie oder die Manga-Vorlage bereits kennt. Der Film führt Charaktere nur rudimentär ein und erklärt auch die wichtigsten Anhaltspunkte, die sich um das titelgebende Death Note drehen, nur marginal. Beispielsweise setzt der Film zu einem Zeitpunkt ein, zu dem Hauptfigur Yagami Light unter seinem Alias Kira mit Hilfe des Notizbuchs bereits die ersten Morde in Japan begangen hat. Schon in den ersten Minuten wird Lights anonymer Gegenspieler L auf Kira aufmerksam. Über einen einfachen Trick bei einer Live-Übertragung einer Pressekonferenz von Interpol gelangt L an Informationen über Kiras Aufenthaltsort und bestätigt der Öffentlichkeit die Funktionsweise des Death Notes. Mehr und mehr zieht sich die Schlinge um Kira beziehungsweise Light zu. Der Anime-Serie gelingt dieser Spagat verhältnismäßig gut, wenn auch in einer epischen Breite. Relight 1 gibt die Story hingegen derart verkürzt wieder, dass es schwer fallen dürfte, der Handlung zu folgen.
Erschwertes Verständnis
Hauptsächlich setzt der 130 Minuten lange Film auf Szenen, die dem Zuschauer bereits aus der Anime-Serie bekannt sind. Wer letztere noch gut im Gedächtnis hat, wird die Sequenzen chronologisch weitgehend richtig einordnen und ausgelassene Tatsachen im Gedanken leicht überspringen können. Problematisch wird es für Zuschauer, die mit Death Note bisher keinerlei Berührungspunkte hatten. Relight 1 geht nicht in die Tiefe und fasst nur zusammen – und das leider mehr schlecht als recht. Das ist gerade deshalb so schade, da der Film teilweise auch neue Szenen bietet. So wartet der Streifen mit einer Eröffnungssequenz auf, in welcher der Shinigami Ryūku über seine Erlebnisse auf der Erde berichtet. Auf diese Weise wird der Eindruck erweckt, dass die Geschichte aus der Retrospektive des Todesgottes geschildert wird. Dies ist aber nicht der Fall, da Ryūku nicht bei allen Szenen tatsächlich anwesend ist. Trotzdem hätte Animationsstudio Madhouse diesen Kniff nutzen können oder eher gesagt nutzen sollen, um beispielsweise mit Ryūku als Erzähler respektive mit einer Stimme aus dem Off das Geschehen zu erzählen oder zu kommentieren. Als Zusammenfassung ist der Film in der vorliegenden Form nur für Fans oder Kenner der Vorlage zu empfehlen. Es bleiben unterm Strich viel zu viele Unklarheiten, die das Verständnis der Geschichte stark erschweren.
Neue Szenen, altes Bild
Beispielsweise erklärt Relight 1 kaum, warum Kira beziehungsweise Light überhaupt von L verdächtigt wird. Damit kann die Erzählweise in erster Linie als holprig betrachtet werden. Die zusätzlichen oder gar leicht geänderten Szenen, wodurch der Film nicht einmal zum Kanon gezählt wird, können diesen Nachteil nicht ausgleichen oder aufheben. Bereits 2006 gab es mit der ersten Realverfilmung des Stoffs eine Alternative, die die Serie wesentlich besser auf den Punkt bringt, ohne dass Verständnisprobleme entstehen. Das recht psychologische Gesamtwerk wird durch den Anime-Film aber kaum angekratzt. Gerade die zweite Hälfte des Films wirkt bodenständiger und zeigt mit einer neuen Szene auch den Dialog zwischen Light und L in neuem Licht. Apropos Licht: In technischer Hinsicht befindet sich der Film von Regisseur Araki Tetsurō auf dem Stand des Jahres 2007. Soll heißen, dass an vielen Stellen mit eher blassen Farben und auch diffusem Licht gearbeitet wird. Damit besteht Kontinuität zur Anime-Serie. Letzteres liegt aber auch an den Synchronsprechern. Die Hauptfiguren werden sowohl im Japanischen als auch im Deutschen von denselben Sprechern wie in der Serie gesprochen. Bonusmaterial, in dem es weitere Erklärungen zum Verständnis geben könnte, bietet Death Note: R – Relight 1: Visions of a God nicht. Verschenktes Potenzial!
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der Blu-ray-Fassung): Es ist lange her, dass ich mich das letzte Mal mit der Anime-Serie Death Note beschäftigt habe. Entsprechend waren meine Erwartungen hoch, durch Death Note: R – Relight 1: Visions of a God eine Auffrischung in Form einer Zusammenfassung zu erhalten. Leider kann der Anime-Film aus dem Jahr 2007 nicht an die Qualität der Serie anknüpfen. Es fehlen zu viele Verbindungen, damit die Story des Films logisch erscheint. Zwar gelingt es mir als Kenner der Vorlage, zwischen den Szenen der Geschichte zu folgen, doch wer sich mit Death Note bisher nicht beschäftigt hat, wird mit Relight 1 definitiv nicht glücklich werden. So bleibt mir am Ende nur zur Anime-Serie oder noch eher zur ersten Realverfilmung zu raten. Beide Werke können die Geschichte in wesentlich besserer Form erzählen. Unterm Strich bleibt ein Film, der sich allerhöchstens an beinharte Fans richtet, die auch jedes einzelne Detail des Gesamtwerks in sich aufsaugen wollen. Für alle anderen bleibt Death Note: R – Relight 1: Visions of a God uninteressant.
Vielen Dank an Kazé Anime für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Death Note: R – Relight 1: Visions of a God!