Review: Tower of God (Staffel 1)

Ursprünglich als südkoreanischer Webtoon von Autor I Chonghwi im Jahr 2010 gestartet, folgte 2020 eine Umsetzung von Tower of God als Anime-Serie. Die dreizehnteilige erste Staffel fasziniert mit ihrem Szenario, doch fehlt es diesem an einigen Stellen an Details.

Tower of God erzählt allen voran die Geschichte des jungen Sŭmuldasŏtpŏntchae Pam, der zusammen mit seiner Freundin Rahel in einer Höhle lebt. Rahel hat den innigen Wunsch, eines Tages die Sterne zu sehen. Hierzu muss sie einen ominösen Turm bis an die Spitze besteigen. Vom Turm auserkoren lässt sie Pam in der Höhle zurück. Pam vermisst Rahel schon nach kurzer Zeit aber so sehr, dass er aus eigener Kraft schafft, die Türen zum titelgebenden Turm Gottes aufzustoßen. Dort angelangt, muss er sich, wie viele andere Helden auch, verschiedenen Prüfungen unterwerfen. Für das Bestehen dieser Prüfungen ist vordergründig der Einsatz von Gewalt nötig. Da Pam nicht den Willen hat, anderen Lebewesen Schaden zuzufügen, erschwert das die Aufgaben enorm. Trotz allem erhält er von Prinzessin Hayuri Chahadŭ das mächtige Schwert Schwarzmärz, das ihn als Leihgabe im Kampf gegen mächtige Gegner unterstützen soll. Für bestandene Prüfungen dürfen die Absolventen den Turm weiter hinaufsteigen, was die Charaktere mehr und mehr zusammenfügt. Bereits bei der zweiten Aufgabe, an der vierhundert Teilnehmer ums Überleben kämpfen, wird ausgesiebt. Die Erwählten, so die Bezeichnung für die vom Turm gerufenen Recken, müssen sich so lange bekämpfen, bis nur noch zweihundert Helden auf den Beinen stehen. Tower of God ist echt nicht zimperlich!

Konstrukte ohne Beleuchtung

Grundsätzlich baut die Anime-Serie auf einem interessanten wie spannenden Szenario auf, das vielfältige Möglichkeiten bietet. Der Turm Gottes ist zum Beispiel kein Bauwerk, wie es einem womöglich in den Sinn kommen könnte. Vielmehr ist der Turm ein Konstrukt von lose zusammenhängenden Ebenen, die ganze Landstriche umfassen können. Es gibt sowohl einen äußeren als auch einen inneren Turm, sowie einen Bereich dazwischen. Beherrscht wird der Turm von König Chahadŭ, der in der ersten Staffel von Tower of God aber keine Rolle spielt. Stattdessen treten verschiedene Prinzessinnen ins Rampenlicht, die das Haus Chahadŭ repräsentieren und um die Gunst des Monarchen buhlen. Woher die meisten Charaktere stammen wird zumindest in der ersten Season nicht klar thematisiert. Es ist auffällig, dass die Kleidung der Protagonisten und Antagonisten aus verschiedenen kulturellen Sphären stammen. K’un Agero Agŭnisŭ scheint adliger Abstammung zu sein, trägt aber europäisch inspirierte Kleidung und schleppt eine Aktentasche mit sich herum, die Gegenstände wie Schokoriegel duplizieren kann. Davon profitiert der gefräßige Rak’ŭ Rek’ŭreisyŏ, bei dem es sich um einen krokodilartigen Humanoiden handelt, der angriffslustig mit seinem Speer wedelt und gerade Pam aufgrund von Schwarzmärz als seinen stärksten Gegner für das Ende seiner Reise auserkort.

Herausragende Animationsqualität

Unter diesen Gesichtspunkten bietet Tower of God eine fantastische Grundlage, denn auch wenn das Setting vom Game-Boy-Klassiker Makai Tōshi SaGa inspiriert zu sein scheint, bietet es genügend eigene Ansätze. Auch die Charaktere bringen genügend Abwechslung ins Geschehen. Dennoch könnten beide Bestandteile der Anime-Serie schlüssiger erklärt sein. Gerade in der zweiten Hälfte der Staffel passiert auf einmal so viel Schlag auf Schlag, dass kein Raum für die Entfaltung der tiefgründig gedachten Persönlichkeiten bleibt. Womöglich wäre es besser gewesen, einzelne Episoden bestimmten Figuren zu widmen und so peu à peu ihre Hintergründe zu lüften. Dadurch, dass auch nicht alle Informationen detailliert geschildert werden, bleibt ein guter Teil des konstruierten Szenarios nicht greifbar. Eine zweite Staffel, die den überraschenden Cliffhanger auflösen sollte, wurde 2022 bereits angekündigt. Hier könnten Antworten also noch folgen. Erzähltechnisch bleibt zwar Luft nach oben, doch dafür gefallen die vielseitigen und mit zahlreichen Details gespickten Charaktermodelle. Auch die Animationsqualität ist hervorragend. Egal ob sich die verschiedenen Akteure in unzähligen Kämpfen die Köpfe einzuschlagen versuchen oder einfach nur im Wind auf einer Ebene innehalten, um einem gefallenen Kameraden zu gedenken, die Figuren sind stets bestens animiert.

Merkwürdiger Umgang mit Texteinblendungen

Soundtechnisch reißt Tower of God nicht unbedingt Bäume aus. Die Melodien von Kevin Penkin passen zwar zum Geschehen, bleiben aber nicht lange im Gedächtnis. Ein wenig mehr musikalische Abwechslung wäre wünschenswert gewesen. Dafür gefällt sowohl der japanische Originalton als auch die deutsche Synchronisation, bei der gute deutsche Sprecher gewählt worden sind. Bezüglich der Untertitel ist es jedoch mehr als merkwürdig, dass zumindest im Stream in der Crunchyroll-Applikation, eingeblendete deutsche Übersetzungen, die sich auf Bildinformationen beziehen, erst fünf Sekunden später im Bild aufpoppen. Das ist verwirrend und stört beim Anschauen zum Testzeitpunkt am 10. November 2023 massiv. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Umstand in der im Juli 2023 veröffentlichten Gesamtausgabe der Blu-ray-Fassung nicht vorliegt. Diese Version lag uns zu Rezensionszwecken nicht vor, weshalb wir hierzu keine weiteren Angaben machen oder gar eine Empfehlung aussprechen können. In Anbetracht dessen, dass die Anime-Serie seit April 2020 zum Abruf bei Crunchyroll zur Verfügung steht und noch keine Korrektur stattgefunden hat, ist dieser Umgang mit dem eigenen Produkt alarmierend. Die eigentliche Qualität wird so nur wenig geschmälert, denn trotz des Fauxpas kann sich der Zuschauer gerne auf die Story um Pam und Rahel einlassen.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei Crunchyroll): Tower of God erzählt, wie es sowohl die erste als auch die letzte Szene der ersten Staffel erklärt, die Geschichte von Rahel, die den Turm erklimmt, und von Pam, der ihr folgt. Die Story entfaltet sich in über dreizehn Episoden mit wichtigen Schlüsselmomenten, die nach und nach mehr Details über die Welt und die Charaktere fallen lassen. Allerdings sind diese Details rar gesät und vieles bleibt für den Zuschauer im Dunkeln. Tatsächlich mag ich es, wenn mit Einzelheiten gespart wird und die Wissenslücken erst später gefüllt werden. Eine der besten Anime-Serien überhaupt, Attack on Titan, basiert schließlich auf genau diesem Grundsatz. Allerdings bleibt Tower of God noch kryptischer als andere Serien. Die erste Season der Anime-Umsetzung des ursprünglich als Webtoon gestarteten Werks ist bis zu einem gewissen Grad zwar durchaus gelungen, was vor allem die herausragenden Animationen und die sehr gute deutsche Synchronisation angeht, doch bleibt gerade in erzähltechnischer Hinsicht reichlich Luft nach oben. Auch sollte Crunchyroll den Umgang mit Texteinblendungen üben, denn wenn diese erst fünf Sekunden später angezeigt werden, stört dies das Seherlebnis trotz der spannenden Handlung stark. Bei der zweiten Staffel darf sich so etwas nicht wiederholen. Zudem sollte diese in puncto Story mehr Antworten liefern. Immerhin ist mein Interesse und mein Verlangen nach mehr geweckt – in dieser Disziplin hat die Anime-Serie Tower of God also definitiv ihr Ziel erreicht!

Vielen Dank an Crunchyroll für die freundliche Bereitstellung des Zugangs zum Streaming-Angebot!

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