Review: Spider Web: Once upon a Time in Seoul

Regisseur Kim Chiun hat schon einige südkoreanische Hits produziert, die auch außerhalb des Landes und selbst im deutschsprachigen Raum bekannt sind. Spider Web: Once upon a Time in Seoul dürfte sich in diese Riege einreihen, überzeugt der Film doch mit einer echten Farce.

Ist der Film im Kasten, so sollte davon auszugehen sein, dass der Regisseur mit seinem Werk auch zufrieden ist. Dass dies je nach Filmschaffenden nicht immer der Fall sein dürfte, wissen wohl die wenigstens. Es folgen Nachdrehs, in denen weitere Szenen entstehen oder sie durch alternative Sequenzen ausgetauscht werden, was dem Film möglicherweise sogar eine gänzlich andere Bedeutung gibt. Dieses Konzept verarbeitete der südkoreanische Regisseur Kim Chiun, der unter anderem für A Bittersweet Life oder I saw the Devil bekannt ist, in seinem Werk Spider Web: Once upon a Time in Seoul. Der bislang nur mittelmäßig erfolgreiche Regisseur Kim Yŏl hat den titelgebenden Streifen Spinnennetz abgedreht, hat nun aber eine größere Vision von seinem Werk als er womöglich haben dürfte. Aus eigenem Antrieb überarbeitet er an ein paar Stellen das Drehbuch und setzt einen Nachdreh an. Allerdings wurde ihm das von der Produktionsfirma respektive von Präsidentin Paek höchstpersönlich untersagt. Seine Vision würde gegen die öffentliche Moral verstoßen und nicht im Sinne des südkoreanischen Staates stehen. Zwischen 1972 und 1979, sprich zur Zeit der Vierten Republik, unterlagen Filme einer strengen Zensur, weshalb für den Nachdreh kein Geld fließen darf. Kim Yŏl ist dies völlig egal und lässt sich nicht von Zensur und dem Zorn der Präsidentin aufhalten.

Mit Problemen überschattete Dreharbeiten

Was zunächst nach einem Spaziergang klingt, ist in Spider Web: Once upon a Time in Seoul aber weit davon entfernt. Der Nachdreh von Spinnennetz wird von allen Seiten vor größere Herausforderungen gestellt. Insbesondere setzt die Schauspielerin Han Yurim die Dreharbeiten unter großen Druck. Schon am nächsten Tag muss sie wieder am Set der Serie sein, für die sie derzeit vor der Kamera steht. Noch dazu hat sie eine angebliche Kunstblutallergie, ist von einem ihrer Schauspielerkollegen geschwängert wurden und hat noch dazu Angst vor Spinnen – kein gutes Omen bei einem Film, der Spinnennetz heißt. Mit jeder Stunde, die vergeht, wird auch die Zensurbehörde aufmerksam auf den Nachdreh gemacht und entsendet zunächst einen Mitarbeiter, bis später auch noch der Direktor persönlich an die Tür klopft. Dies stellt das Drehteam vor besondere Herausforderungen, denn irgendwie müssen sie mit den Staatsbeamten umgehen. Auch Präsidentin Paek ist nicht lange außer Haus und macht Regisseur Kim Yŏl persönlich dafür verantwortlich, in welches Desaster die Crew vermeintlich hineinschippert. Hinzu kommen etliche Streitigkeiten am Set – und wenn dann auch noch das gesamte Kamera-Equipment abgeholt werden soll, bleibt dem Team nur eine Möglichkeit: Die letzte Szene muss als Plansequenz gedreht werden, um Spinnennetz zu einem Meisterwerk zu machen.

Magie des Kinos

Über einhundert Minuten baut der Film auf diese spannende Szene mit dem von Song Kangho gespielten Protagonisten auf – und was dann geschieht ist magisches Kino. Es fluppt – und endet dennoch in einer Katastrophe mit ganz viel Irrsinn drumherum. Kim Chiun hat sich für die Dialogdynamik von Spider Web: Once upon a Time in Seoul am US-amerikanischen Kino orientiert, was in diesem Falle nicht die schlechteste Entscheidung war. In einem hohen Tempo wird die Geschichte auf zwei Erzählebenen vorangetrieben, denn der Zuschauer freut sich nicht nur über das Chaos am Set und wie die Figuren die Situation meistern, sondern auch auf die Fortführung der Handlung des im Film gedrehten Films. Stilistisch wechselt das Geschehen daher immer mal wieder zu schwarzweißen Szenen, um einen Bruch zwischen diesen beiden Welten zu suggerieren. Selbst der Ton verfremdet sich, um die Immersion aufrechtzuerhalten. Hinzu kommt zeitgenössische Musik. Unter anderem ertönen die Songs Wednesday’s Child von Matt Monro und Poupée de cire, poupée de son von France Gall – in gewisser Weise eine Rückbesinnung an die Renaissance des südkoreanischen Kinos der 1960er-Jahre, bevor ein Jahrzehnt später die Zensur greift. Wer tiefer in die Hintergründe eintauchen will, freut sich über ein dreißigminütiges Interview mit dem Regisseur auf der Blu-ray Disc.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der Blu-ray-Fassung): Schon mit Kim Chiuns Filmen A bittersweet Life, I saw the Devil oder The Good, the Bad, the Weird hatte ich vor etlichen Jahren meinen Spaß. Spider Web: Once upon a Time in Seoul ist ebenfalls wieder ein Film, der mich in erster Linie unterhalten will – und dies gelingt. Filmische Werke, welche inhaltlich die Entstehung eines Films oder dessen Dreh thematisieren, gab es schon und wird es auch immer geben. Kim Chiuns Werk bezieht sich jedoch explizit auf den Nachdreh, der zudem vor sehr großen Hindernissen steht. Sowohl logistische als auch politische Hürden gilt es zu überwinden. Mit unorthodoxen wie einfachen Methoden gelingt dies über die Spielzeit von 132 Minuten. In diesem Film gibt es kaum bis gar keine Längen. Mit schnellen wie dynamischen Dialogen folgt eine Einstellung auf die nächste, wodurch sowohl die Filmhandlung als auch die erzählte Geschichte des gedrehten Films immer mehr Form annimmt. Gerade die Plansequenz und ihr Dreh, welche die Filmhandlung abschließen soll, ist großartig inszeniert. Sie ist eine Verbeugung vor der Liebe zum Kino, wie es auch schon Regisseuren wie etwa Quentin Jerome Tarantino mit Once upon a Time in Hollywood gelungen ist. Fans des südkoreanischen Kinos werden mit Spider Web: Once upon a Time in Seoul trotz des deplatzierten Untertitels in der deutschsprachigen Publikation eine wunderbare Zeit erleben.

Vielen Dank an Plaion Pictures für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Spider Web: Once upon a Time in Seoul!

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