Review: Alan Wake Remastered

Was lange währt, wird endlich gut. Diese Floskel lässt sich auf viele Begebenheiten übertragen, aber nicht immer auf Videospiele. Alan Wake aus dem Jahr 2010 ist ein solches Werk, das einige inszenatorische Höhepunkte bietet, beim Gameplay aber mit brachialer Daueraction ermüdet.

Filme und Videospiele wachsen immer mehr zusammen. Dis ist eine Entwicklung, die spätestens in den 1990er-Jahren mit sogenannten Full-Motion-Video-Titeln angestoßen und über die Jahrzehnte hinweg in unterschiedlicher Intensität ausgebaut wurde. Auch das ursprünglich im Jahr 2010 exklusiv für die Xbox 360 veröffentlichte Action-Adventure Alan Wake ist solch ein Videospiel, das die Grenzen zwischen Film und Videospiel und noch mehr überschreitet. Schon früh in der Entwicklung haben die Entwickler festgelegt, dass das durchaus dem Suvival-Horror-Subgenre zuzuordnende Spiel ein Episodenformat erhält und narrativ verschiedene Einflüsse erhält. Als eines der großen Vorbilder ist unverkennbar die Fernsehserie Twin Peaks von Mark Frost und David Lynch zu nennen. Auch Romane von Stephen Edwin King und dessen Filmumsetzungen wie zum Beispiel Shining sind hier zu nennen. Bis Alan Wake jedoch diese Form angenommen hat, vergingen etliche Jahre. Anfangs war das Spiel noch als Open-World-Titel angedacht, von dem sogar einige Elemente im fertigen Produkt spürbar sind. Mit der Zeit haben die Entwickler allerdings festgestellt, dass diese Struktur nicht mehr zu ihrer Vision passt. Statt einer offenen Spielwelt gibt es in Alan Wake fast nur noch lineare Schlauchlevels, die zudem mit dem überwiegend gleichen Gameplay vollgestopft sind.

Langer Weg zum Remaster

Vielversprechende Verkaufszahlen blieben unter dem damaligen Publisher Microsoft aus. Ob das tatsächlich an den Schlauchlevels, der immer gleichen Action oder sogar dem Episodenformat gelegen hat, wissen wohl nur Marketing-Strategen. Da Entwicklerstudio Remedy am eigenen Spiel aber festhalten wollte und es in der Zwischenzeit zwei Bonus-Episoden als zusätzliche Download-Inhalte nachreichte, musste das Spiel auch noch auf dem PC veröffentlicht werden. Nach dieser Fassung von 2012 blieb es um das Seriendebüt lange ruhig. Erst im Jahr 2021 kamen Besitzer von PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One oder Xbox Series X in den Genuss des Action-Adventures. Seit 2022 dürfen Spieler auch auf der Nintendo Switch Hand an Alan Wake legen. Da Alan Wake Remastered, wie die technisch überarbeitete Version heißt, der physischen Version vom 2023 veröffentlichten Alan Wake II als Downloadcode beiliegt und das Alan-Wake-Universum in der Zwischenzeit mit weiteren Titeln wie Alan Wake’s American Nightmare, Control und im weitesten Sinne auch Quantum Break erweitert wurde, kommen wir nicht umhin, nach all den Jahren Alan Wake einen Kontrollbesuch abzustatten, in dem wir uns das Episodenformat, die Story, das Gameplay und das technisch überarbeitete Grundgerüst noch einmal genauer anschauen und möglicherweise neu bewerten.

Psychologischer Thriller

Spoiler, das können wir euch versichern, vermeiden wir wo es nur geht. Wir müssen allerdings auf verschiedene Handlungsorte und Akteure eingehen. Wollt ihr Alan Wake also komplett ohne Vorwissen spielen, solltet ihr zumindest diesen Absatz überspringen. In jeder Version des Spiels reist das Ehepaar Alan und Alice Wake in den US-amerikanischen Nordwesten. Im Bundesstaat Washington beschließen die Vermählten im fiktiven Ort Bright Falls Erholung zu finden. Insbesondere der titelgebende Protagonist hat diesen bitter nötig, ist er seit einiger Zeit von Schlafstörungen gezeichnet. Noch dazu befindet er sich der Autor in einer schriftstellerischen Schaffenskrise, die ihm alle Kräfte raubt. In Bright Falls angelangt verschwindet Alans Frau Alice plötzlich aus der Hütte am See. Zudem verliert Alan das Bewusstsein und hat einen sprichwörtlichen Filmriss von einer Woche. Mit Argusaugen von Sheriff Sarah Breaker beobachtet, beschließt er mit seinem Freund und Agenten Barry Wheeler, seine Frau Alice zu retten. In der Zwischenzeit meldet sich ein Entführer, es taucht ein schießwütiger Ermittler vom Federal Bureau of Investigation auf und auch der Psychologe Dr. Emil Hartman hat ein Interesse daran, Alan zu untersuchen. Noch dazu tauchen Seiten eines Manuskripts eines Buchs auf, an das sich Alan nicht erinnern kann, es geschrieben zu haben.

Fernsehserienformat

Geleitet von diesen Manuskriptseiten, die offenbar zu einem guten Teil Ereignisse vorhersagen, die noch nicht geschehen sind, durchkämmen wir mit Alan finstere Wälder, Höhlen, Bergwerkstollen, Sägewerke und nicht zuletzt die Stadt Bright Falls selbst. Während gerade der Auftakt und das Ende einer jeden der sechs Episoden des Hauptspiels mit starken Story-Elementen aufwarten, entwickelt sich Alan Wake dazwischen zu einem Schießbudenlauf. Kaum haben wir ein neues Areal entdeckt, greifen wir zu Revolver oder Schrotflinte und machen Jagd auf Besessene – sowohl menschenähnliche Gestalten als auch Fahrzeuge. Selbstverständlich gibt es hierbei Höhepunkte wie ein Rockkonzert, bei dem die Funken nur so fliegen oder der Kampf gegen einen Mähdrescher, doch auch diese Kämpfe bleiben spieltechnisch ähnlich. Mit einer Taschenlampe oder sonstigen Lichtquellen müssen wir die Gegner zunächst von der Dunkelheit befreien und sie anschließend mit Blei durchlöchern. So entledigen wir uns hunderten Gegnern im Verlauf des auf 15 Stunden angelegten Spiels. Wir rücken in Intervallen bis zum Cliffhanger am Ende der Episode vor – und beginnen die nächste Folge mit dem obligatorischen Einleitungsspruch „Bisher bei Alan Wake“. Das macht uns auch am meisten Spaß, denn die abgedrehte Story setzt sich mit der Zeit recht verständlich zusammen.

Brachiale Daueraction mit Hindernissen

Wer will, kann die Geschichte also portioniert in guten Appetithappen erleben, auch wenn das Gameplay spätestens ab der dritten Episode wirklich ermüdend ist. Zudem ist Alan Wake kein sonderlich leichtes Spiel, denn selbst auf dem untersten Schwierigkeitsgrad haben wir an so mancher Stelle durchaus zu knabbern. Dies liegt allerdings nicht an den vielleicht zu heftigen Aufgaben, sondern mehr an den limitierten Bewegungsmöglichkeiten und undurchsichtigem Auftauchen der Besessenen. Kämpfen wir beispielsweise inmitten eines Gangs und beleuchten und ballern die Gegner vor uns weg, kann es gut sein, dass sich uns von hinten ohne akustischen oder visuellen Marker ein Feind anschleicht und uns mehrfach attackiert. Gegen Rudelangriffe, die auf breitflächigen Arealen häufiger vorkommen, haben wir gar keine Chance. Auch auf der PlayStation 5 ist dem Spiel anzumerken, dass es für eine Konsole, die zwei Generationen zuvor erschienen ist, entwickelt wurde. Hier hätten wir uns über eine überarbeitete Steuerung und einen fairen Schwierigkeitsgrad gefreut. So bietet das Action-Adventure mit Horror-Einschlag im Grunde dieselbe Erfahrung mit allen positiven wie negativen Merkmalen wie das Ursprungsspiel und unterscheidet sich nur optisch von dem, was wir 2010 auf der Xbox 360 oder 2012 auf dem PC erlebt haben. Alan Wake hätte echt mehr verdient gehabt!

Stimmungsvolles Action-Adventure mit Gameplay-Schwächen

Bitte versteht uns nicht falsch: Alan Wake Remastered ist natürlich kein Remake und kann deshalb nicht mit neuen Spielmechaniken aufwarten. Dennoch ist es im Bereich des Möglichen, ein passables bis gutes Spiel anzupassen und aufzuwerten. So fragen wir uns zum Beispiel, warum es im Spiel sowohl bei der Erstveröffentlichung als im Remaster einhundert Thermokannen zu finden gibt, obwohl diese keinen Einfluss aufs Spielgeschehen haben – und nur für eine Trophäe für den digitalen Schwanzvergleich lohnt sich das Einsammeln wirklich nicht. Die Thermoskannen sind genauso wie die schwammigen Autofahrten ein Überrest der Open-World-Struktur, für die es unserer Meinung nach keinen Platz geben sollte. Das hätte den Entwicklern bereits Ende der 2000er-Jahre auffallen müssen. Gravierender ins Gewicht fällt der Umstand, dass Alan Wake nur eine halbwegs abgeschlossene Geschichte erzählt. Auch die beiden Zusatzepisoden, welche die Story fortführen, bringen die Handlung im Endeffekt nur zurück zum Ausgangspunkt beziehungsweise dem Ende des Hauptspiels. Trotz aller Ecken und Kanten mögen wir Alan Wake. Story und Charaktere sind gut gestaltet, das Episodenformat funktioniert bestens und ist inszenatorisch auch mit starker Musik gebündelt. Nur beim Gameplay bietet Alan Wake auch im Remaster für uns einfach noch zu wenig.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-5-, PC- und Xbox-360-Fassung): Die PlayStation-5-Version ist die dritte Ausgabe von Alan Wake, die ich gespielt habe. Alle drei Versionen teilen sich dasselbe Grundgerüst. Während mir auch beim wiederholten Male die Story im Episodenformat, die überzeichneten Charaktere und die Art und Weise, wie sich das Spiel inszenatorisch präsentiert, gefallen, kann ich dem Gameplay auch beim erneuten Durchlauf nicht viel abgewinnen. Die erste Episode macht hierbei noch am meisten Spaß, danach nutzt sich das Spiel über die restliche Spielzeit immens ab. Gerade das Zusammenspiel mit Lichtquellen hätte wesentlich besser umgesetzt werden können. Auch warum die Überreste der Open-World-Struktur selbst im Remaster noch nicht ausgemerzt worden sind, ist ein Rätsel für mich. Visuell sieht der Titel auf der PlayStation 5 natürlich ein ganzes Stück besser als auf der Xbox 360 aus, gewinnt aber auch hier keinen Blumentopf. Der Atmosphäre schadet es aber nicht. Da die Story am Ende unvollendet bleibt oder zumindest einen viel zu plötzlichen Schlusspunkt setzt, mit dem ich nicht so ganz zufrieden bin, freue ich mich auf weitere Verbindungen zu Spielen, die eine Verbindung zu Alan Wake haben und ich noch nachholen muss. Wer Alan Wake noch nicht kennt, Action-Adventures mit hohem Action-Anteil mag und auch nichts gegen leichte Horror-Elemente hat, darf aller Unkrenrufe zum Trotze einen Blick riskieren, um den Funken Genialität in diesem eher durchschnittlichen Titel zu verstehen.

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