Eine verschuldete Adlige, fünf willige Heiratskandidaten, eine Liebe mit Hindernissen – und all das in einer idyllischen englischen Fake-Kulisse. Zack und fertig ist Miss Sophie: Same Procedure as every Year, das Prequel zum allseits bekannten Silvestersketch Dinner for One.
Jeder kennt ihn, jeder liebt oder duldet ihn zumindest: Den Silvestersketch schlechthin, besser bekannt als das von Heinz Piper präsentierte Dinner von One mit Freddie Frinton und May Warden in den einzigen beiden Hauptrollen. Es sind 18 Minuten, die jeder von uns sicherlich auswendig kennt, da der Sketch durchschnittlich über ein Dutzend Mal am letzten Tag des Jahres im Fernsehen ausgestrahlt wird. Die Prozedur ist jedes Jahr gleich und macht daher auch dem Inhalt des Sketches alle Ehre. Miss Sophie feiert ihren neunzigsten Geburtstag und hat ihre vier engsten Freunde geladen. Sir Toby, Admiral von Schneider, Mister Pommeroy und Mister Winterbottom haben jedoch eines gemeinsam: Sie sehen die Radieschen bereits von unten. Aus gegebenem Anlass mimt Butler James die vier Verstorbenen und stoßt mehrfach mit Miss Sophie während des Dinners an. Der zunehmend unter Alkoholeinfluss stehende James stolpert beim Servieren beziehungsweise Abräumen von Miss Sophies Menü über einen Tigerteppich oder geht ihm geschickt aus dem Weg – ein Brüller! Zurück geht die Geschichte des Sketches bis in die 1920er-Jahre, wurde allerdings erst 1963 für das Fernsehen umgesetzt. Mehr als sechzig Jahre später kam die absurde Idee auf, ein Prequel zu diesen 18 Minuten der besten Fernsehunterhaltung zu drehen. Überraschenderweise zündet diese Idee!
Inszeniertes wie erweitertes Prequel
Miss Sophie: Same Procedure as every Year spielt überwiegend in den späten 1910er-Jahren auf einem englischen Landsitz, der kurz vor der Pfändung steht. Die in der Blüte ihres Lebens stehende Miss Sophie ist hoch verschuldet und muss sich zur Rettung ihres Familienerbes mit jemandem verheiraten. Ihr Butler Mortimer wählt für sie vier Kandidaten aus, die Miss Sophie auf dem Ball des Königs umgarnen kann. Dort erwählt sie mit dem US-amerikanischen Milliardär Sir Toby, dem deutschen Militär von Schneider, dem französischen Champagnererbe Mister Pommeroy, dem Immobilienhändler Mister Winterbottom und dem ungarischen wie extra für diese aus sechs Teilen bestehende Miniserie geschriebenen Graf Szabos insgesamt fünf Kandidaten und trifft darüber hinaus auf ihre Jugendliebe James, Mortimers Sohn. Dieser wurde vor etlichen Jahren vom Landsitz vergrault und steht inzwischen als Butler im Dienste seiner Majestät. Im Folgenden beginnt auf dem Landsitz der Kampf um Miss Sophies Herz und auch James kehrt aufgrund eines tragischen Vorfalls zurück in seine alte Heimat. Im Kern funktioniert Miss Sophie: Same Procedure as every Year als eine Dramödie, da auch mit amüsanten wie humorvollen Einlagen zwischen dem ganzen inszenierten Herzschmerz nicht gegeizt wird. Bis zu einem gewissen Grad weiß die Serie deshalb auch durchaus zu gefallen.
Deutsche Produktion mit Einschränkungen
Des Weiteren übt die Serie geschickt Sozialkritik, indem sie zum Beispiel das oberflächliche Wischen auf Dating-Applikationen schamlos zur Auswahl der Heiratskandidaten mit Pappkarten im Hochkantformat imitiert. Auch Challenges, wie sie aus Reality-Formaten bekannt sind, müssen die fünf Heiratswilligen absolvieren. Auf der einen Seite geht es Miss Sophie nur ums große Geld, auf der anderen Seite um die wahre Liebe. Dementsprechend gibt es viel Theater, das gerade im Mittelteil der deutschen Produktion störend auffällt. Das gute Schauspiel, allen voran durch die tatsächlich dem Adelsgeschlecht entstammende Alicia Helena Valerie Gräfin von Rittberg, kann darüber hinwegtäuschen. Auch Kostja Alexander Ullmann, Frederick Lau, Jacob Matschenz, Christoph Schechinger, Vladimir Korneev und vor allem Moritz Johann Bleibtreu gefallen in den weiteren Hauptrollen. Selbst Nebenrollen sind mit Schauspielern wie Michael Kessler oder Wotan Wilke Möhring herausragend besetzt. Die Regisseure Markus Sehr und Daniel Rakete Siegel haben die Serie nach den Drehbüchern von Tommy Wosch und Dominik Moser in Brandenburg gedreht. Obwohl die Kulissen genauso wie die hochwertigen Kostüme begeistern, ist schnell deutlich, dass der Schauplatz in Miss Sophie: Same Procedure as every Year nur bedingt einer englischen Grafschaft entspringt – ein Tropfen auf dem heißen Stein, über den der Zuschauer aber getrost hinwegsehen kann.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei Amazon Prime): Auf die Idee, den Silvestersketch Dinner for One mit einer Vorgeschichte auszustatten, kommen wohl nur die wenigsten. Ich bin aber froh, dass jemand die Idee hatte! Obwohl das Prequel Miss Sophie: Same Procedure as every Year durchaus seine Schwächen im Mittelteil der sechs Episoden hat und auch die Kulissen nicht unbedingt einer englischen Grafschaft entsprechen, kann mich die Serie überwiegend unterhalten. Das liegt zum einen am wirklich charmanten Humor, der sich nicht zu schade für die blödesten Witze und überdrehten Akzente ist, und zum anderen an den hervorragenden Schauspielern. Vor allem Alicia von Rittberg als titelgebende Miss Sophie, die mit Kalkül agiert, und Moritz Bleibtreu als Mister Pommeroy, der mehr in seinen Hund als in alles andere vernarrt ist, begeistern mich auf ganzer Linie. Auch die Story, die mit ein paar pfiffigen Überraschungen versehen ist, die ich hier nicht vorwegnehmen möchte, ist wirklich besser als ich im Vorfeld erwartet hätte. Schade, dass die Miniserie nur auf eine Staffel ausgelegt ist, aber so wird der Ruf des Silvestersketches nicht beschädigt. Fans von diesem sollten Miss Sophie: Same Procedure as every Year eine Chance geben. Wer den Sketch – aus welchen unerklärlichen Gründen auch immer –, noch nicht kennt, bekommt mit der Serie aus dem Hause der UFA Fiction meiner Meinung nach sogar die beste Vorbereitung darauf.