Wenn es um den virtuellen Schwanzvergleich geht, dürfte der Held aus Fable III gegenüber anderen Rollenspielprotagonisten wohl den längsten haben. Die Rede ist selbstverständlich von seinem Besitz. Bis unser Alter Ego die Mieten jedes einzelnen Hauses einkassiert, die mächtigsten aller Waffen führt und die Welt schließlich vor dem drohenden Untergang rettet vergehen dutzende Spielstunden, die mehr oder weniger gut gefüllt sind.
Zu Beginn des Spiels ahnen wir noch nichts Schlimmes. Wie jeden Tag wachen wir als Prinz von Albion in unseren Gemächern auf. Freundin Elise erwartet uns bereits im königlichen Garten, der wie es der Zufall so will nach einigen Treppenstufen erreicht ist. Unterdessen schütteln wir unseren treuen Dienern die Hand, bis wir schlussendlich unsere Herzensdame treffen. Wir entscheiden uns, der holden Dame unsere Wertschätzung mit einem Kuss mitzuteilen. Wie im wahren Leben haben Adlige wichtige Pflichten zu erfüllen. In der Eingangshalle lehnen sich einige Bürger gegen unseren Bruder Logan, dem amtierenden König auf. Wir setzen uns für ihre Sache ein und signieren die Unterschriftensammlung obwohl wir wissen, dass es beim jetzigen Absolutismus keine Wirkung haben wird. Anschließend treffen wir Walter in einem benachbarten Raum, wo wir das erste Mal eine Waffe in die Hand gedrückt bekommen.
Flucht bei Nacht und Nebel
Wenig später sieht die Welt nicht mehr ganz so rosig aus. Unser Bruder hat Elise und die Rebellen in den Thronsaal gezerrt. Er will seine Herrschaft nicht überdenken und will ein Exempel statuieren. Wir müssen nun entscheiden, ob wir uns für die Rebellen einsetzen, dafür aber das Leben von Elise auf Spiel setzen. Oder wir retten unsere Freundin, müssen aber den Tod zweier unschuldiger Bürger in Kauf nehmen. An dieser Stelle entscheiden wir uns, dass Leben von Elise zu retten. In der Nacht weckt uns Walter. Elise wird bereits in Sicherheit gebracht heißt es. Gemeinsam mit Butler Jasper und unserem geliebten Hund schleichen wir uns aus dem Schloss. Walter führt uns zur Grabkammer unseres Vaters. Sichtlich überrascht treten wir plötzlich dessen Erbe an. Schließlich war unser Erzeuger der letzte Held von Albion und Protagonist des Vorgängers. Indem wir durch die unter dem Schloss gelegenen Höhlen entkommen, stoßen wir auf den Ort, welchen wir in den nächsten Stunden hunderte Male aufsuchen werden: Den Unterschlupf.
Die Batcave
Dieser sagenhafte Ort könnte man am besten mit der Batcave des dunklen Ritters beschrieben werden. Umliegende Türen führen zu den einzelnen Räumen des Unterschlupfs. In der Waffenkammer werden Schwerter, Hämmer, Pistolen und Gewehre gelagert. Die Garderobe beheimatet jegliche Kleidungsstücke, welche wir in der Spielwelt erwerben. Selbst Haarfarbe, Bärte und Tätowierungen können hier ausgewählt werden – vorausgesetzt man hat die nötigen Gegenstände bereits vorher entdeckt. Verdientes (oder ergaunertes) Geld und erhaltene Trophäen werden in der Schatzkammer aufbewahrt. Lustigerweise haben die Entwickler auch eine Wand für alle verdienten Erfolge reserviert. Haben wir mehr als zwanzig Leuten die Hände geschüttelt, springt uns gleich das Symbol „Vom Helden berührt“ entgegen. Die letzte Kammer verbindet uns mit Xbox Live, wo wir in so genannten Paralleluniversen auf andere Helden treffen oder diese in unsere Welt einladen dürfen. An den Wänden des Hauptraums dürfen wir neben spielinternen Optionen auch Geschenke auspacken. Wenn die Bürger von Albion Angst vor uns haben oder uns mögen, werden wir haufenweise Päckchen auspacken dürfen.
Schlachtplan der Einmann-Armee
In der Mitte des Hauptraums befindet sich ein großer, runder Tisch. Von Anfang an haben wir einen Überblick über alle Spielgebiete, die wir bereisen dürfen. Allerdings müssen wir diese erst eigenständig aufsuchen, bevor wir sie über die Landkarte auswählen können. Während unser Blick der Karte gilt, verwandelt sich der Cursor in eine Lupe. Fahren wir über ein Gebiet und bestätigen die Auswahl, erhalten wir einen größeren (aber nicht maßstabgetreuen) Überblick über den Ort. Wir sehen wo wir Häuser und Läden kaufen können. Dies dürfen wir sogar von der Karte aus machen, ohne überhaupt erst den Ort zu betreten. Außerdem erfahren wir wo es Aufgaben, so genannte Quests, für uns zu erledigen gibt. Wählen wir eine Quest von der Karte aus, dürfen wir uns an den nächstmöglichen Ort teleportieren lassen. Angst uns zu verlaufen haben wir nicht. Die Spielabschnitte sind zwar groß, fallen aber im Vergleich zu anderen Rollenspielserien wie The Elder Scrolls oder Gothic mager aus. Zudem weist uns ein leuchtender Pfad zum nächsten Auftraggeber, den wir auf diesem Weg in der Regel schnell finden. Nur in wenigen Fällen lässt uns das Feature im Stich, schickt uns in die entgegen gesetzte Richtung oder verschwindet zuweilen ganz.
Herausragende Quests
Die Quests fallen in Fable III sehr unterschiedlich und recht spektakulär aus. Wir nehmen an einem Theaterstück als Hauptdarsteller bei, locken in einem Hühnerkostüm unsere gefiederten Freunde in ihren Stall zurück, werden für einen Tabletop-Abend geschrumpft oder helfen einem Wahnsinnigen bei der Ausgrabung eines dunklen Tempels. Während wir die Aufgabe erfüllen, reisen wir oft kreuz und quer durch das Fantasy-Reich Albion. Bevor die eigentliche Aufgabe von uns angegangen werden kann, dürfen wir meist noch ein paar Monster plätten. Dabei stehen uns wie bereits erwähnt Schwerter, Hämmer, Pistolen und Gewehre zur Auswahl. Hohle Männer (untote Skelette), Hobbs (koboldartige Wesen), unschuldige Dorfbewohner und Banditen gehören somit schnell der Vergangenheit an. Wir dürfen unseren Feinde außerdem mit Magie einheizen. Die unterschiedlichen Zaubersprüche dürfen gar miteinander kombiniert werden. Egal für welche Angriffsmethode wir uns auch entscheiden – wir erhalten nach mehreren Treffern mindestens ein Gildensiegel. Diese erhalten wir auch für abgeschlossene Quests und dürfen diese gegen neue Fähigkeiten eintauschen.
Gut oder böse? Das ist hier die Frage!
Auf der jederzeit aus dem Unterschlupf auswählbare Siegesstraße können wir Truhen für eine bestimmte Anzahl an Gildensiegeln öffnen. Je weiter wir im Spielverlauf voranschreiten, desto mehr Truhen stehen uns zur Auswahl. So vergrößern wir etwa den Schaden, den wir mit unseren Waffen anrichten oder erlernen gänzlich neue Zaubersprüche. Wir können aber auch neue Emotionen erlernen, die wir anschließend in späteren Gesprächen mit den Bürgern des Landes anwenden können. Ein wichtiger Bestandteil des Spiels ist die Interaktion mit anderen Menschen. Erheitern wir die Gemüter unserer Mitmenschen, ist man uns freundlich gesinnt und möchte uns stellenweise mit Geschenken überhäufen. Wir dürfen sogar tiefgehende Kontakte knüpfen, wenn wir Botengänge für die Leute erledigen. Diese Quests sind allerdings innovationslos inszeniert und fallen nach kurzer Zeit negativ auf. Wir dürfen aber auch mordend und plündernd durch die Lande ziehen. In diesem Falle werden uns die Leute aber hassen, uns angreifen oder vor uns flüchten. Geschenke gibt es unter Umständen dennoch – aus Furcht.
Jeden Tag eine böse Tat
Ein Großteil des Spiels beschäftigt sich mit der Revolution: Wir sollen unseren Bruder vom Thron stürzen. Wenn wir nicht gerade Quests erledigen, lebendig gewordene und freche Gartenzwerge den Garaus machen, hohe Mieten erheben, Warenverkauferlöse in die eigene Tasche wirtschaften, mit dem Hund auf Schatzsuche gehen oder Silberschlüssel sammeln, versprechen wir den Anführern diverser Fraktionen wichtige Dinge. So sollen wir die Kinderarbeit in den Fabriken des Bowserstone-Industriegebiets abschaffen oder die Mistpeak-Berge an die Vagabunden zurückgeben. Wenn wir gegen Ende des Spiels den Thron besteigen, haben wir die Möglichkeit diese Versprechen einzuhalten. Wir dürfen sie aber auch brechen, was aus uns einen schlechten Monarchen machen würde. Das Spiel lässt uns an vielen Stellen schwerwiegende, moralische Entscheidungen treffen. Auch wenn die meisten Auswirkungen kurz nach unserer Entscheidung nicht mehr spürbar sind, sind es genau diese Momente, welche Fable III einzigartig erscheinen lässt. Leider kommt besonders der Spielabschnitt als König von Albion über das Land zu regieren viel zu kurz. An dieser Stelle müssen wir uns ernsthaft fragen, ob wir überhaupt mehr erwartet haben – schließlich war hier Märchenonkel Peter Molyneux am Werk!
Fable 2.5
Fable III bietet im Grunde nicht mehr und nicht weniger als sein Vorgänger. Man hat alte Inhalte herausgenommen und durch neue ersetzt. Die Umformung der verschachtelten Menüs in den Unterschlupf mag für den einen oder anderen eine willkommene Abwechslung sein, doch leider hat auch dieses eigentlich tolle Feature seine Tücken. Wir müssen Ladezeiten in Kauf nehmen und besonders das Wechseln einer aktiven Quest ist besonders stressig. Auch optisch hat sich nicht viel seit dem Vorgänger getan. Wir behaupten sogar, dass sich die Technik auf demselben (veralteten) Stand wie vor zwei Jahren befindet – inklusive bei großen Gegnermengen hin und wieder starken Ruckeleinlagen. Der leuchtende Pfad hat wie bereits beschrieben ebenfalls seine Macken – genau wie der Spürsinn des Hundes. Wenn dieser für uns einen vergrabenen Schatz aufspüren möchte, nimmt er Umwege in Kauf, findet den Weg nicht oder bleibt zwischendurch einfach mal an einer Ecke kleben. Diese Probleme existierten bereits in Fable II – warum keine Zeit zur Nachbesserung zur Verfügung stand, ist uns schleierhaft.
Königliches Spiel?
Gut gelungen ist übrigens die deutsche Synchronisation, die mit viel Humor daherkommt. Der (männliche) Held verfügt übrigens über die deutsche Synchronstimme von Simon Pegg aus dem kultigen Film Shaun of the Dead. Lustigerweise spricht genau dieser Schauspieler den Charakter Ben Finn im englischen Original. In der englischen Synchronisation wird Butler Jasper im Übrigen von John Cleese gesprochen – leider ist diese Synchronfassung abermals nicht auf der Disc in der deutschen Verkaufsversion enthalten. Microsoft entpuppt sich als Widerholungstäter, denn so war es auch beim Vorgänger. Akustisch bietet Fable III ebenfalls nicht viel neues, da sich ein Großteil der Stücke dem Vorgänger ähneln oder stellenweise gar entnommen wurde. Wer Fable II schon mochte, wird auch mit dem dritten Teil zufrieden sein – allerdings muss man dann mit den bereits beschriebenen Defiziten leben. Wenn man alles entdecken möchte, ist man gut vierzig Spielstunden beschäftigt. Ungeduldige werden das Spiel in viel kürzerer Zeit durchspielen können.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der Xbox 360-Fassung): Persönlich hat mir Fable III sehr gut gefallen. Kaum ein anderes Rollenspiel hat mich in den letzten Wochen und Monaten so gefesselt, wie der dritte Teil der Fable-Reihe. Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, durch Albions Weltgeschichte zu reisen, mit den Bewohnern zu interagieren, als großzügiger König zu regieren und jede einzelne Truhe auf der Siegesstraße zu öffnen. Ich finde sogar den Unterschlupf als Menüersatz gelungen, wenn nicht gerade das Auswählen der Quests so nervig wäre. Besonders wenn es um die einfallslosen Botengänge geht, fühle ich mich sehr schnell gelangweilt. Die anderen Aufgaben gefallen mir dafür umso besser. Ich habe schon lange in keinem anderen Rollenspiel mehr so facettenreiche Aufgaben erlebt. Ganz zu schweigen von dem britischen Humor, der einem unweigerlich auferlegt wird. Schade nur, dass auf der Disc nur eine deutsche Tonspur vorhanden ist. Besonders John Cleese weiß die Leute mit seiner Stimme zu unterhalten. Auf der technischen Seite fand ich das Spiel sehr enttäuschend, da es sich in den letzten zwei Jahren nicht weiterentwickelt hat und haargenau dieselben Fehler vorweist. Der unterbemittelte Hund und der teils irreführende leuchtende Pfad haben mir den letzten Nerv geraubt. Deswegen habe ich fürs Erste genug von Fable III, werde es aber irgendwann noch einmal als machthungriger und böser König spielen. Obwohl ich kein großer Fan der Erfolge bin, soll „Heinrich VIII“ trotzdem noch frei geschaltet werden. Und vielleicht erscheint ja noch ein Add-On, in dem ich meine angehäuften virtuellen Millionen endlich mal investieren kann. Selbst einem toten Helden nützt es nichts, der Reichste auf dem Friedhof zu sein.
Saschas Fazit (basierend auf der Xbox 360-Fassung): Fable III hat mir persönlich nicht ganz so gefallen wie sein Vorgänger. Mir fehlten einfach grundlegende Dinge wie das Ausdrucksmittel-Rad oder eine jederzeit anwählbare Übersicht für Quests und Items. Ersteres hat die Unterhaltung mit Menschen eher langweilig erscheinen lassen. Die größte Enttäuschung war meiner Meinung nach aber die Zeitspanne als Herrscher von Albion. Diese war, wenn man nur der Story folgte, viel zu kurz. Allerdings hat Fable III auch seine guten Seiten. So ist das Quest-Design sehr gelungen und strotzt nur so vor Humor. Wenn man beispielsweise als Tabletop-Figur über ein Spielbrett rennt und in der Ferne die Spieler sieht, dann bleibt kein Auge trocken. Der Weg zu den Quests war aber eine einzige große Suche, denn wie Eric bereits erwähnt war der leuchtende Pfad keine allzu große Hilfe. Jedoch wurde dieses Makel inzwischen durch einen Patch behoben. Fable III würde ich Fans des Vorgängers nur bedingt empfehlen, da das Spiel einfach zu viele Macken hat. Mein Tipp: Erstmal bei Freunden oder Bekannten, welche das Spiel bereits gekauft haben in Ruhe anspielen.









