Nintendo feiert eine riesengroße Party in Form eines Videospiels. In Anbetracht des fünfundzwanzigsten Geburtstags des Klempners, haben wir fest mit einem neuen Mario Party gerechnet. Die Einladungen an die Gäste gingen aber nicht an die beliebten Nintendo-Charaktere wie Peach, Yoshi und den Rest der Bande, sondern an die charakterlosen Miis.
In Anbetracht des Erscheinens von Wii Party ist es wohl sehr unwahrscheinlich, dass wir in nächster Zeit mit einer neuen Minispielsammlung mit Klempner Mario als Gastgeber rechnen dürfen. Trotzdem haben wir das für beinharte Nintendo-Fans große Defizit schnell vergessen, denn Wii Party schafft es auch ohne wichtige Lizenzen zu überzeugen. Das Hauptmenü weist bereits zu Spielbeginn eine große Auswahl an unterschiedlichen Spielmodi vor, welche mit voranschreitender Spielzeit mit weiteren interessanten Minispielen erweitert wird.
Insel der tausend Abenteuer
Der erste Spielmodus der uns ins Auge springt, ist die Insel der Abenteuer. Bevor wir das Spielbrett betreten dürfen, müssen wir unseren Mii auswählen. Nachdem wir den ersten Fuß auf die Insel gesetzt haben, bemerken wir auch schon den ersten Unterschied zur Mario Party-Reihe. Wir reden nicht vom nervigen Moderator, der uns noch aus grauenvollen Wii Music-Zeiten negativ belastet im Gedächtnis herumschwirrt, sondern von der Spielweise. Im beliebten Franchise war es so, dass erst einmal alle Spieler ihre Züge ausführen und anschließend ein Minispiel mit- oder gegeneinander austragen. Bei Wii Party ist es genau anders herum. Vor den Spielzügen der Miis bestreiten wir eines der zahlreichen Minispiele. Je nachdem wie wir bei dem Minispiel abschneiden, erhalten wir neben dem normalen ein- bis sechsäugigen Würfel auch einen weiteren Bonuswürfel. Dieser unterscheidet sich in den Farben Gold, Silber und Bronze. Je wertvoller der Würfel, desto mehr zusätzliche Augen befindet sich auf diesem. Der Letztplatzierte geht im Übrigen ohne zusätzlichen Würfel aus. Die Reihenfolge der Sieger entscheidet auch darüber, wer den ersten, zweiten, dritten oder letzten Wurf in dieser Runde erzielen darf. Ziel des Spielmodus ist das Erklimmen der Bergspitze, in dem wir würfeln und auf voraus liegenden Feldern vorziehen – wie in einem richtigen Brettspiel. Unterwegs lauern aber immer mal wieder Gefahren, wie rollende Felsbrocken, brüchige Fässer oder auftauchende fliegende Untertassen.
In 80 Tagen um die Welt
Der zweite große Spielmodi ist die Weltreise. In diesem Modus wird uns ein riesiger Globus vorgesetzt, der die Kontinente unseres Planeten in den Grundformen wunderbar wiedergibt. Zwischen den einzelnen Feldern befinden sich auch kleine Bauten, wie beispielsweise das Brandenburger Tor oder die Freiheitsstatue. So wissen wir jederzeit, wo wir uns auf der Welt befinden. Leute mit Geographieschwächen dürfen aber auch jedes Mal wenn sie am Zug sind aus der Karte zoomen und die Weltkugel aus der Sicht des Alls betrachten. Allerdings hat sich Nintendo bei diesem Spielmodus einen Kniff einfallen lassen – gewürfelt wird hier nämlich nicht. Stattdessen erhalten wir zu Beginn des Spiels fünf Spielkarten mit Ziffern darauf. Diese werden vor jedem unserer Züge umgedreht und gemischt. Der Zufall entscheidet, wie viele Felder wie gehen dürfen. Unser Ziel ist es, bestimmte Sehenswürdigkeiten mit einem Foto zu würdigen. Es werden immer drei Ziele vorgegeben. Wenn diese von allen Spielern aufgesucht wurden, werden vom Moderator neue Zielpunkte auf der Karte verteilt. Der Clou bei diesem System ist, dass wir genau auf dem besagten Feld landen müssen und jeden Schritt auf den Spielfeldern aufbrauchen müssen. Schummeln mit Vor- und Zurückgehen funktioniert übrigens nicht. In diesem Fall wird die Anzahl an verbleibenden und zu betretenden Feldern einfach um eine Einheit zurückgesetzt.
Der Game Show-Marathon
Wie bei der Insel der Abenteuer müssen wir zu Beginn jeder Runde gegen die anderen Spieler antreten. Grundlegend wird wieder die Reihenfolge bestimmt, allerdings werden wir auch mit Münzen belohnt, anstatt mit zusätzlichen Würfeln ausgerüstet zu werden. Diese dürfen wir vielerorts auf dem Spielbrett ausgeben. Wir verkürzen Wege mit dem Flugzeug, kaufen uns neue Karten (welche bei der Auswahl zu Beginn des Zuges nicht verdeckt werden) oder fordern unsere Kontrahenten in weiteren Minispielen heraus. Ein weiterer Spielmodus namens Münzrad erinnert uns stark an die mittlerweile vermutlich vergessene Game Show Glücksrad. Zu Beginn wird der Jackpot mit fünfhundert Münzen gefüllt. Anschließend wird der Reihe nach am Münzrad gedreht. Je nachdem wenn das Rad aufgrund des hinderlichen Pfeils stoppt, werden wir mit einem der unterschiedlichen Ergebnisse belohnt oder bestraft. So erhalten wir manchmal ein paar Münzen aus dem Jackpot, ein anderes Mal hingegen müssen wir diesen mit unserem eigenen Geld füllen. Sobald die Auswahl auf ein Minispiel fällt, bekämpfen sich alle Spieler untereinander, denn der Gewinn ist der komplette Inhalt des Jackpots. Wer nach zehn Runden das letzte Mal den Jackpot knackt, beendet das Spiel. Gewonnen hat aber jene Person, die den größten Betrag anhäufen konnte. Beim Modus Bingo werden Kugeln aus einer großen Trommel gefischt, die das Gesicht eines Miis anzeigen. Haben wir auf unserer Bingokarte das Gesicht erkannt, dürfen wir es anstreichen. Hin und wieder fallen auch Minispielkugeln aus der Trommel. Gewinnen wir das Minispiel, dürfen wir ein Gesicht unserer Wahl markieren. Wichtig ist nur, dass dieses Abbild auch bei den Gegnern angestrichen wird. Eine horizontale, vertikale oder diagonale Linie ist über Sieg und Niederlage entscheidend.
Den Durchblick behalten
Das Hauptaugenmerk des Spiels sind selbstverständlich die abwechslungsreichen Minispiele. Nach kurzer Zeit fiel uns die große Auswahl von über achtzig kleinen Spielchen deutlich auf. Wir springen über rollende Fässer, treiben Pferde auf der Rennbahn an, rodeln einen Abhang hinunter oder machen Fotos von putzigen Mii-Hunden. Jedes Minispiel fällt einzigartig aus und das Besondere daran: Eingewöhnungsphasen wie bei der Mario Party-Reihe fallen weg! Es war noch nie einfacher ein Minispiel in zwei bis drei Sekunden zu verstehen und das ohne die spielinterne Kurzbeschreibung durchzulesen. Nintendo hat es vortrefflich geschafft, ein selbsterklärendes Spiel für Casual Gamer auf die Beine zu stellen. Selbstverständlich ist es auch möglich, die Minispiele aus dem Menü heraus auszuwählen, um kurzweilige Action zu gewährleisten. Jene Spieler, welche im eigentlichen Spielverlauf unterfordert sind, werden mit dem Profi-Modus zufrieden sein. Dieser behandelt größtenteils ein Minispiel, das von Runde zu Runde schwieriger gestaltet wird. So müssen wir in einem Wirrwarr von Kleeblättern nur die vierblättrigen Genossen von denen der anderen unterscheiden. Vier Spielrunden später sind es dann schon Würfel, die erkannt werden möchten. Wählen wir das falsche Objekt aus, werden wir mit einem Zeitmalus von zwei Sekunden belastet. Für jede beendete Runde bekommen wir zehn zusätzliche Sekunden geschenkt. Diese Spiele funktionieren natürlich überwiegend nicht nur alleine. Allerdings sollte man schon mehrere Mitspieler parat haben, denn die künstliche Intelligenz der Gegenspieler wurde bei der Entwicklung wohl nicht bedacht. Besonders wenn wir in einem Dreier-Team gegen einen anderen Computergegner kämpften verloren wir andauernd, da man uns beim Balancieren auf einem Holzstamm keinen Freiraum gelassen hat. Wir finden es sehr schade, dass sich die Entwickler im Jahr 2010 so einen Schnitzer erlaubt haben. Auch Casual Gamer finden daran keinen Gefallen!
Innovative Zimmerspiele
Das bisher beschriebene Szenario erinnert ohne Zweifel auch an die Mario Party-Reihe, doch Nintendo hat ebenfalls eine neue Art von Spielen in den Titel integriert. Die Zimmerspiele wie der japanische Konzern sie nennt, bereichern das Spielerlebnis mit Innovation. In einem Minispiel müssen alle Teilnehmer ihre Wii Remotes auf den Tisch legen. Auf dem Bildschirm des Fernsehers wird nun ein Tier vorgestellt, dessen Geräusche es zu erraten gilt. Aus den Fernbedienungen trällern uns kurz darauf Gackern, Wiehern und andere Tierstimmen entgegen. Nehmen wir die richtige Wii Remote auf, erhalten wir einen Punkt und sind dem Sieg ein kleines Stückchen näher gerückt. Beim Modus Zeitbombe geht es darum, die Steuerungseinheit so langsam wie möglich, doch so schnell wie nötig an einen anderen Mitspieler weiterzugeben. Währendessen läuft ein Timer auf Null herunter – wenn dies passiert, verliert der Spieler der die Wii Remote gerade in den Händen hält. Quizbombe setzt noch einen oben drauf. Halten wir die Bombe beziehungsweise die Fernbedienung in der Hand, so müssen wir beispielsweise ein Wort mit dem Anfangsbuchstaben K oder einen Begriff zu einem bestimmten Thema nennen und dann an einen weiteren Spieler weitergeben. Jener Spieler, dem kein Wort mehr einfällt, muss mit der Explosion und der Niederlage rechnen. Höhepunkt der Zimmerspiele ist eindeutig die Wii-Fernbedienung-Jagd. In diesem Modus müssen bis zu drei Spieler den Raum verlassen, während der übrig gebliebene Teilnehmer bis zu vier Fernbedienungen im Zimmer versteckt. Danach mimen die anderen Spieler die Sucher. Anhand von Geräuschen, die aus den Lautsprechern der Steuerungseinheiten dringen, orientieren sich die Spieler bei der Suche. Das klingt verrückt und das ist auch! Spätestens nach der ersten Suchaktion möchte man am liebsten eine gewisse Zeit lang nichts anderes mehr machen. Schade nur, dass sich das Zimmer auf die Schnelle nicht verändert und die Verstecke bereits nach kurzer Zeit allesamt bekannt sind.
Wir zocken Wii Party!
Wii Party ist ein wirklich guter Ersatz, wenn man mal gerade nicht Lust auf eine riesengroße Fete hat. Man bestellt sich schnell drei Freunde am Samstagabend nach Hause und schon kann der Spaß losgehen. Und da ist auch genau der Knackpunkt, den wir an Wii Party zu bemängeln haben. Das Spiel kann wirklich nur zusammen mit mehreren Leuten motivieren. Als wir den Titel unter den Gesichtspunkten eines Einzelspielers ausprobierten, verflog bei uns schon bald die Lust. Online-Modi vermissen wir übrigens auch. Besonders die Insel der Abenteuer und die Weltreise hätten online und mit Wii Speak-Unterstützung ebenfalls motivieren können. Schade ist außerdem, dass der Titel nur mit einer zusätzlichen Wii Remote erhältlich ist. Der typische Gelegenheitsspieler wird mit Sicherheit keine vier Fernbedienungen im Schrank stehen haben, doch ist diese Entscheidung für Personen mit vier Wii Remotes im Bestand sehr ärgerlich. Wii Fit Plus wurde zusätzlich auch einzeln verkauft. Unverständlich, warum Nintendo nicht dieselbe Schiene bei Wii Party gefahren ist. Trotzdem können wir den Titel weiterempfehlen. Geniale Spielideen, abwechslungsreiche Spielmodi und innovative Zimmerspiele machen Wii Party zu einem Genuss. Das Spielprinzip ist schnell verinnerlicht. Da vergisst man auch schnell die sterile Aufmachung und die zwar guten, aber recht schnell öde werdenden Musikstücke. Das Spiel ist allerdings nur für Menschen mit sozialen und realen Zockerkontakten geeignet. Wer diese nicht vorweisen kann, sollte einen großen Bogen um das Spiel machen. Als Einzelspieler motiviert das Spiel nicht sehr lange!
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit: Als ich auf der diesjährigen E3-Pressekonferenz das erste Mal den Trailer zu Wii Party anschauen durfte, musste ich sofort an die allseits bekannte Mario Party-Reihe denken. Mir war sofort klar, dass wir diese Videospielserie für eine lange Zeitspanne nicht mehr wieder sehen werden. Obwohl sich der achte Teil auf der Wii durchweg gut verkaufte, möchte Nintendo das Franchise offensichtlich zurückhalten. Ich möchte mich an dieser Stelle über ein für mich seltsam wirkendes Marketing nicht beschweren, sondern eher meinen Hut vor Nintendo ziehen. Sie haben es geschafft, einen weiteren Teil der Wii-Videospielreihe zu entwerfen, der Gelegenheits- und Vielspieler zusammenschweißt. Wii Party ist genau das geworden, was ein Mario Party 9 hätte werden wollen. Ein Spiel mit facettenreichen, übersichtlichen und schnell verinnerlichten Minispielen. Obwohl ich mich mit den wunderbaren Charakteren des Super Mario-Universums mehr anfreunden kann, habe ich mich überwunden und auch den tristen, sowieso charakterlosen Miis eine neue Chance gegeben. Auch wenn mir die sterile Grafik selten gefällt, erfüllt sie in meinen Augen ihren Zweck. Allerdings kann mich der Titel als Einzelspieler nicht überzeugen. Aus diesem Grund werde ich das Spiel auch nur aus dem Spielregal kramen, wenn ich Besuch von Freunden erwarte. Dann kann Wii Party auch das volle Potential entfalten!
Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars von Wii Party!







