Review: Der Herr der Ringe: Die Abenteuer von Aragorn

Der Herr der Ringe ist zweifelsohne das beliebteste Fantasy-Buch unserer Zeit und galt nach zwei weniger populären Zeichentrickfilmen für lange Zeit als unverfilmbar. Regisseur Peter Jackson schaffte das, was vorher als unmöglich galt. Anstatt den Spott seiner Kollegen auf sich zu ziehen, hagelte es reihenweise positive Kritiken. Er verfilmte nicht nur einen Band des Epos, sondern gleich die gesamte Sage um den Ringkrieg am Ende des Dritten Zeitalters in der Fantasy-Welt Mittelerde. Im jährlichen Abstand kamen die Filme weltweit in die Kinos. Action-Figuren, Sammelkartenspiele, Tabletop- und sogar Videospiele folgten kurz darauf.

Zu erst schnappte sich Electronic Arts die Filmlizenz zum wiederentdeckten Der Herr der Ringe-Franchise. Der Konzern schuf mit Titeln wie Die Zwei Türme, Die Rückkehr des Königs oder Die Schlacht um Mittelerde erstklassige Spiele, an die wir uns auch heute noch sehr gerne erinnern. Vor zwei Jahren versuchte man mit Die Eroberung den Ego-Shooter Star Wars: Battlefront ins Der Herr der Ringe-Universum zu verfrachten. Aufgrund schon bald auslaufender Lizenz wurde die Entwicklungszeit verkürzt und ein wenig imposantes Action-Spiel war das Ergebnis hoffnungsvollen Wartens. Kurz darauf fiel die Lizenz Warner Bros. Interactive zu, die daraufhin zwei neue Lizenzspiele ankündigten – eines davon ist Die Abenteuer von Aragorn.

Sam, erzähl uns die Geschichte von Aragorn!

Aragorns Abenteuer beginnen mit einem kurzen Ausblick auf das Finale der Trilogie. Am Schwarzen Tor kämpfen wir mit ihm gegen anstürmende Orks, um die ersten Angriffsarten zu verinnerlichen. Plötzlich taucht hinter einer der riesigen Tortüren ein Balrog auf. So schnell wir uns an den Kopf fassen können, springt das Geschehen plötzlich weiter in die Zukunft ins Auenland. Dort machen wir Bekanntschaft mit Samweis Gamdschies Kindern, die in einem kleinen Wäldchen den Kampf am Schwarzen Tor nachspielen. Immer wieder dürfen wir in die Haut des kleinen Hobbits schlüpfen, den Sam nach seinem wohl engsten Freund Frodo benannte. Mit Frodo durchstreifen wir Täler, Wälder, Felder und Hügel – immer auf der Suche nach einer kleinen Aufgabe, um ein paar Silberpennys zu sammeln. Auf dem Festplatz in Hobbingen erwartet man am Abend die Ankunft von König Elessar (Aragorn) und zu seinen Ehren veranstalten die Hobbits ein Fest. Verdiente Silberpennys dürfen wir für kleinere Attraktionen ausgeben, wo uns neue Fähigkeiten wie Blocken oder Bogenschießen anvertraut werden. Immer wenn wir genug vom Herumtollen im Auenland haben, besuchen wir unseren Vater Sam, damit er uns die Geschichte von Aragorn endlich weiter erzählen mag.

Ein Messer im Dunkeln

Aragorns erstes wirkliches Abenteuer des Spiels beginnt im Gasthaus Zum Tänzelnden Pony im Städtchen Bree. Dort trifft er auf die vier Hobbits, die das Auenland verlassen haben, um den gefundenen Ring der Macht zu zerstören. In jener Nacht nehmen auch die Ringgeister die Fährte der kleinen Gruppe auf. Nach der nächtlichen Unruhe im Gasthaus verschwinden die Hobbits plötzlich und müssen erst einmal zusammen getrommelt werden. Hier bemerken wir die ersten kleinen Freiheiten, welche sich die Entwickler genommen haben. Grundlegend durchleben wir zwar die Erzählung aus Buch und Film, doch stoßen wir hin und wieder über geänderte Passagen, um die Spielzeit (im positiven Sinne) zu strecken. Die Ringgeister haben merkwürdiges Volk angelockt. Schlägertypen die es auf Frodo abgesehen haben, müssen wir mit kräftigen Schwerthieben bekämpfen, um schnell aus der Stadt zu fliehen. Kurz darauf durchqueren wir die Mückenwassermoore und erklimmen die Wetterspitze. Dort treffen wir erneut auf ein paar der Ringgeister. Schwerthiebe machen Saurons Dienern nur wenig aus, viel mehr müssen wir sie nun mit dem Feuer unserer Fackel bekämpfen. Die lineare Handlung lässt uns nach dem Kampf gegen die Ringgeister keine Zeit zum Verschnaufen. Frodo wurde von einer Morgulklinge des Feindes verwundet und benötigt dringende Arznei. Wie gut, dass Elbe Arwen in den Trollhöhen bereits auf uns wartet.

Sightseeing in Mittelerde

Manchmal stoßen wir auf bekannte Sehenswürdigkeiten aus Buch und Film, zum Beispiel die drei versteinerten Trolle aus dem Buch Der Hobbit. Leider fällt schon bald auf, dass uns Aragorns Reise nicht an alle Filmschauplätze führen wird. Nachdem wir kurze Zeit später den Ort Bruchtal verlassen, betreten wir ohne vorher den Caradhras zu besteigen die Minen von Moria. Selbst der Kampf gegen den Wächter wird ausgelassen. Verschenkte Pluspunkte, wie wir finden. Ein Besuch in Lothlórien bleibt uns genauso verwehrt wie die endgültige Spaltung der Gemeinschaft des Ringes mit anschließendem Kampf gegen die Uruk-hai am Amon Hen. Ausgelassene Erzählstücke werden uns trotzdem in Form von hübschen, aber nicht sehr aussagekräftigen Standbildern näher gebracht, welche mit einer gelungenen Synchronisation unterlegt sind. Im mittleren Teil der Trilogie erkunden wir Rohan, das Land der Pferdeherren. Mit Zwerg Gimli und Elb Legolas im Schlepptau durchstreifen wir den Wald Fangorn und vertreiben Grima Schlangenzunge aus Edoras. In der Schlacht um die Hornburg verteidigen wir Rohans Volk, bevor wir das Ende der Trilogie angehen. Dieses wird nämlich leider nur in zwei Abschnitte unterteilt. Zu erst kämpfen wir auf den Pelennor-Feldern an Seite der Armee der Toten, um die angreifende Streitmacht Mordors abzuwehren. Am Schwarzen Tor endet das Spiel wie es begann – dieses Mal aber ohne Balrog, wie es in Buch und Film vermittelt wird.

Auf ins Schlachtgetümmel!

Neben einem ständig vorhandenen primären Ziel, bekommen wir es aber auch oft mit Nebenaufgaben zu tun. Diese sind allerdings nicht sehr abwechslungsreich ausgefallen. So möchten die Elben von Bruchtal, dass wir ausspähende Crebain ins virtuelle Krähennirwana schicken oder gefräßige Riesenspinnen aus dem benachbarten Wald vertreiben. Es sind Töte- und Sammelaufgaben, die uns aus Online-Rollenspielen bekannt vorkommen und auf Dauer stören. Die Haupthandlung ist dafür umso besser gelungen, da sie uns mit vielen bekannten Elementen aus den Filmen in Verbindung bringt. Wir helfen Bilbo bei der Suche nach dem Schwert Stich und dem Mithril-Kettenhemd oder fliehen in den Minen von Moria vor dem übermächtigen Balrog zur Brücke von Khazad-dûm. Besonders gegen Ende läuft das Spiel zu Höchstform auf, wenn wir Helms Klamm oder die Stadt Minas Tirith in Gondor vor unseren Feinden beschützen. An dieser Stelle wird uns tatsächlich das Gefühl der alten Electronic Arts-Titel vermittelt. Ein kleines, aber feines Kompliment für Die Abenteuer von Aragorn.

Artefaktjäger Aragorn

Abseits der Wege entdecken wir immer wieder hilfreiche Gegenstände. Erfüllen wir Aufträge, erhalten wir nicht selten für unsere Bemühungen wertvolle Artefakte, welche Aragorn und die restlichen Gefährten in Punkto Fähigkeiten stetig verbessern. So dürfen wir mehr Pfeile tragen und sogar mehrere Ziele gleichzeitig anvisieren. Oder wir generieren aus Heilgegenständen plötzlich mehr Lebensenergie und teilen gegen schwieriger zu besiegende Gegner mehr Schaden aus. Mit gefundenen Silberpennys dürfen wir uns übrigens jederzeit neue Fertigkeiten im Artefakt-Menü erkaufen. Das ist praktisch und funktioniert komfortabel. Auf der Reise durch das virtuelle Mittelerde stoßen wir hin und wieder auf einen Palantír, welcher uns die Fundorte der jeweiligen Artefakte auf unserer Karte verrät. Die Funktion ergibt zwar Sinn, doch sind die Fundorte der Palantíri in Bezug auf Buch und Film unlogisch erklärt. Einige der weit verstreuten Schatztruhen und Gefäße lassen sich übrigens nicht von Aragorn öffnen, da sie mit einem Zauber belegt sind. Obwohl zuweilen Zauberer Gandalf ein Gefolgsmann von Aragorn ist, lässt er die Truhen dennoch verschlossen. Um diese zu öffnen, darf sich jederzeit ein zweiter Spieler in das Geschehen einklinken, welche die Rolle des beliebten Zauberers übernehmen darf.

Kunterbunte Verzweiflung

Optisch befindet sich der Titel auch für Wii-Verhältnisse auf einem recht niedrigen Niveau. Die im Vorfeld veröffentlichten Artworks sehen viel versprechend aus, erreichen im fertigen Spiel aber nicht die erhoffte Qualität. Unscharfe Hintergründe, matschige Texturen und spät aufpoppende Details wie weite Grasflächen schmälern das Spielvergnügen. Überrascht sind wir trotzdem, denn die Bildwiederholungsrate bleibt aufgrund der grafischen Nachteile selten konstant. An dieser Stelle denken wir gerne an die Titel aus dem Hause Electronic Arts zurück. Diese reizten die Hardwarepower der letzten Konsolengeneration deutlich besser aus. Akustisch bekommen wir es größtenteils mit gelungenen Musikstücken zu tun. Anstatt einzig und allein den sehr guten Filmsoundtrack auf den Datenträger zu packen, hat man sich auch für die Komposition neuer Stücke entschieden. Diese erreichen zwar nicht die Qualität des Vorbilds, erfüllen aber ihren Zweck und sind zu keiner Zeit fehl am Platz. Allerdings ist die eigentlich recht gute Synchronisation des Spiels ein großes Defizit. Anstatt weitere Sprachaufnahmen mit den bekannten Stimmen aufzunehmen, entschied man sich für andere gute, aber weniger passende Synchronsprecher. Lustigerweise werden während des Spiels immer mal wieder Fetzen aus den Filmdialogen eingespielt. Das wirkt unweigerlich komisch, wenn Aragorn oder Peregrin hin und wieder eine andere Stimmlage vorweisen. Immerhin konnte man Samweis’ deutschen Sprecher aus den Filmen gewinnen, welcher Aragorns Geschichte sehr gut erzählt. Wenn wir die englische Sprachausgabe wählen, dürfen wir auch mit der Stimme von John Rhys-Davies rechnen, der wieder einmal Sprachpate für den virtuellen Gimli stand.

Nichts für die Altvorderen?

Steuerungstechnisch ist es nicht ganz so gut um den Titel bestellt. Zwar gibt es mehrere Schwertangriffe, doch werden diese nicht immer richtig erkannt. Stören tut dies nur wenig, da das Spiel besonders bei größeren Schlachten eher zu einer Fuchteleinlage verkommt. Auch hier wäre deutlich mehr drin gewesen. Trotzdem können wir die Handhabung mit Schwert, Schild, Fackel und Bogen schnell verinnerlichen. Die Abenteuer von Aragorn richtet sich vor allem an jüngere Spieler, die bisher wenig Erfahrung mit Videospielen sammeln konnten. Fans werden mit dem Titel ebenfalls ihren Spaß haben, schrecken aber vermutlich wegen der stilistisch kunterbunten Ausrichtung zurück und warten wohl bis auf weiteres auf Der Krieg im Norden. Wer sich mit kleineren Erzählschwächen, der kunterbunten Optik, einer mäßigen Steuerung und Synchronisationsfehlern anfreunden kann, wird mit Die Abenteuer von Aragorn nicht enttäuscht werden. Alle anderen Fans dürfen derzeit lieber einen Blick auf das mittlerweile kostenfreie Der Herr der Ringe Online werfen.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der Wii-Fassung): Ich habe mich seit vielen Monaten sehr auf diesen Titel gefreut. Eigentlich sollte dieser bereits im Frühjahr erscheinen, wurde aber immer wieder verschoben. Grund dafür war wohl die Wii Remote-Kopie aus dem Hause Sony, um das Spiel auch für PlayStation 3-Spieler zu ermöglichen. Leider haben die Entwickler wohl keinen Finger gerührt, um die Qualität der Wii-Version zu verbessern. Über Fuchtelsteuerung und Erzählschwächen schaue ich gerne hin weg, aber die schwankende Bildwiederholungsrate raubt mir manchmal den letzten Nerv. Ebenfalls gefällt mir besonders in den ersten Levels die Comicgrafik nicht. Der Herr der Ringe war meines Erachtens immer ein Franchise, dass sich zu allererst an Erwachsene richtete. Electronic Arts hat es Jahre zuvor doch schon vorgemacht, wie ein gutes Spiel des Franchises aussehen soll. Auch wenn meine Kritik recht negativ ausfällt, hat mir das Spiel trotzdem Spaß gemacht. Endlich konnte ich auch außerhalb von Der Herr der Ringe Online neue (bekannte) Abenteuer in Mittelerde erleben. Sobald ich den ersten Schritt in Rohan setzte, zeigten die Entwickler was in ihnen steckte. Der Kampf um die Hornburg war grandios inszeniert. Es gefiel mir auch, ganze Mûmakil-Herden auf den Pelennor-Feldern zu Fall zu bringen. Schade, dass die Nebenaufgaben uninspiriert ausgefallen sind. Diese hätten meiner Meinung nach einiges an der unterdurchschnittlichen Stilrichtung wettmachen können. Irgendwann werde ich das Spiel auch ein zweites Mal durchspielen.

Vielen Dank an Warner Bros. Interactive für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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