Ältere Semester werden sie noch kennen, die Abenteuer von Tim und Struppi verzauberten damals Jung und Alt. 2011 feiern der belgische Reporter Tim und sein Foxterrier Struppi ihr großes Comeback und das nicht nur auf der Kinoleinwand, sondern auch auf den Konsolen.
Wir befinden uns auf einem, zugegeben nicht gerade belebten Trödelmarkt und schnuppern an einem Modellschiff, bis plötzlich unser Herrchen nach uns ruft. Ein guter Hund gehorcht und schon ist die Fährte schnell aufgenommen. Am Ende des Weges stoßen wir auf Tim, mit dem wir uns schnell zum Modellschiff bewegen und dort prompt ein Gespräch mit dem Verkäufer führen. Das Schiff beeindruckt uns, wir erwerben es sofort, doch plötzlich erscheint ein recht dubioser Mann, der uns das Schiff umgehend wieder abkaufen möchte. Da das Schiff unser Interesse einmal mehr geweckt hat, können wir diesen Deal nicht eingehen und informieren uns noch auf dem Flohmarkt über das Mysterium des erworbenen Gegenstands. Angeblich birgt das Schiff namens Einhorn ein Geheimnis, das wir schleunigst lüften möchten. Da wir auf dem Heimweg allerdings von ein paar Verbrechern beraubt werden, beginnt eine wilde Verfolgsjagd durch Belgien, dem Schiff eines guten Bekannten, der Wüste Arabiens und einer Insel in der Bretagne. Die Handlung lehnt sich an die Story des Films an, sie übertreibt für eine Comic-Adoption kaum und wird während der gesamten Spielzeit niemals langweilig.
Spannendes und witziges Abenteuer
Auf Tims halber Weltreise treffen wir unter anderem auf bekannte Charaktere des Franchises, wie etwa Schulze und Schultze, der Castafiore und selbstverständlich auch auf den launischen Kapitän Haddock. Besonders letzterer Charakter kann uns mit seinem wechselhaften Humor begeistern, denn wer Tim und Struppi kennt, der weiß, dass der Kapitän nicht besonders gut auf die Castafiore zusprechen ist und dementsprechend mit zynischen Kommentaren reagiert. Bravo, hier haben die Entwickler ganze Arbeit geleistet und die Persönlichkeiten der netten Charaktere nahezu perfekt eingefangen! Ebenfalls gelungen eingefangen sind die bereits erwähnten Spielwelten. Die eigentliche Level-Struktur dieser erinnert uns beim Spielen stark an den Nintendo-DS-Ableger von Assassin’s Creed II und verbindet dies mit der Qualität der früheren (zweidimensionalen) Prince-of-Persia-Spiele. So springen wir über weite Abgründe, knocken humanoide Gegner aus und sammeln nebenbei Schätze, die am Ende der Levels für die Bewertung unserer Spielweise ausschlaggebend sind. Gelegentlich dürfen wir auch frei durch ein dreidimensionales Gebiet laufen und Passanten befragen, doch dies ist eher die Seltenheit. Öfters tauchen da schon die Flugzeugeinlagen auf, die nicht weniger Spaß machen.
Comichaftes Prügelvergnügen
Im Abenteuermodus stoßen wir sehr oft auf Gegner, dann heißt es sie nicht wie in anderen Genre-Vertretern das Leben auszuhauchen, sondern einzig und allein bewusstlos zuschlagen. Wie in den Comics kreisen dann um die am Boden liegende Feinde ein paar Sternchen, sie regen sich nicht und sind für uns dann auch keine Bedrohung mehr. Bei der Ausschaltung unserer Gegner sind unserer Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Entweder suchen wir die offene Konfrontation und gehen das Problem direkt an, könnten dann aber selbst Schaden nehmen und alarmieren nebenher auch noch bewusst alle Feinde auf dem Bildschirm, die dann nichts anderes zu tun haben und sofort auf uns losstürmen. Keine Sorge, unfaire Prügeleien gibt es in Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn nicht, alle Auseinandersetzungen sind mehr als nur fair gestaltet. Wir können uns zudem auch anschleichen und die Gegner hinterrücks und unbemerkt ausknocken, doch dabei ist es egal, wie viel Geräusche wir dabei machen. Hier hätten dem Spiel Schleicheinlagen aus Thief und Splinter Cell sichtlich gut getan. In so mancher Situation stehen uns auch Wasserbälle, Dynamitstangen und andere hilfreiche Items zur Verfügung, welche das zu lösende Problem erleichtern können und direkt mehrere Gegner ausschalten können.
Abwechslungsreiche Spielsituationen
Wie bereits erwähnt, dürfen wir uns auch hinter das Steuer eines Propellerflugzeugs oder gar eines Doppeldeckers setzen. Damit düsen wir nicht nur durch luftige Höhen, sondern schießen auch sämtliche Feinde vom Himmel oder machen Fotos von der Spielwelt. Dies lockert den sonst ähnlichen Spielfluss deutlich auf, doch auch am Boden dürfen wir auf einen fahrbaren Untersatz aufsteigen. Während Tim mit dem Motorrad fährt und sich auf die sandige Straße konzentrieren muss, schießt Haddock hier mit einer Schleuder Hubschrauber vom Himmel und lässt Lastwagen, sowie andere Vehikel explodieren. Hin und wieder wechseln sich die beiden neu gewonnenen Freunde auch ab, um noch mehr Abwechslung ins Spielgeschehen zu bringen. Abwechslung wird in Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn sichtlich groß geschrieben, doch gelegentlich stören uns wiederholende Gameplay-Elemente, wie etwa das auf dem Schiff stattfindende Enterhakenwerfen, um von einer Luke zur nächsten zu gelangen. Bei einmaligem Vorkommen wäre dieses Unterfangen spannend und einzigartig, doch hier macht der Entwickler den Fehler und lässt diese wenig anspruchsvolle Aufgabe mehrmals im ganzen Spiel vorkommen, was besonders bei der kurzen Spielzeit störend auffällt. Immerhin machen Ausflüge unter Wasser, Ein-Mann-Flüge mit einem Papagei auf der Schulter und selbst zuspielende Erinnerungen an Kapitän Haddocks Vorfahren das Manko wieder wett!
Facettenreiche Charaktere
Nachdem wir die auf dem Film basierende Handlung abgeschlossen haben, können wir zwar erneut das Hauptspiel angehen und auch die letzten, unentdeckten Schätze ergattern, doch gibt es in Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn noch mehr zu entdecken. So dürfen wir im Mehrspielermodus (der auch alleine, aber so nicht einhundertprozentig durchgespielt werden kann), der zeitlich nach den Geschehnissen des Abenteuers angesiedelt ist, in den wirren Gedanken von Kapitän Haddock umherspuken und das mit vielen verschiedenen Charakteren, die sich allesamt unterschiedlich spielen und Rätsel auf verschiedene Arten und Weisen lösen können. Tim verfügt somit jederzeit über einen Enterhaken, mit dem er höher gelegene Plattformen erreichen kann, Haddock kann mit purer Manneskraft Durchgänge öffnen oder Schulze und Schultze mit ihren Stöcken gar über Abgründe schweben. Dann gibt es noch die Castafiore, die höher springen und mit ihrem Gesang auch Glas zerspringen lassen kann. Frantz von Addock hat dann die Option, sich in einem Gemälde oder Kronleuchter zu verstecken, oder in herumstehenden Ritterrüstungen Schabernack mit den Gegnern zu treiben und mit dem kleinen Foxterrier Struppi können wir zudem noch Schätze ausbuddeln. Hier wird die bereits gewohnte Abwechslung des Hauptspiels noch einmal übertroffen. Besonders die letzten Levels des Mehrspielermodus haben es in sich und verlangen unser ganzes Können ab.
Ideenreicher Zweispielermodus
Es ist einzig und allein bedauerlich, dass die Level-Struktur hier wüst zusammengewürfelt ist, was aber durchaus auf den erschütterten Gehirnzustand des Kapitäns zurückzuführen ist. Hier hätten wir uns trotzdem mehr Liebe zum Detail gewünscht, wie wir es im eigentlichen Spiel auch erleben. Zudem hätte man auch einen Zweispielermodus für das Hauptspiel integrieren können, um ein noch intensiveres Spielgefühl zu erreichen. Außerdem finden wir es höchst fraglich, warum wir Charaktere erst freispielen müssen, nur um vergangene Levels andauernd neu zu besuchen, um auch die letzten Schätze zu entdecken. Das streckt unnötig die viel zu kurze Spielzeit in die Länge, hier hätten wir von Ubisoft mehr erwartet. Im Mehrspielermodus schalten wir zudem Kostüme für unsere Charaktere frei, beziehungsweise können wir diese bei Butler Nestor kaufen. Für das Vorankommen sind diese allerdings nicht nötig. Haben wir hier immer noch nicht genug vom Spiel gesehen, dürfen wir uns auch an die (wenig inspirierenden) Challenges setzen. Da dürfen wir gegen eine Horde Piraten kämpfen, mit dem Flugzeug herumsausende Feinde vom Himmel schießen oder Bestzeiten beim Motorradfahren aufstellen. Wahlweise dürfen wir die Challenges auf der Xbox 360 auch mit Kinect angehen, doch da uns Microsoft immer noch keine Kinect-Hardware zur Verfügung stellen möchte, bezieht sich unser Review ausschließlich auf die Controller-Steuerung.
Empfehlenswertes Videospiel-Abenteuer
Im Übrigen ist die Steuerung sehr einfach ausgefallen und kindgerecht gehalten. Jeder kann das Spiel nach nur ein paar Minuten perfekt beherrschen, auch wenn wir nicht verstehen können, warum die Entwickler den zweiten Stick nicht für das Spiel nutzen. Das Umherschwenken mit der Taschenlampe in dunklen Räumen und das Bewegen des Fadenkreuzes beim Motorradfahren wären somit viel einfacher. Hauchen wir unser virtuelles Leben aus, macht das in Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn aber überhaupt nichts, denn sobald wir alle drei Energiepunkte verloren haben, werden wir am letzten Checkpoint wieder ins Geschehen hinein geworfen. Bestrafungen gibt es dafür keine – einzig und allein im Zweispielermodus müssen wir das bis dahin verdiente Geld neu einsammeln, doch das ist verschmerzbar, da wir so gut wie nie zwei Mal denselben Fehler machen. Grafisch haben die Entwickler keinen Fehler gemacht, denn die kunterbunte Optik erinnert uns stark an den Comic und auch an den Kinofilm. Musikalisch wird das Geschehen sehr gut unterlegt, auch wenn einige Stücke zu oft vorkommen. Dafür ist die deutsche Synchronisation echt gut gelungen, zumindest in den Zwischensequenzen. Im laufenden Spiel tauchen einige Wortfetzen zu oft auf, was manchmal zwar stört, aber hier einmal mehr Sympathie zu den Charakteren aufbaut. Auf spielerischer Ebene kann Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn überzeugen, auch wenn wir einige Schritte der Entwickler nicht nachvollziehen können und das Erlebnis für erfahrene Spieler deutlich zu leicht ausfällt. Fans des Reporters und des kleinen Hündchens dürfen aber ohne zu zögern sofort zuschlagen!
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der Xbox-360-Fassung): Als ich Anfang des Jahres erfahren habe, dass die Abenteuer von Tim und seinem kleinen Hund Struppi verfilmt werden, war ich erst einmal geschockt. Von animierten Filmen, allen voran den Pixar-Werken, hatte ich schon seit langem genug und anstatt eines neuen Realfilms, für den ich wohl auch heute noch mehr Sympathie hegen würde, verfrachten Steven Spielberg und Peter Jackson das Franchise in eben so einen computeranimierten Film. Nachdem ich allerdings bewegtes Material sehen konnte und der Schock somit nachließ, war ich natürlich vollauf begeistert. Leider habe ich es nicht geschafft, mir den Film im Kino anzuschauen (zumal er bei mir in der Nähe wohl nur in 3D gezeigt wird, wovon ich schon mal gar nichts halte), doch da kam mir das Videospiel aus dem Hause Ubisoft wie gerufen. Drew Quakenbush und sein Entwicklerteam haben es tatsächlich geschafft, die Atmosphäre aus den Comics einzufangen. Das heißt Optik, Musik, Dialoge und vor allem der Humor passen in diesem Videospiel wunderbar zusammen. Nach nur circa elf Stunden Spielzeit habe ich zwar jedes Level gesehen, aber noch lange nicht alle Schätze entdeckt. Ich denke, wer hier wirklich alles erreichen möchte, wird gut und gerne für fünfzehn Spielstunden beschäftigt sein, fünfzehn Spielstunden, die sich lohnen, auch wenn ich einsehe, dass der Titel an wenigen Gameplay-Schnitzern krankt, die eigentlich recht einfach zu umgehen möglich gewesen wären. Trotzdem: Für eine Filmversoftung bietet Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn genug Tiefgang, der deutlich zu überzeugen weiß!
Vielen Dank an Ubisoft für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars von Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn!