Als im Jahre 2007 Uncharted: Drake’s Schicksal erschien, wurde er von vornherein schnell als billiger Indiana-Jones- und Tomb-Raider-Klon abgestempelt. Heute wissen wir, dass Entwickler Naughty Dog nicht etwa eine Kopie geschaffen hat, sondern die beiden Serien abgelöst hat.
Während Indiana Jones in außerirdische Regionen abdriftet und sich bei Lara Croft seit Jahren lediglich die Oberweite erweitert, möchte Uncharted die Schatzsuche zu neuem Ruhm führen. Selten schaffen es Entwickler, reale Geschichte gut und stringent in ein Videospiel einzubauen. In den letzten Jahren waren insbesondere zwei Serien dafür verantwortlich dies zu vollbringen – Assassin’s Creed und Uncharted. Während sich die Assassinen jedoch direkt in der historisch korrekten Zeit und an den damit verbundenen Orten tummeln, sind wir in Uncharted der Geschichte lediglich auf der Spur. Naughty Dog lässt dabei wieder geschickt die Grenzen zwischen realen geschichtlichen Faktionen, Mythen und Fiktionen verschwimmen. Wie schon im ersten Teil der Serie bewegen wir unseren Helden in Uncharted 3: Drake’s Deception wieder auf den Spuren seines berühmten Vorfahren Sir Francis Drake. Dabei werden wir nicht nur halb um den Globus, sondern dieses Mal auch durch die Zeit gejagt. Nach einer actionreichen Einleitung werden wir zurück in die Kindheit Nathans geschickt. Dort dürfen wir nicht nur erleben, wie er seinen Mentor und Freund Victor Sullivan kennenlernt, sondern entdecken auch die Wurzeln der den dritten Teil prägenden Suche nach dem Atlantis der Wüste. Etliche Jahre später und bereits zwei große Abenteuer hinter sich, will Nathan Drake dem Geheimnis endgültig auf die Spur kommen.
Ballerspektakel
Leider sind wir nicht allein auf unserer Suche, denn dieses Mal dürfen wir uns vorrangig mit einer britischen Geheimorganisation auseinander setzten – jener, der wir bei unserem ersten Treffen mit Sullivan in die Quere gekommen sind. Auch wenn in typischer Indiana-Jones-Manier gehaltene Rätsel und Suchpassagen die Serie schon seit dem ersten Teil mitprägten, bestand bei unserem Abenteurer schon immer eine Waffenfixierung. Tausende Gegner werden von unserem plündernden Helden Abenteuer für Abenteuer in hitzigen Schusswechseln erlegt. In Uncharted 3: Drake’s Deception versucht Naughty Dog einen Schritt aus dem Ballerspektakel. Keine Angst, an Gegnern wird es uns schon nicht mangeln! Das Entwicklerteam setzt im neuesten Teil viel mehr einen größeren Wert auf den Nahkampf und gelegentliche Schleichpassagen. So haben wir die erste Spielstunde sogar komplett waffenlos erleben können. Die Nahkämpfe wurden dabei zu ausführlicheren Quick Time Events hochstilisiert – zwar trifft dies nicht jeden Geschmack, dennoch bringen sie etwas Abwechslung in die geringfügig angestaubte Uncharted-Reihe. Ferner wird es erstmalig an einigen Stellen sogar möglich sein, Gegner schleichend zu umgehen oder diese klammheimlich auszuschalten. Leider funktioniert dies nicht konsequent im ganzen Spiel, sodass wir letztlich doch meistens lieber unsere Waffe zur Hand nehmen.
Spannende und atmosphärische Situationen
Wie bereits im letzten Teil der Serie, können wir uns durch abwechslungsreiche Orte und Länder kämpfen. Vom komplett physikalisch korrekt animierten Kreuzfahrtschiff, über eine Flucht aus einem brennenden Gebäude, bis hin zum verlorenen Schlendern durch die Wüste. Verknüpft wird dies mit einigen neuen Ideen und Gameplay-Elementen, die das Spiel zwar nicht grundlegend verändern, die Motivation des Spielers aber oben halten. Hier hüllen wir uns aber ins Schweigen, schließlich wollen wir euch nicht jegliche Aha-Momente vorweg nehmen. Wie schon in den ersten beiden Teilen, weiß Nathan Drakes Abenteuerreise auch dieses Mal zu fesseln. Nur wenige Spiele schaffen es den Spieler wirklich derart von der ersten Minute an in ihren Bann zu ziehen. Dazu tragen aber nicht nur die wirklich gelungene und mit spannenden Wendungen gespickte Story, sondern auch alle anderen Komponenten von der Grafik bis zur Sprachausgabe bei. In allen technischen Belangen zählt Uncharted 3 nämlich eindeutig zur Crème de la Crème der Videospiele. Neben einem atmosphärisch mehr als nur gelungenen Soundtrack, besticht der Titel ebenfalls mit einer Grafik, welche auch den letzten Hardware-Funken aus der PlayStation 3 herauskitzelt. Zudem amüsieren uns unglaublich humorvoll geschriebene und selbstverständlich auch gesprochene Dialoge.
Anspruch auf Authentizität
Diesem Spiel merkt man an jeder Ecke an, dass Naughty Dog von Anfang an den Anspruch hatte, ein Videospiel auf Hollywood-Niveau zu schaffen. So kehrt man sich auch bei der Aufnahme der Sprachausgabe von alten Mustern ab. Man nahm die Gespräche der Schauspieler auf, während diese beim Motion-Capture-Verfahren die gerade passenden Aktionen vollzogen. Es mag wie eine Kleinigkeit wirken, macht die Dialoge und so das gesamte Spiel aber um ein Vielfaches authentischer. Dies gilt übrigens auch für die in vielen Spielen vernachlässigte deutsche Sprachausgabe, die in Drake’s Deception nochmals deutlich besser zum jeweiligen Gesehen passt. Wie schon in Uncharted 2: Among Thieves dürfen wir uns auch dieses Mal wieder online in wilde Schießereien begeben. Obwohl Naughty Dog an diesem Modus wohl am meisten gefeilt hat, wird er auch dieses Mal leider nur ein Schattendasein fristen. Dem Multiplayer-Modus fehlt leider ein Großteil des Charmes der kurzen zehnstündigen Story. Was bleibt ist ein abgespeckter Call-of-Duty-Mehrspielermodus im Uncharted-Universum – da geben wir uns viel lieber mit dem runden Kern des Spiels zufrieden. Dieser ist trotz oder gerade aufgrund der kurzen Spielzeit wieder extrem imposant geraten. Insbesondere die vielen kleinen Ideen und neuen Elemente, die von Naughty Dog implementiert wurden, machen das Spiel wohl zu einem der stimmigsten Gesamtkunstwerke im Jahre 2011.
Geschrieben von Björn Rohwer
Björns Fazit: Schon den ersten Teil der Serie habe ich regelrecht verschlungen. Es war das einzige Spiel der letzten Jahre, das ich tatsächlich gleich zwei Mal durchspielen und vor allem erleben wollte. Seit diesem ersten Versuch hat sich die Serie von Teil zu Teil stets gesteigert und so stellt Uncharted 3: Drake’s Deception auch wieder eines der besten Spiele dar, die in meiner PlayStation 3 rotieren durften, wenn es denn mal starten wollte. Ob es nun an meiner PlayStation 3 Slim lag, weiß ich im Grunde nicht, aber dass sich meine PlayStation 3 für die bis zum Rand vollgepackte Dual-Layer-Blu-ray erst einmal etliche Minuten warmlaufen musste, ging mir schon etwas auf die Nerven. Nichtsdestotrotz ist Drake’s Deception wieder ganz großes Kino – viel Action, mehr waffenlose Passagen als in den Vorgängern und geniale Dialoge formen das Popcornkino in Videospielform. Ich bin schon jetzt gespannt auf den nächsten Teil der Serie, der ja bereits bekanntlich für die nächste portable Sony-Konsole (PlayStation Vita) angekündigt ist.
Vielen Dank an Sony Computer Entertainment für die freundliche Bereitstellung von Uncharted 3: Drake’s Deception!