Review: A bittersweet Life

Der Film Noir ist ein Genre, welches in den Anfängern der amerikanischen Filmgeschichte entwickelt wurde, aber mittlerweile kaum mehr behandelt wird. Da freut es uns, dass auch einmal ein koreanischer Film dieser Gattung den Weg auf die Leinwand fand.

Hierzulande blieb es Kim Jee-woons Werk leider verwehrt, in Kinos gezeigt zu werden. 2006 erschien der Film zwar auf DVD, doch wurde er eher durch Mundpropaganda und diversen Ausstrahlungen im Fernsehen bekannt. Fast ganze sieben Jahre später ist es A bittersweet Life auch vergönnt, in einer ordentlichen Qualität auf Blu-ray in Deutschland zu erscheinen. Hier erhalten wieder einmal den circa dreißig Sekunden längeren Director’s Cut. Dieser ist an der einen oder anderen Stelle logischer aufgebaut als die südkoreanische Kinofassung, doch der Datenträger hätte mit einer geschickten Einspielung auch beide Fassungen beinhalten können. Die Schnitte sind jedoch nur marginal und die Kernaussage des Films kommt trotzdem noch sehr gut zur Geltung. Die Handlung des Films beginnt mit dem Leben von Sun-woo. Er ist die rechte Hand des Gangsterbosses Kang. In jeder Situation bewahrt er einen kühlen Kopf und erledigt seine ihm gestellten Aufgaben mit Ehre und Gewissen. Wenige Szenen später erfährt Sun-woo von Kangs Geliebten. Auf diese soll er ein Auge werfen, solange er nach Shanghai verreist ist, denn Kang hat den Verdacht, dass sie eine Affäre mit einem anderen Mann hat. Nach einigen Tagen bewahrheitet sich die Vermutung und Sun-woo erwischt Kangs Geliebte Hee-soo mit jemand anders. Aufgrund seines Sinneswandels lässt er die beiden am Leben.

Gefühlswelt eines Todgeweihten

Sun-woo beginnt einen Fehler und da er sich auch sonst bei gefährlichen Gangstern unbeliebt macht, hat er auf einmal mehrere Feinde, die sich ihm gemeinsam in den Weg stellen und ihn am liebsten tot sehen möchten. Nachdem Sun-woo gefoltert und fast getötet wird, gelingt ihm die Flucht aus einer alten Lagerhalle. Spätestens ab diesem Zeitpunkt nimmt die Wut in ihm überhand. Sun-woo sinnt nach Rache und mischt die Seouler Unterwelt mit Gewalt auf, um die Leere in sich zu füllen und die Ursacher seiner schlechten Erinnerungen endgültig zu beseitigen. Dabei wird das Schauspiel mit einer ungewohnten musikalischen Untermalung begleitet. Während man von diversen koreanischen Action-Filmen eher schrille Pop-Musik gewohnt ist, wirkt der Soundtrack von A bittersweet Life eher mexikanisch und an einigen Stellen auch klassisch. Es ist ungewohnt, einen Film dieser Machart mit diesen Klängen zu hören, doch schon bald stellt sich heraus, dass eben genau diese Musik für A bittersweet Life unumgänglich ist. Sun-woo mitsamt seiner Gefühlswelt wird so vortrefflich gut eingefangen. Kim Jee-woon hat eindeutig die richtigen Stücke der Komponisten ausgewählt und jene Szenen des Films entfernt, welche die Grundzüge des Films zu stark verändert haben. Das bemerken wir spätestens, sobald wir die entfallenen und gelöschten Szenen im Bonusmaterial untersuchen.

Stilistisches Zusammenspiel

Das Bonusmaterial ist in A bittersweet Life zahlreich vertreten. Neben den bereits erwähnten entfallenen und geänderten Szenen kommen wir in den Genuss von dokumentarischen Videos über den Stil des Films, einem Making-of mit zwei verschiedenen Kommentaren und weiteren interessanten Videos über die Entstehung des Films. Darunter fallen zum Beispiel Fragen von Mitarbeitern an Mitarbeiter von A bittersweet Life. Insgesamt beläuft sich das Bonusmaterial auf mehr als ganze drei Stunden. Wenn wir zudem noch die beiden Audiokommentare über die gesamte Länge des Films hinzurechnen, kommen wir auf über sieben Stunden Laufzeit. In A bittersweet Life gibt es keine Szene, die nicht essentiell für die auf 115 Minuten ausgelegte Handlung ist. Alle Einstellungen und Schauspieler wirken im Zusammenspiel mit dem Bild in 1080p und im 16:9-Format (2,35:1), samt der eingängigen Farbtongebung und dem Aufbau der Kulissen stimmig, um das Gefühl der Leere treffend zu beschreiben. In A bittersweet Life wurde sehr viel Wert auf die Dialoge gelegt, so kommen einige Szenen auch mal mit einigen Sekunden Stillschweigen aus, bis die Antwort des Gesprächspartners ertönt. Lee Byung-hun, Kim Yeoung-cheol und Shin Min-ah machen diesen Film Noir zu einem einprägsamen Werk des Genres. Filmliebhaber kommen um Kim Jee-woons Film aus dem Jahr 2005 absolut nicht herum.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf dem Director’s Cut der Blu-ray-Fassung): Lange Zeit war der Film auf meinem Radar, nachdem ich ihn vor fast einem Jahr nachts einmal bruchstückhaft im Fernsehen verfolgt habe. Endlich konnte ich A bittersweet Life komplett und ohne nervige Unterbrechungen genießen und bin begeistert. Die dumpfen Musikstücke gehen sehr gut auf das Innere von Sun-woo ein, beschreiben seine Leere und die Wut, die in ihm aufkommt. Sehr prägnant sind auch die Szenen, in denen man sich entschieden hat, keine Musik einzuspielen und stattdessen die Geräusche des Nachtlebens von Seouls in den Vordergrund zu rücken. Es ist dem Regisseur absolut gelungen, hier einen Film zu erschaffen, an dem es für mich so gar nichts auszusetzen gibt. Fans des koreanischen Action-Kinos erwarten aufgrund der falschen Angabe auf der Blu-ray-Packung vielleicht einen Action-Film und werden aber mit wenigen Action-Szenen abgestempelt, doch dies sollte kein Grund sein den Film zu verschmähen. Von Anfang bis Ende kann der Film mit seinen teils intelligenten und teils passend stupiden Dialogen mitsamt seinen Schauspielern und der stilistischen Gestaltung punkten. A bittersweet Life ist ein Film Noir, der neben L. A. Confidential und Chinatown auf dem Genre-Thron koexistieren darf.

Vielen Dank an Splendid Film für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von A bittersweet Life!

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