Review: Angels & Airwaves: Love

Experimente werden in unserer Zeit leider viel zu oft mit Tieren durchgeführt, die keine Wahl haben, um sich gegen das Experiment zu wehren. Angels & Airwaves: Love dreht den Spieß um und lässt einem Menschen nicht die Möglichkeit, ein Experiment abzubrechen.

Wir schreiben das Jahr 2039. Seit zwanzig Jahren war kein Mensch mehr im Weltraum. Jetzt ist Astronaut Lee Miller dazu auserkoren, nach so langer Zeit wieder auf eine Raumstation im Weltraum zu ziehen – und das ganz alleine und fast ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt. In den ersten Tagen verläuft auch alles ganz normal. Er übermittelt Houston und Cambridge die Koordinaten der Raumstation zur Berechnung der weiteren Umlaufbahn um die Erde, trainiert auf einem Laufband und genießt gewissermaßen den Ausblick auf den blauen Planeten.  Eines Tages erhält Miller noch eine allerletzte Nachricht von seinem Bruder, der Vater geworden ist – dann bricht der Kontakt nach ein paar komischen Störgeräuschen plötzlich ab. Der Kontakt zur Erde ist unterbrochen und Miller vollkommen isoliert. Nach einigen Tagen erhält er noch eine Aufzeichnung mit Informationen, die man ihm nicht persönlich mitteilen wollte. Derzeit sei eine Rückkehr zur Erde aus nicht genauer definierten Umständen nicht möglich. Kurze Zeit später ist unser Planet aus dem All fast nicht mehr wieder zu erkennen. Wo früher blaue Ozeane und grüne Landmassen zu sehen waren, überdeckt jetzt eine schwarze Wolkendecke die Sicht. Die schier unendlich weilende Isolation setzt Miller physisch und mental schwer zu, doch dann findet er auf der Raumstation ein Tagebuch aus dem Bürgerkrieg von 1864.

Klarer Verstand und Wahnsinn

In diesem macht Miller eine verblüffende Entdeckung. Zumindest glaubt er das oder eher viel mehr sollen wir es glauben, denn die Handlung von Love umfasst mehrere Jahre. Der immer mehr isolierte und sehr in sich hineingezogene Astronaut beginnt vermehrt Selbstgespräche zu führen und unterhält sich zudem mit Personen, die gar nicht physisch auf der Raumstation anwesend sind. Die Geschichte wird fast durchgehend aus seiner Sichtweise geschildert, die von Szene zu Szene immer subjektiver wird. Der Anspruch an uns, objektiv über Lee Millers Verhalten zu urteilen, wird dagegen von Szene zu Szene immer größer. Da das Team rund um Love besonders zum Ende hin deutlich mehr unklare Aussagen trifft, ist es für uns ebenfalls umso schwieriger, über das Gezeigte zu urteilen. Der abgebrochene Informationszufluss von der Erde lässt ebenfalls einen gehörigen Freiraum zur Interpretation. Wir wissen bei Weitem nicht, was nun wirklich auf unserer Heimat vor sich geht – wir können nur spekulieren. Dass diese Spekulation nicht so schön ausfällt, dürfte einem jeden Zuschauer klar sein. Unterstützt wird dieses Gefühl durch die schrecklichen Bilder eines Krieges, hier der Bürgerkrieg. Unklar bleibt jetzt natürlich auch, ob sich dieses ominöse Tagebuch tatsächlich auf der ISS befindet und wer es dorthin gebracht hat. Möglich wäre auch, dass es sich Miller ebenfalls ausdenkt.

Interpretationssache

Love befasst sich eindeutig mit unserem Grundbedürfnis nach sozialen Kontakten. Menschen können zwar alleine wunderbar zurechtkommen, doch sind wir von Geburt an in bestimmte Kreise hinein geboren und in diesen aufgewachsen. Von unseren Vorfahren erfahren wir das Wissen, welches uns in unserer persönlichen Entwicklung zu besonnenen Menschen macht. Unser Wissen, sowie unsere Entscheidungsfreiheit sondert uns von den Tieren ab. In unserem Leben etablieren wir uns in einem Umfeld, interagieren mit diesem und haben im Gegensatz zu niederen Lebensformen die Möglichkeit moralische Entscheidungen zu treffen. In Love erleben wir so einen Menschen, der von der Außenwelt vollkommen abgeschottet wird und vermutlich, aber auch das ist Interpretationssache, der letzte Mensch in dem uns bekannten Universum ist. Der Film zeigt wunderbar, wie sich ein Mensch ohne die soziale Komponente entwickeln könnte und welche Auswirkungen dies auf sein mögliches Lebensumfeld haben wird. Dazu werden übrigens Statements von anderen Menschen eingespielt, die einschneidige Erfahrungen in ihrem Leben durchmachen mussten und uns aus ihrer Sicht erklären, warum Beziehungen und zwischenmenschliche Kontakte bei Menschen so essentiell wichtig sind. Es ist deutlich zu sehen, dass dieses tolle Stilmittel in anderen Filmen kaum so gut gepasst hätte.

Liebevoller Film

Verantwortlich für den Soundtrack war die Band Angels & Airwaves, die jedoch den einzigen echten Song erst beim Abspann zum Besten geben. Auch in den vier entfallenen Szenen, die zu den angesprochenen Erlebnissen der Personen gehören, werden Songs der Gruppe eingespielt. Wären diese jeweils vier- bis fünfminütigen Szenen so im Film enthalten, wäre womöglich der Eindruck eines Musikfilms entstanden. Allerdings hätte die Szene mit dem US-amerikanischen Soldaten auch im fertigen Film Sinn ergeben, da besonders diese das am Ende angesprochene Gefühl, welches jeder Zuschauer in diesem Film erfahren sollte, sehr gut vermittelt: Liebe. Liebevoll gestaltet sind ebenfalls die atemberaubenden Bilder unseres Planeten und dem Universum, in dem wir uns befinden. Gelegentlich sind einige Szenen zwar ein wenig unscharf, aber ansonsten macht der im 16:9-Format gehaltene Film in 1080p eine gute Figur. Gunner Wright, der im Übrigen auch als Synchronsprecher im Videospiel Dead Space 2 zu hören ist, verkörpert die Rolle des Lee Miller glaubhaft. Bis zum Ende sind unsere Gedanken und Gefühle nur bei ihm und wenn dies ein Film über seine ganze Laufzeit (hier 84 Minuten) schafft und dann mit einem furiosen Finale plötzlich endet, kann Regisseur William Eubank seinen Job nur richtig gemacht haben. Love muss man in seinem Leben mindestens einmal gesehen und vor allem auch interpretiert haben.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der Blu-ray-Fassung): Dem US-amerikanischen Kino bin ich, wie einige von euch sicherlich wissen, mittlerweile eher abgeneigt. Zu viele Explosionen und zu künstliche Action sind heute das, was Hollywood in der Regel ausmacht. Produktionen, wie etwa Angels & Airwaves: Love schaue ich mir hingegen gerne an und in diesem Falle wurde ich bei Weitem nicht enttäuscht. Als ich den Trailer von diesem Film sah, habe ich mich auch schon direkt auf das zentrale Thema des Films einstellen können. William Eubank hat es mit Love genau richtig gemacht. Der isolierte Astronaut Lee Miller verliert – in meiner Auslegung – immer mehr den Verstand, stellt sich Dinge vor, die gar nicht physisch vorhanden sind und kommt dann auf die Idee, sich das Ende des gefundenen Tagebuchs mit einer phänomenalen Antwort auszudenken. Für viele Zuschauer mag aber genau dieses Ende vielleicht nicht sehr befriedigend sein, da es einfach das uns bekannte Menschenmögliche übersteigt. Da sich der Film zum Ende hin immer mehr in Unklarheit verliert, steigt hier positiver Weise die Option zur Interpretation und dementsprechend der Auslegungssache. Ich habe mir den Film gerne angesehen und selbst mein Urteil über Love gebildet – genau deswegen hebt sich dieser Film vom Hollywood-Einheitsbrei ab, welcher eine Bewertung aufgrund zu allgemeiner Kriterien schon fast nicht mehr zulässt. Schaut euch Love unbedingt einmal an – eure Gefühlswelt wird es euch sicherlich danken.

Vielen Dank an Splendid Film für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Angels & Airwaves: Love!

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