Review: Sniper: Ghost Warrior 2

Sniper: Ghost Warrior 2 (1)Auf Realismus und Action getrimmte Militär-Shooter haben in den letzten Jahren enorm an Beliebtheit gewonnen. Mit Sniper: Ghost Warrior 2 geht Entwickler City Interactive im Vergleich zum Vorgänger jedoch wieder einen Schritt zurück.

Sniper: Ghost Warrior 2 (2)Im Vorfeld wurde das Spiel bereits öfters verschoben. Solche Maßnahmen gelten meist der Qualitätssicherung eines Produkts, auch wenn wir uns bei Sniper: Ghost Warrior 2 nicht ganz im Klaren sind, an welchen Spielinhalten noch nachträglich gefeilt wurde, denn schon das Grundgerüst, welches um die Rahmenhandlung und um unseren Charakter Captain Cole Anderson gesponnen ist, könnte austauschbarer kaum sein. Jeder der drei Akte verfrachtet ihn, seinen Spotter und teils noch einige andere Squad-Mitglieder in ein anderes Setting. Zu Beginn schleichen wir uns durch den Urwald der Philippinen, in dem die Level-Architektur sowie Missionsziele noch stark an den Vorgänger erinnern. Im Gegensatz zu diesem, bleiben wir das gesamte Spiel aber nicht im dichten Unterholz, sondern mischen später noch den zerrütteten Kosovo und das hochgelegene Tibet ordentlich auf. Schwerverbrecher mit Terror-Absichten und übergelaufene Kollegen gilt es dabei zu liquidieren. Dazwischen werden zwar noch abwechslungsreichere Ziele gestellt, wie das Retten von Geiseln und das Ausschalten von Mörsertrupps, doch das Problem des Spiels ist dabei nur, dass im Grunde alle Probleme mit ein und derselben Problembehandlung kompatibel sind. Und die läuft stets nach der selben Formel ab: Von Checkpoint zu Checkpoint hetzen und ein Scharfschütze zu sein.

Scharfschützen-Alltag

Sniper: Ghost Warrior 2 (3)Überließ der Vorgänger einige taktische Freiheiten noch dem Spieler, nimmt uns nun unser Aufklärer, bis auf einige Ausnahmen und gleichzeitig Höhepunkte im Spiel, an die Hand und führt uns durch die sehr linearen Levels. Der Spotter markiert die Feinde auf der Minimap, beschließt, ob wir Feinde passieren lassen oder attackieren und gibt schließlich bei Feindkontakt noch die Reihenfolge an, in der wir die Ziele erledigen sollen. Solch ein Vorgehen ist taktisch klug und entspricht sicherlich eher der Realität als ein ungeplanter und auffälliger Gewaltakt, passt aber nun mal überhaupt gar nicht in ein Videospiel. Das führt leider auch zu einer absurden Linearität, die uns nicht einmal erlaubt, einige Meter abseits des Wegs unsere Beine zu vertreten, ohne uns mit einer bedrohlichen Warntafel zurückzupfeifen. Die Frage, Schleichen oder Schießen, stellt sich leider viel zu selten, wodurch das ganze Spiel einen sehr sterilen Geschmack bekommt. Erst wenn wir als Scharfschütze versagen, also einige Ziele verfehlen und unsere Deckung auffliegt, handeln wir nach eigenem Ermessen und versuchen die heranstürmenden Feinde aufzuhalten. Essenziell in einem Spiel ist aber noch immer der Spaß und der ist hier auf jeden Fall vorhanden. Vielleicht liegt das aber nur an der rekordverdächtig niedrigen Spielzeit von vier bis sechs Stunden.

Auf leisen Sohlen

Sniper: Ghost Warrior 2 (4)Damit so etwas am Besten erst gar nicht geschieht, sollten wir immer ein wachsames Auge auf den Deckungsindikator werfen. Wie schon im ersten Teil ist er eines der wichtigsten Bestandteile der Bildschirmanzeigen und gibt uns an, wie sichtbar wir den feindlichen Soldaten derzeit erscheinen. Er schließt sich bei einem zu geringen Abstand zum Feind oder bei unbedachten Bewegungen kreisförmig um unsere Minimap in der Bildschirmecke und weißt uns mit roter Warnfarbe auf den Ernst der Lage hin. Ist der Kreis geschlossen, wird Alarm ausgelöst und alle Soldaten in einem gewissen Umkreis werden von uns magnetisch angezogen. Zusätzlich berechnet die Zielhilfe die nicht irrelevanten Faktoren Wind und Entfernung zum Ziel auf niederen Schwierigkeitsgraden automatisch und gibt uns neben dem Fadenkreuz mit einem roten Lasermarker zuerkennen, wohin unser Projektil fliegen wird. Ein nettes Gameplay-Feature ist der Pulsschlag, der ständig in der rechten unteren Ecke angezeigt wird. Nach einem Sprint oder dem Anhalten des Atems muss sich unser Kreislauf zunächst wieder erholen, bis unser zittriger Körper wieder gezielte Schüsse zulässt. Eine Kamerafahrt, der Gewehrpatrone direkt in den Körper des Ziels folgend, ist wieder mit dabei, aber für das eigentliche Spiel noch immer unbedeutend und zum Glück auch deaktivierbar.

Aus Fehlern lernen

Sniper: Ghost Warrior 2 (5)Das Studio ist sich den Fehlern des Vorgängers durchaus bewusst. Sie versprachen an der künstlichen Intelligenz, der Steuerung und an den Schießbude-Passagen zu schrauben. Natürlich ist es zunächst einmal lobenswert von sich aus Fehler einzugestehen, noch besser ist es aber, dann auch an den Problemen zu arbeiten. Das klappt nur bedingt, denn in der Tat gibt es nun keine Kämpfe ohne schallgedämpfte Waffen mehr und die Gegnerzahl begrenzt sich pro Abschnitt höchstens auf drei bis fünf Stück. Wilde Schießereien fallen somit zum Glück flach, aber die übrigen Gegner haben immer noch Probleme, ordentlich Deckung zu finden und stehen nur selten vor einer Mauer anstatt hinter ihr. Dafür haben sie inzwischen gelernt, uns richtig zu orten und sich nach eigenem Ermessen zu nähern. Weniger Gegner bedeuten auch weniger Waffen! In jedem Akt starten wir mit einem anderen Scharfschützengewehr und der immer gleichen sekundären Pistole. Der Vorgänger wartete noch mit einer Menge aufsammelbarer Sturmgewehre auf, die es jetzt natürlich nicht mehr gibt. Ein weiterer Unterschied zu anderen Shootern existiert darin, dass es überhaupt kein Fadenkreuz in der Mitte des Bildschirms gibt, sodass das Zielen durch das Zielfernrohr oder bei der Pistole mit Kimme und Korn vorausgesetzt wird. Seine grafische Pracht hat das Spiel der CryEngine 3 zu verdanken, die dem Spiel tatsächlich schöne Sonnen- und Lichteffekte spendiert.

Camper-Fest

Sniper: Ghost Warrior 2 (6)Eine teure Grafik-Engine programmiert grafische Highlights noch lange nicht von selbst und obwohl das Spiel ganz hübsch aussieht, ist es technisch nicht komplett sauber. Gelegentlich verkeilt sich unser Supersoldat zwischen Bäumen oder Steinen und so sind wir für immer verloren – da hilft nur noch ein Neustart! Solche Stellen sind ärgerlich, aber verkraftbar, solange wir dafür nicht im Mehrspielermodus spielen. Dieser versucht mit ganzen zwei Karten, die bis jetzt nur im einzigen Modus (Team-Deathmatch) gespielt werden können, zu überzeugen. Die Entwickler versprechen Abwechslung via kostenlosen Downloads nachzureichen, doch davon war zum Testzeitpunkt am 29.03.2013 aber noch nichts zu sehen. Interessant ist aber, dass im Mehrspielerpart deutlich mehr Waffen zur Verfügung stehen, als im Einzelspielermodus. Es ist fraglich, warum wir pro Akt nur eine neue Waffe zu Gesicht bekommen, wenn noch weitere auf der Disc schlummern. Der Mehrspieleranteil wirkt extrem erzwungen, was wir schon daran erkennen, dass das Scharfschützendasein in der Realität eine recht ermüdende Angelegenheit werden kann. Insgesamt liegen zwölf Spieler in den Partien, gut versteckt, auf der Lauer und versuchen irgendwie gegenseitig Treffer zu landen. Einer reicht schon aus, um unsere virtuelle Lebensleiste realistisch zu leeren. Wer sich kaum sehen lässt, sieg zwangsläufig über die aktiven Mitspieler. Der Modus verkommt zum Camper-Fest!

Geschrieben von Jonas Maier

Jonas‘ Fazit (basierend auf der Xbox-360-Fassung): Ein Spiel mit ausreichend Verbesserungspotential, dass seine Fehler genauso unbeschwert präsentiert, wie seine nicht vollendeten guten Ansätze, erwartete mich mit Sniper: Ghost Warrior 2. Dass es offene Feuergefechte ohne schalldämpfende Waffen nun nicht mehr gibt, finde ich richtig gut, denn dadurch wird das Spieltempo wieder dem Spieltitel gerecht und stellt dann sogar irgendwo eine Besonderheit zum restlichen Einheitsbrei der Shooter dar. Leider ging mir der Spotter, der uns bei allen Aktionen zunächst anleiten muss, schon nach wenigen Minuten auf die Nerven. Die taktischen Möglichkeiten, beispielsweise eine Glocke anzuschießen, um durch das entstehende Geräusch Feinde wegzulocken, sind eigentlich kaum erwähnenswert. Vor allem deshalb, da solche Stellen viel zu selten vorkommen und auf sie natürlich von unserem Ansager explizit hingewiesen wird. Hätte das Spiel dann wenigstens auch noch auf den Multiplayer-Modus, den ein Spiel heutzutage leider nun mal seitens der Publisher besitzen muss, verzichtet und die übrigen Ressourcen dazu verwendet, andere Lecks zu stopfen, hätte man sicherlich deutlich mehr von den Entwicklern erwarten können.

Vielen Dank an City Interactive für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Sniper: Ghost Warrior 2!

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