Wenige Serien haben es in so kurzer Zeit geschafft, sich solch eine große, fanatische Fanbase aufzubauen wie die Rollenspielreihe Kingdom Hearts. Mit dem HD-Remake der ersten Teile kann man nun auch in aufgehübschter Grafik versuchen, die Faszination nachzuvollziehen.
Crossovers sind kein einfaches Unterfangen. Meistens merkt man doch, dass eine Partei federführend war und die andere Seite vernachlässigt wird. Als Kingdom Hearts angekündigt wurde, war sich auch die Spielerschaft noch nicht sicher, was man davon halten soll. Offen stand die Frage, ob es ein Disney-Kinderspiel wird, bei dem Square ein wenig am Gameplay feilt oder ob es ein Final Fantasy mit deplatzierten Disney-Figuren wird. Zum Release sind beinahe alle Lager verstummt. Die Geschichte um den jungen Sora und seine Freunde Kairi und Riku ist erzähltechnisch auf dem Niveau von Final Fantasy und bietet uns eins zu eins die Atmosphäre klassischer Disney-Filme. Das Inselkind Sora wird eines Tages aus seiner idyllischen Umgebung in die tiefste Dunkelheit gerissen und muss vom sorglosen Alltag sofort in den Kampf springen. Als Träger des Schlüsselschwertes ist er nämlich einer der Auserwählten, der die Welt vor der Finsternis retten und die Herzlosen, die dunklen Monster des Spiels, besiegen kann. Wieso gerade Sora in dieser Position steht und wieso die verschiedenen Welten von den dunklen Wesen überfallen werden, klärt sich in etlichen Teilen Stück für Stück auf. Die Geschichte von Kingdom Hearts ist mitnichten für Kinder gedacht. Der Spieler steht einem der komplexesten Storygeflechte der letzten Jahre gegenüber. Da ist es bitter nötig, dass Neulinge jetzt mit den ersten beiden Serienteilen anfangen können.
Mehr als eine HD-Neuauflage
Neben der Story zieht die Serie ihren Reiz aus den Disney-Welten. So weit wie nur möglich hat man Originalsprecher engagiert, den echten Soundtrack eingebaut und die Welten mit viel Liebe gestaltet. Hinzu kommen Gastauftritte. In Kingdom Hearts sind über alle Welten zum Beispiel die 99 Dalmatinerwelpen versteckt oder man ruft im Kampf einfach Dumbo oder Bambi zu sich. Fans klassischer Disney-Filme dürften vor Freude strahlen. Das etwas action-lastigere Rollenspiel Kingdom Hearts kommt sogar als Final Mix daher. So bekommen wir Europäer erstmals einige zusätzlichen Szenen, Gegner und Kämpfe präsentiert. Außerdem hat man die Kamera und das Gameplay etwas mehr an den Nachfolger Kingdom Hearts II angelehnt, wodurch auch die wenigen Probleme des ersten Teils weitestgehend ausgemerzt werden. Wer die etlichen Spielstunden des ersten Teils absolviert hat, bekommt in Kingdom Hearts: HD 1.5 ReMix aber gleich noch zwei weitere Spiele geboten, welche die Brücke zum Nachfolger schlagen. Eher gesagt ein Spiel und einen Film. Während Kingdom Hearts: Re: Chain of Memories den GameBoy-Advance-Titel komplett neu auflegt, dürfen wir das DS-Spiel Kingdom Hearts: 358/2 Days in Form von zusammengeschnittenen Cutscenes in knapp drei Stunden genießen. Tatsächlich eine Überlegung wert, wenn man keine Lust hat, den Nintendo DS wieder herauszukramen oder das Gameplay doch etwas langatmig fand.
Vom Handheld auf die HD-Konsole
Den größten Sprung hat aber Kingdom Hearts: Chain of Memories gemacht. Hier wurde nicht nur die Technik, sondern auch das Gameplay verbessert. Weiterhin bleibt dem Spiel aber das einzigartige Kampfsystem erhalten. Chain of Memories ist kein klassisches Rollenspiel oder Action-Adventure, sondern ein Kartenrollenspiel. In den Kämpfen laufen wir nicht herum und stufen auf, sondern haben für jede Aktion passende Karten parat. So bewegen wir uns rundenbasiert durch das Schloss des Entfallens und versuchen der geheimnisvollen Organisation auf die Schliche zu kommen. Gleichzeitig verliert Sora aber Stück für Stück sein Gedächtnis und beginnt sich an absurde Dinge und neue Personen zu erinnern. Hier ist die Story wieder das treibende Element. Auf dem GameBoy Advance war das Gameplay noch sehr hakelig und es ist schwer einzuschätzen, ob man diese Fehler tatsächlich behoben hat. Aber selbst falls nicht, möchte man als Spieler einfach jeden Storyfetzen aufsaugen, weshalb man auch über etwas schlechtere Gameplay-Mechanismen hinweg sehen kann. Insgesamt ist Kingdom Hearts: HD 1.5 ReMix für Europäer mehr als die in letzter Zeit haufenweise auftauchenden HD-Sammlungen. Mit von Grund auf nachprogrammierten Spielen, zusätzlichen Inhalten, Gameplay-Anpassungen und riesigen grafischen Sprüngen für Chain of Memories, sollten auch Besitzer der ersten Serienteile eindeutig über einen Kauf nachdenken.
Geschrieben von Björn Rohwer
Björns Fazit (basierend auf den Originalversionen und dem veröffentlichten Videomaterial): Die beiden Hauptteile der Kingdom-Hearts-Reihe zählen immer noch zu meinen absoluten Lieblingsspielen. Wenn man mit Rollenspielen etwas anfangen kann, ist es klasse, aber wenn man auch noch die Disneycharaktere mag, kann man sich nur in diese Reihe verlieben. Vor allen Dingen, weil man hier nicht krampfhaft die aktuell erfolgreichen Serien einbaut, sondern auf Klassiker vertraut. Herkules, Winnie the Pooh, Peter Pan, Arielle, Aladdin und viele mehr. Aber nicht nur der geniale erste Teil der Serie erreicht uns erstmals im Final Mix, sondern auch die neue Version von Kingdom Hearts: Chain of Memories ist für mich schon allein den Kauf wert. Die GameBoy-Advance-Version war teilweise wirklich etwas hakelig zu spielen und ist leider nicht perfekt gealtert. Da kommt mir eine HD-Umsetzung der Geschichte gerade Recht. Obwohl ich beide Spiele schon mehrmals durchgespielt habe, bin ich heiß auf das Remake. Mein letzter Durchgang ist bei beiden Spielen nun so lange her, dass es wieder Zeit wird, in die Square-Disney-Welt abzutauchen.