Es gab einmal eine Zeit, in der jeder Hollywood-Blockbuster von einem Videospiel begleitet werden musste. Diese Epoche ist zum Glück vorbei. Lizenztitel sind zu Beginn der 2020er-Jahre deutlich hochwertiger, was mitunter an Avatar – Frontiers of Pandora zu sehen ist.
Als im Jahr 2009 der Science-Fiction-Film Avatar – Aufbruch nach Pandora erschien und in den Kinos die Kassen klingeln ließ, ahnte wohl niemand, dass die Filmfortsetzung erst 2022 ihren Weg in die Lichtspielhäuser finden sollte. Nicht zum Kinostart von Avatar – The Way of Water, sondern ein Jahr später im Dezember 2023, erschien dann auch ein weiters Videospiel im Avatar-Universum. Böse Zungen würden behaupten, dass Avatar – Frontiers of Pandora ein neuer Far-Cry-Titel mit großgewachsenen Schlümpfen sei. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit, geht der First-Person-Shooter mit Action-Adventure-Anleihen doch einen ganz eigenen Weg. Angesiedelt ist die Story des Spiels im Jahr 2170 und damit sechzehn Jahre nach den Geschehnissen des ersten Films und, sofern unsere Berechnungen richtig sind, sechs Jahre nach der Erzählung des zweiten Streifens – zumindest hauptsächlich. Wir schlüpfen in die Rolle eines jungen Na’vi, so der Name des blauhäutigen Volks des titelgebenden Planeten Pandora. Unser Na’vi steckt in der Ausbildung zum Soldaten, allerdings unter der Aufsicht von Menschen. Während des Aufstandes von Jake Sully wird unser Na’vi in Kälteschlaf versetzt und muss anderthalb Jahrzehnte später die veränderte Welt kennenlernen – in der sich die Fronten zwischen Menschen und Na’vi noch mal um einiges erhärtet haben. Puh!
Neue Erkenntnisse eines Einheimischen
Unsere erste Aufgabe besteht darin, aus der militärischen Anstalt zu fliehen. Die Flucht dient als Tutorial und bringt uns einfache Aktionen wie Ducken, Springen, Rutschen, Schlagen und Kniffe wie das Einnehmen von Nahrung bei. In der Freiheit angekommen geht die Anleitung munter weiter, führt uns aber nicht geradlinig zum nächsten Ziel. Deshalb müssen wir uns in unserer Heimat erst einmal zurechtfinden. Wir erhalten einen Bogen und können mit diesem auf die Jagd gehen oder die Menschen abschießen, die von Bösewicht John Mercer befehligt werden. Mit unseren Na’vi-Sinnen scannen wir die Umgebung zudem nach heilenden Früchten oder weiteren Pflanzen ab, die zum Beispiel nötig sind, um in Avatar – Frontiers of Pandora neue Pfeile zu produzieren. Später kommen noch weitere Waffen wie Raketenwerfer hinzu, die es ordentlich rumsen lassen. Entsprechend erkunden wir Pandora, stoßen immer wieder mit Mercers Schergen zusammen, lernen durch unsere Sinne und zahlreiche Texte Pandora besser kennen, erledigen in der offenen Spielwelt kleinere Nebenaufgaben und sammeln vor allem Ressourcen, die wir weiterverarbeiten können. So stärken wir beispielsweise unsere Ausrüstung, die wir im Laden gegen gefundene Einzelteile eintauschen können. Ebenfalls treiben wir auch die Haupthandlung voran, die uns aber nicht gerade vom Hocker haut.
Erkundung auf eigene Faust
Schon früh im Spiel fällt auf, dass Avatar – Frontiers of Pandora in Weiß und Schwarz aufgeteilt ist. Die Antagonisten sind von Natur aus aggressiv und bösartig, die Protagonisten hingegen gutherzig und leidensfähig. Wen das nicht stört, dürfte mit dem First-Person-Shooter viel Freude haben. Spannender ist da schon das Erkunden des Planeten, denn die offene Spielwelt fällt im Gegensatz zu den meisten Ubisoft-Titeln dieser Machart etwas anders aus. So wird die Karte nicht gleich von etlichen Symbolen zugekleistert. Stattdessen müssen wir die Welt auf eigene Faust erkunden. Oftmals erhalten wir sogar nur vage Beschreibungen, wo sich ungefähr die nächste Zielperson befindet. Zwar wird auf der Karte auch ein Punkt markiert, sobald wir die Quest angenommen haben, doch die Benutzeroberfläche lässt keinen Schluss zu, wohin wir uns genau bewegen müssen. Lediglich wenn wir selbst eine Markierung irgendwo auf der Karte setzen, können wir den Ort über den Kompass am oberen Bildschirmrand aufspüren. Das sorgt für Immersion, dürfte aber womöglich nicht jedem Spielertypen schmecken. Gerade die Videospiele der 2010er-Jahre haben uns Nutzer doch sehr verwöhnt und uns verblöden lassen. Hier müssen wir wieder selbst denken. Wer sich alles bis ins kleinste Detail vorkauen lassen will, muss um Avatar – Frontiers of Pandora einen großen Bogen machen.
Atmosphärische Spielwelt
Über den Controller spielt sich das alles auch am PC kinderleicht. Puristen greifen vermutlich eher zu Maus und Tastatur. Lediglich die Menüführung wirkt im Gegensatz zum detaillierten Erkundungs- und Lernaspekt der Flora und Fauna von Pandora etwas zu simpel. Auch könnte das Inventar etwas größer ausfallen, denn beim Handwerkssystem ist dieses zu knapp bemessen, was die Bedienung erschwert. Über alle Zweifel erhaben ist definitiv die visuelle Gestaltung von Pandora. Ähnlich wie in Fallout 3 oder The Elder Scrolls IV: Oblivion treten wir in der ersten Spielstunde ins Licht und erleben einen wahren Augenöffner. Pandora ist wunderschön inszeniert, verfügt über eine dichte Vegetation und auch uns fremde Lebewesen huschen hier und da an uns vorbei. Auf unserem Testrechner (Intel i5 13600K, GeForce RTX 4070, 32 GB DDR5 RAM) läuft der Titel in Full-HD auch durchweg flüssig, was der flotten Spielbarkeit nur zu Gute kommt. Unterlegt ist das Spektakel mit optischen Klängen, die zum Geschehen passen, aber keine Bäume ausreißen. Für unseren Geschmack fällt auch die deutsche Synchronisation etwas zu steril aus. Bei einem Spiel in dieser Größenordnung hätten wir durchaus mehr erwartet. Unterm Strich bietet Avatar – Frontiers of Pandora ein paar gute Ansätze, verlässt sich aber zu sehr auf das Hollywood-Blockbuster-Erscheinungsbild. Schade.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Ein großer Fan der Avatar-Kinofilme werde ich vermutlich nicht. Zwar habe ich den ersten Teil vor etlichen Jahren ganz gerne geschaut und ich möchte mir auch unbedingt noch den zweiten Film ansehen, doch Avatar: Frontiers of Pandora macht es mir nicht gerade leicht. Das Spiel zeigt mit seiner Story ziemlich gut, wie es um einen Großteil der Hollywood-Produktionen mit dreistelligem Millionenbudget bestellt ist. Es soll opulent aussehen und hier und da auch mal etwas krachen. Gut, dem First-Person-Shooter gelingt dies in vielen Punkten. Tiefgründig werden die Geschichte oder zumindest ihre Aussagen dadurch aber noch lange nicht. Dafür finde ich es erfrischend, dass mit dem Klischee der offenen Spielwelt ein wenig aufgeräumt wird. Ich muss mitdenken und anhand von visuellen Merkmalen herausfinden, wo ich die nächste Zielperson finden kann. Klar, so ganz alleine lässt mich das Spiel zwar nicht, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ansonsten stören mich nur kleinere Dinge wie die Inventarbegrenzung und das manchmal zu häufige Einsetzen der Na’vi-Sinne. Fans der Filme können beim Spiel sicherlich bedenkenlos zuschlagen. Wer diese aber nicht gesehen hat, wird anhand von vielen Begrifflichkeiten, die alleine schon in den ersten fünfzehn Minuten fallen, ohnehin nicht so viel verstehen.
Vielen Dank an Ubisoft für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Avatar – Frontiers of Pandora!