Nachdem im Jahr 2017 die erste Staffel von Classroom of the Elite im japanischen Fernsehen lief, folgte fünf Jahre später die zweite Season. Die insgesamt dreizehn Episoden starke Staffel kann das schwache Debüt der Anime-Serie dabei noch einmal sehr deutlich unterbieten.
Puh! An dieser Stelle wissen wir gar nicht, wo wir eigentlich anfangen sollen. Selten gelingt es einer ohnehin schon schwachen Anime-Serie in einer weiteren Staffel den Auftakt derart ins Licht zu heben wie Classroom of the Elite. Ecken und Kanten sind gar kein Ausdruck für das, was uns Animationsstudio Lerche vorsetzt. Das fängt schon bei der Story an, die derart holprig erzählt ist und an manchen Stellen sogar unvollständig wirkt. Dabei sollten vier bis fünf Jahre, die zwischen der Produktion der beiden Staffeln gelegen haben, doch eigentlich genug Zeit sein, um sich mit der Kritik seitens Fans und Fachpresse auseinanderzusetzen und an sich zu arbeiten. Wenn hier etwas geschehen ist, dann sind offenbar viele falsche Entscheidungen getroffen worden. Wie dem auch sei: Inhaltlich knüpft Classroom of the Elite in der zweiten Season an die Geschehnisse der zwölf Folgen umfassenden ersten Staffel nahtlos an. Protagonist Ayanokōji Kiyotaka befindet sich im Dialog mit seiner Lehrerin Chabashira Sae, die alles daran setzt, um die D-Klasse nach Vorne zu katapultieren. Sie schreckt deshalb auch nicht davor zurück, ihren Schüler zu erpressen. Angeblich kenne sie seinen strengen, aber bis dahin innerhalb der Serienstruktur noch ominösen Vater, der Kiyotaka von der Schule verweisen will. Sollte Kiyotaka nach ihren Regeln spielen, würde sie sich für ihn maßlos einsetzen.
Unangenehmes Sehvergnügen
Inszenatorisch spielt sich das Geschehen nach wie vor auf dem Schiff ab. Anstatt die Heimreise nach Tōkyō anzutreten, erwartet die Schülerschaft auf dem Kreuzer eine Sonderprüfung. Diesmal werden die Klassen bunt gemischt und in Gruppen aufgeteilt. Es geht allerdings nicht darum, eine besondere Leistung zu erbringen. Stattdessen wurde ein Schüler oder eine Schülerin als ganz besondere Person ausgewählt, die entlarvt werden muss. Um die Anonymität zu wahren, erfahren die Teilnehmer nicht, wie abgestimmt und ob die besondere Person entdeckt wurde. All das funktioniert nach bestimmten Regeln, die dem Zuschauer von Classroom of the Elite zu Beginn der Sonderprüfung aufgeschlüsselt werden. Allerdings ist das Regelwerk erneut unnötig komplex gehalten, sodass der durchschnittliche Zuschauer entweder verdammt konzentriert sein muss oder schnell das Interesse verliert und sich im Anschluss nur noch vom Psychoterror berieseln lässt. Letzteres entwickelt sich zum Ende der zweiten Staffel zu einem regelrecht unangenehmen Sehvergenügen. Da die Klassenschönheit Karuizawa Kei mit Kiyotaka zusammenarbeitet, wird sie von Schülern aus der Parallelklasse in Gewahrsam genommen, erpresst, erniedrigt und gefoltert. Zwar wird sie gerettet, doch ist die Antwort auf diese Tat pure Gewalt. Das Schlimme daran ist: Beiderlei Taten werden ethisch nicht hinterfragt.
Verpasste Möglichkeiten
Classroom of the Elite ist durch eine derartige Inszenierung nur schwer zu ertragen. Nach der unterdurchschnittlichen ersten Season haben sich die Verantwortlichen bei Lerche anscheinend gedacht, dass es eine gute Idee wäre, den Regisseur zu wechseln. Deshalb haben Hashimoto Hiroyuki und Kishi Seiji ausgedient. An ihre Stelle rückte Nishōji Yoshihito, der es aber – wie ihr sehen könnt –, nur noch viel schlimmer gemacht hat. Tatsächlich kann die Serie nur in den allerwenigsten Momenten punkten, wie zum Beispiel dem sportlichen Wettkampf. Das reicht aber nicht, um bei Laune zu halten. Vom ursprünglichen Ansatz hat sich die Reihe weit entfernt und dürfte daher nur Kennern der Light Novel zusagen. So gut sich das zu inszenierende Setting auch anbietet, so wenig werden die Möglichkeiten hier ausgeschöpft. Immerhin wird zumindest der zwischenzeitlich zum Unsympath verkommene Kiyotaka etwas mehr beleuchtet. Zum Glück trüben die Charaktermodelle über die Persönlichkeiten hinweg, auch wenn sie gefühlt noch schlechter als in der ersten Staffel animiert sind. Für die musikalische Untermalung ist diesmal Yokoyama Masaru verantwortlich, der sich aber weitgehend auf die Vorarbeit von Takahashi Ryō verlässt. Die zweite Staffel von Classroom of the Elite hat das eigene Grab ein gutes Stück tiefer geschaufelt; die dritte Staffel braucht da ja auch noch Platz.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei Crunchyroll): Nach der enttäuschenden ersten Staffel von Classroom of the Elite habe ich mir erhofft, dass Animationsstudio Lerche an der Kritik wächst und es besser macht. Tatsächlich ist das Gegenteil eingetreten. Die langatmigen Psychospielchen werden fortgeführt, das Setting der japanischen Oberschule mehr als bloß vernachlässigt und die Charaktere kaum weiter ausgebaut. Hier sticht allerhöchstens Protagonist Kiyotaka heraus, den ich jetzt aber noch weniger leiden kann. An allen Ecken und Kanten fehlt der nötige Feinschliff. So bleibt die Story holprig und teilweise unvollständig, was das Verständnis beim ohnehin schon unnötig komplizierten Punktesystem erschwert. Ich kann es kaum glauben, dass sämtliche Möglichkeiten, die sich Lerche geboten haben, in keiner Weise ausgeschöpft wurden. Classroom of the Elite bleibt damit eine wirklich schwache Serie. Die dritte Staffel dürfte daran nur wenig ändern können. Da bin ich mir leider sehr sicher.
Vielen Dank an Crunchyroll für die freundliche Bereitstellung des Zugangs zum Streaming-Angebot!