Kaum zu glauben, aber wahr: Manche Anime-Serien werden dem deutschsprachigen Publikum jahrzehntelang vorenthalten. Dazu zählt auch Lupin III. – Part 1, eine Serie, die mit 23 Episoden den Auftakt für viele weitere Staffeln und Filme im Anime-Korsett gelegt hat.
Angesiedelt in den Jahren 1971 und 1972, dem Produktionszeitraum der Anime-Serie, erzählt Lupin III. – Part 1 die Abenteuer des gleichnamigen Meisterdiebs Arsène Lupin III. Obwohl die Marke im deutschsprachigen Raum bereits durch den Film Das Schloss des Cagliostro und weiteren Anime-Umsetzungen bereits bekannt war, hat es bis 2023 gedauert, dass Crunchyroll auch die erste Anime-Umsetzung des Manga-Stoffes ins hiesige Programm aufgenommen hat. Fünfzig Jahre nach der Erstveröffentlichung in Japan gibt es aber keinen Grund, die Erwartungen runterzuschrauben. Nicht nur Fans des Meisterdiebs kommen auf ihre Kosten, sondern auch alle neugierigen Zuschauer, die bisher noch nicht mit dem Franchise in Berührung gekommen sind. Gerade der erste Teil der Anime-Serie eignet sich hervorragend dazu, in die Handlung einzusteigen, was an einem ganz besonderen Faktor liegt. So beginnt die Geschichte trotz etablierter Grundlagen nahezu bei Null. Lupin ist mit seinem Komplizen Jigen Daisuke immer auf der Suche nach dem nächsten Coup. Ihnen meist dicht auf den Fersen ist Inspektor Zenigata Kōichi von der Tōkyōer Polizei. Damit könnte die Ausgangslage nicht eindeutiger sein, doch werden Lupin und Jigen, die sich in der deutschen Vertonung liebevoll Grummelbärchen und Gürkchen nennen, von zwei weiteren wichtigen Figuren unterstützt.
Kunterbuntes Heldenquartett
Mit von der Partie in Lupin III. – Part 1 sind auch die beiden vielschichtigen Charaktere Ishikawa Goemon XIII. und Mine Fujiko. Bei Goemon handelt es sich um einen Samurai, der wie ein Anachronismus in die Anime-Serie passt. Altertümliche Kleidung, immer die Hand am Schwertgriff und ein übertriebenes Ehrgefühl zeichnen die Figur aus. Fujiko ist hingegen Lupins große Liebe oder zumindest das, was er dafür hält. Sie kann durchaus als eine Art der Femme Fatale gesehen werden. Ihr ist bewusst, dass sie mit ihren weiblichen Reizen Lupin dazu verführen kann, genau das zu tun, was ihr von Vorteil ist – und das, obwohl Lupin ständig von Jigen und Goemon vor diesem „Weibsbild“ warnen. Ständig hat Fujiko Hintergedanken und schlägt die Gruppe aufgrund Lupins Gutgläubigkeit mehrmals in die Pfanne oder haut sogar mit der gestohlenen Beute ab. Auf dieser Basis baut Lupin III. – Part 1 immer und immer wieder auf. Hier zeigt sich ein Charakteristikum, das für Anime-Serien eher untypisch ist. Zwar wird immer mal wieder auf vorhergehende Ereignisse hingewiesen, wenn Zenigata beispielsweise erwähnt, dass er Lupin zweimal eingebuchtet hat, dieser aber jedes Mal entkommen ist, doch genau genommen liegt zu Beginn jeder Episode der Status quo vor. Alles auf Anfang gesetzt lockt jede einzelne Folge auf diese Weise mit einer eigenständigen Story.
Abwechslungsreiche Geschichten
Obwohl abgeschlossene Handlungsstränge für den einen oder anderen Zuschauertyp durchaus anstrengend sein können, sind sie in Lupin III. – Part 1 aber alles andere als langwierig oder gar langweilig. In den jeweils circa 25 Minuten langen Episoden gelingt es dem im Jahr 2024 als TMS Entertainment bekannten Animationsstudio viele tolle Geschichten zu erzählen, die abwechslungsreicher wirklich nicht sein könnten. Mal rauben die Figuren ein Juweliergeschäft aus und mal möchte Lupin die Tochter eines Freundes seines verstorbenen Vaters aus den Fängen ihres Onkels retten. Auch das Überlisten eines Supercomputers, der Lupins nächste Schritte allesamt vorhersehen kann, steht in einer Folge auf der Tagesordnung. All das macht richtig viel Spaß, denn oft genug werden Lupin und seine Freunde durch Zenigata und weiteren Antagonisten, die gerade den klassischen, ikonischen und fast schon stereotypischen Bösewichten aus James Bond alle Ehre machen, in die Ecke gedrängt. Als Zuschauer ist es eine wahre Freude mitzufiebern, auf welche Art und Weise Lupin seinen Gegenspielern zuvorkommt. Das ist zwar manchmal leicht vorhersehbar, doch in vielen Fällen bleibt die Lösung kreativ, was aber vor allem am Anime-Erscheinungsbild liegen dürfte. Im japanischen Zeichentrick ist einfach so vieles möglich, ohne dass es gleich zwangsläufig albern sein muss.
Humorvolle Anime-Serie
Nichtsdestotrotz bleibt in Lupin III. – Part 1 jede Menge Platz für Humor, denn ganz ohne komische Slapstick-Einlagen oder flotte Sprüche geht es dann doch nicht. Hiervon profitiert ganz klar die deutsche Synchronisation, die sehr salopp wirkt und in manchen Punkten die Grenzen des Schnodderdeutschs tangiert, wie es vor allem Fans von Bud Spencer und Terence Hill kennen. Wenn eine weibliche Figur halbwegs abwertend als Mullemaus bezeichnet wird oder Sprüche geklopft werden, die so eher in den 1970er- und 1980er-Jahre verankert sind, dann ist das nicht nur witzig, sondern passt auch zum Zeitgeist beziehungsweise dem Entstehungszeitraum der Anime-Serie. Dementsprechend muss das Werk auch in technischer Hinsicht betrachtet werden. Für das Fernsehen produziert liegt die Serie nur im 4:3-Format vor. Links und rechts rahmen schwarze Balken das Bild auf Breitbildfernsehern ein. Hinzu kommt, dass die Farben häufig etwas blass und die Animationen gelegentlich ein wenig holprig wirken. All das ist aber nur der Tropfen auf den heißen Stein, denn abgesehen von diesen Defiziten, die definitiv der Zeit geschuldet sind, kann die Anime-Serie auf ganzer Linie überzeugen. Lupin III. – Part 1 ist ein Kind seiner Zeit und ein echter Klassiker, der auch viele Jahrzehnte später seine Fans erfreut und immer noch viele neue Anhänger finden dürfte.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei Crunchyroll): Anime-Serien, die weitestgehend mit abgeschlossenen Handlungssträngen in jeder Episode aufwarten, gibt es gar nicht mal so viele. Lupin III. – Part 1 ist eine solche Serie, der es aber dennoch in jeder Folge aufs Neue gelingt, spannende und unverbrauchte Geschichten zu erzählen. So bereiten Lupin und seine Freunde immer wieder frische Coups vor, bekommen sich dabei mitunter gegenseitig in die Haare, schlagen der Polizei aber mindestens genauso oft ein Schnippchen. Überforderte Polizisten, überzeichnete Antagonisten und überdrehter Humor sind genau die Punkte, die neben den unterhaltsamen Protagonisten und Geschichten für die Serie stehen und sie so sehenswert machen. Es bereitet mir jede Menge Spaß, den Figuren bei der „Arbeit“ zuzusehen und mit ihnen mitzufiebern, da die Episoden häufig aus auktorialer Sicht geschildert werden und ich daher beide Seiten der Medaille kenne. Loben möchte ich auch die deutsche Synchronisation, bei der gerade Peter Flechtner in seiner Rolle als Lupin auffällt. Es ist ihm wirklich anzumerken, wie viel Spaß ihm die Vertonung gemacht hat. Ich würde mich sehr darüber freuen, auch die weiteren Parts von Lupin III., die zudem deutlich länger ausfallen, im Angebot von Crunchyroll sehen zu dürfen. Lupin III. – Part 1 legt eine großartige Grundlage, die Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung in Japan mit weiteren Staffeln endlich gewürdigt werden muss!
Vielen Dank an Crunchyroll für die freundliche Bereitstellung des Zugangs zum Streaming-Angebot!