Nachdem 1985 der dritte Part der Anime-Serie Lupin III. endete, blieb es um den titelgebenden Meisterdieb lange Zeit still. Wenige Jahre vor dem vierten Part erschien 2012 die Ablegerserie Lupin III. – The Woman called Fujiko Mine, die als düsteres wie ernstes Prequel fungiert.
Gibt es in einem Franchise beliebte Nebenfiguren, ist es nicht verwunderlich, dass diese früher oder später in eigenen Produktionen in den Mittelpunkt gerückt werden. Diese Ehre hatte im Jahr 2012 auch Mine Fujiko. Diebin, Verführerin, Betrügerin und Femme Fatale – sie ist alles andere als eine Heilige, agiert oft nur für ihren eigenen Vorteil und ist nicht selten auch noch rücksichtslos. Obwohl sie viele negative Merkmale aufweist, gehört sie definitiv zu den stärksten Frauenfiguren im Anime- und Manga-Bereich. Zum vierzigjährigen Jubiläum der Anime-Serie Lupin III., die fast drei Jahrzehnte eigentlich gar keine große Rolle abseits von Wiederholungen im japanischen Fernsehen gespielt hat, wurde bei TMS Entertainment wohl auch deshalb entschieden, Fujiko statt den titelgebenden Meisterdieb in den Mittelpunkt zu rücken. Regisseurin Yamamoto Sayo und ihrem Team ist dies außerordentlich gut gelungen, schicken sie Fujiko in insgesamt dreizehn Episoden in verschiedene Abenteuer, die deutlich ernster, poetischer, tiefgründiger und düsterer inszeniert sind als es Fans des Franchises erwarten. Platz für Humor bleibt dennoch, allerdings nur in sehr begrenztem Maße. Auf diese ungewohnte Art der Präsentation müssen sich also gerade Fans der langjährigen Reihe einlassen können, um mit The Woman called Fujiko Mine überhaupt ihren Spaß haben zu können.
Intelligente, aber langatmige Erzählstruktur
Andersherum sollten Interessenten, die mit dem Werk des 2019 verstorbenen Erfinders Katō Kazuhiko noch keine Berührungspunkte haben, nicht erwarten, dass diese Inszenierung in den anderen Staffeln, Original Video Animations und Filmen eine Fortsetzung erfährt. Lupin III. setzt häufig auf Klamauk, obwohl die Geschichten für sich genommen nicht immer sonderlich zum Lachen sind. Dies ist in The Woman called Fujiko Mine aufgrund der Inszenierung auch wesentlich deutlicher zu erkennen. Diebstahl, Missbrauch, Körperverletzung und Mord gehören zur angerissenen Themenwahl. Um ihr Ziel zu erreichen, sind Fujiko bis auf wenige Ausnahmen, in denen ihr Gewissen durchdringt, alle Mittel recht. Unter anderem nimmt sie andere Identitäten an, verführt Männer, lässt sich verheiraten und entledigt sich unliebsamen Elementen. Auf ihrer Reise irrt die Protagonistin jedoch umher und verliert sich schlussendlich, was auch mit ihrer Vergangenheit zu tun hat. Während die erste Hälfte der Serie den Anschein erweckt, dass es in den Episoden keinen richtigen Zusammenhang gibt und vorherige Erlebnisse höchstens einmalige Erwähnung finden, kristallisiert sich das Ausmaß der Struktur erst kurz vorm Finale heraus. The Woman called Fujiko Mine ist durch Nebensächlichkeiten clever gestaltet, kann daher aber langatmig und teils auch langweilig für den Zuschauer sein.
Prequelartige wie stilistisch ungewohnte Einführung
Obwohl sich die Anime-Serie stark vom Gesamtwerk abhebt und unter Fans zwiegespalten aufgenommen werden dürfte, eignet sich The Woman called Fujiko Mine wunderbar als Einstieg ins Franchise. Das liegt vor allem daran, dass die Reihe als eine Art Prequel funktioniert. Unter anderem lernt die Heldin die anderen wichtigen Charaktere wie den Dieb Arsène Lupin III., den Meisterschützen Jigen Daisuke, den Samurai Ishikawa Goemon XIII. und Inspektor Zenigata Kōichi in dieser Version der Erzählung überhaupt erst kennen. Sie dient somit als Schlüsselfigur, denn ohne ihre Verbrechen würden auch die anderen Charaktere wohl kaum aufeinanderstoßen. Die einzige Ausnahme bilden hier Lupin und Zenigata, aber das ist gerade aufgrund der gegensätzlichen Berufswahl der beiden Charaktere nur nachvollziehbar. Stilistisch betrachtet hebt sich die Anime-Serie mit ihrem weitgehend entsättigten Bildfarben deutlich ab, verschleiert die erwachsenen und im Falle der Protagonistin auch sexualisierten Charaktermodelle mit horizontalen Linien und setzt auf sparsame, aber bewusst eingesetzte Animationen. Auditiv unterlegt ist die Serie mit einem Soundtrack des Musikers Kikuchi Naruyoshi, produziert von Watanabe Shin’ichirō. Unterm Strich ist das audiovisuelle Gesamtbild herausragend, strengt aber je nach Sehgewohnheiten auch an. Die Würdigung der Hauptfigur ist Animationsstudio TMS Entertainment in The Woman called Fujiko Mine aber geglückt.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei Crunchyroll): Immer mehr entwickle ich mich zu einem großen Fan von Lupin III. – der Meisterdieb und die anderen Figuren, inklusive Mine Fujiko, sind einfach großartige Charaktere und die Abenteuer meist sehr unterhaltsam. Bei Lupin III. – The Woman called Fujiko Mine fällt mein Urteil jedoch verhalten aus. Einerseits mag ich den ernsten Ansatz und die Idee, die Geschichte als Prequel zu konstruieren. Anderseits gehe ich nicht so ganz mit der Konstruktion der Handlung konform, denn es dauert gefühlt ewig, bis sich mir die Zusammenhänge gegen Ende erschließen. Außerdem geschieht dies in meinen Augen nicht sonderlich gut, da es eben nur viele kleine Nebensächlichkeiten sind, die das Finale nur bedingt bereichern. Darüber hinaus vermisse ich den serientypischen Humor. Das letzterer fehlt, kann ich aber zumindest nachvollziehen, da sich Arsène Lupin III. und Jigen Daisuke zu Beginn noch nicht kennen und nur dank Fujiko aufeinanderprallen. Wenn Fans mit den stilistischen wie inszenatorischen Anpassungen einverstanden sind, werden diese sicherlich auf ihre Kosten kommen. Alle anderen suchen sich lieber einen anderen Einstiegspunkt in ein Franchise, dem Interessenten unbedingt eine Chance geben sollten!
Vielen Dank an Crunchyroll für die freundliche Bereitstellung des Zugangs zum Streaming-Angebot!