Review: Persona 3 Reload

Erstmals erschien Persona 3 im Jahr 2006 für die PlayStation 2. Es folgten erweiterte Fassungen und Portierungen für diverse Plattformen. Mit Persona 3 Reload veröffentlichten Atlus und Sega ein vollwertiges Remake, das jedoch abermals keine definitive Version darstellt.

Nachdem 2023 die PlayStation-Portable-Variante des Spiels mit dem wenig kreativen Namen Persona 3 Portable neu aufgelegt wurde, waren Fans womöglich etwas enttäuscht. So ist gerade diese Version in Fankreisen zumindest teilweise nicht sonderlich beliebt. Umso größer war die Freude, dass kurz darauf auch ein vollwertiges Remake des japanischen Rollenspiels angekündigt wurde. Allerdings haben es die Entwickler abermals versäumt, eine definitive Version des Klassikers zu kreieren, in der wirklich alle relevanten Inhalte aus sämtlichen Fassungen des Spiels enthalten sind. So fehlt der Epilog aus Persona 3 FES sowie die optional weibliche Protagonistin aus erwähnter Portable-Variante. Am grundlegenden Inhalt hat sich aber eigentlich nichts verändert – lediglich in Nuancen wurde das Spiel an die Gepflogenheiten des Jahres 2024 angepasst. Innerhalb der auf dutzende Stunden ausgelegten Handlung übernehmen wir die Rolle des Oberschülers Yūki Makoto, den es in die fiktive Stadt Iwatodai verschlägt. Kurz nach unserer Ankunft um Mitternacht müssen wir erleben, wie sich die Menschen auf den Straßen in Särge verwandeln. Hierbei handelt es sich um das ominöse Phänomen, das als Dark Hour bezeichnet wird. In dieser Stunde versuchen Schatten, die Menschen aus ihren Särgen zu locken und ihre Seele zu verzehren. Harter Tobak, der super funktioniert!

Zeitlose Präsentation im Anime-Look

Mit der Zeit erfahren wir in Persona 3 Reload, dass immer mehr Menschen am sogenannten Apathiesyndrom leiden. Diese Krankheit lässt sich auf die Dark Hour zurückführen, die es im Spiel aufzuhalten gilt. Unser Protagonist gehört neben einer Reihe von Mitschülern zu jener Gruppe Menschen, die sich nachts zum Glück nicht in Särge verwandeln. Wir werden Teil einer Organisation, um den Grund für die Dark Hour herauszufinden. Während wir nachts Jagd auf die Schatten im turmartigen Tartarus genannten Dungeon machen, ist es tagsüber unsere Aufgabe, die Schulbank zu drücken, an Klubaktivitäten teilzunehmen, Zeit mit zu Freunden gewordenen Mitschülern zu verbringen, neue Menschen kennenzulernen, für die Zwischenprüfungen zu lernen oder unsere Geldbörse mit kleinen Jobs aufzufüllen. Im Gegensatz zu Persona 3 Portable können die Entwickler zum Glück eine leistungsstarke Hardware nutzen und aus den Vollen schöpfen. Wir erleben sowohl unseren Alltag als auch die nächtlichen Ausflüge in den Tartarus vollkommen aus der dritten Person. Egal ob wir uns nun mit Freunden im Restaurant eine Portion Rāmen gönnen, am Schrein beten, die Zeit im Einkaufszentrum totschlagen, zahlreichen wie ausufernden Dialogen folgen oder den Tartarus erkunden – alles wirkt stilecht und dank des überaus gelungenen Anime-Looks weitgehend zeitlos.

Hohes Tempo in einem ausufernden Spiel

Dank des herausragenden Persona 5 Royal aus dem Jahr 2019 respektive dessen Ursprungsversion haben die Entwickler auch viel am Spielgefühl aufpoliert, sodass sich der Titel ähnlich wie besagte Fortsetzung anfühlt. Dies ist durchaus als Kompliment zu verstehen, gehört Persona 5 Royal doch zu den besten japanischen Rollenspielen aller Zeiten. Trotzdem haben die Entwickler nicht allzu viele Veränderungen am Inhalt vorgenommen, um das Spielgefühl des Originals beizubehalten. Deshalb gibt es im Remake mit Mut, Charisma und Wissen weiterhin nur die drei bekannten Sozialwerte, die sich mit der Bewältigung von Tätigkeiten verbessern lassen. Je höher unsere Werte ausfallen, desto mehr Charaktere wollen sich auf uns einlassen. Je nachdem welche Aufgaben wir in Iwatodai ausführen, verbessern sich unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, wodurch uns beispielsweise neue Persona-Fusionen zur Verfügung stehen. Persona 3 Reload folgt seinen Vorgängern rigoros, sodass sich der soziale Anteil mit den Ausflügen in den Tartarus die Waage hält. Den Entwicklern ist es abermals gelungen, beide Spielelemente hervorragend auszutarieren. Wir hechten nur so von einem Event zum nächsten und tauchen dabei in eine Menge faszinierender Erlebnisse ein – und dennoch kann das Abenteuer je nach Anspruch zwischen 70 und 150 Stunden verschlingen.

Kampfsystem mit taktischer Tiefe

Erwähnt haben wir sie bereits, aber noch nicht erklärt: Bei den titelgebenden Persona handelt es sich um Monster, die wir möglicherweise nach einem Kampf erhalten. Diese stufen wir parallel zu unserem Helden auf, wodurch diese nach und nach neue Spezialfähigkeiten erhalten, die wir in den rundenbasierten Kämpfen einsetzen. So sind manche Attacken effektiver gegen die Schatten als andere. Treffen wir Schwachpunkte, werden die Schatten kurzzeitig außer Gefecht gesetzt. Gelingt uns dies mit allen am Kampf beteiligten Schatten, können wir mit unserer gesamten Gruppe einen Großangriff starten. Es macht unglaublich viel Spaß, die Schwachpunkte der Gegner herauszufinden. Unterstützung erhalten wir von einer Mitschülerin, welche die Gegner extern analysiert und ihre Stärken und Schwächen aufweist. Da wir im Tartarus gegen immer stärkere Schatten antreten, müssen wir auch unsere gesammelten Persona zu immer mächtigeren Wesen fusionieren. So kommen wir früher oder später in den Genuss von Flächenzaubern oder Unterstützungsmagie, die noch mehr Taktik ins Spiel bringen. Sonderlich schwierig ist Persona 3 Reload in der Regel nicht, doch gerade zu Beginn ist es wichtig, die immense Wirkungskraft von Blockbefehl und Unterstützungsmagie kennenzulernen. Wir können euch aber vergewissern, dass das Spiel nach hinten raus viel leichter wird.

Nahezu unangetastetes Dungeondesign

Sollten wir uns dennoch verzetteln, können wir die Zeit beliebig oft um ein paar Tage zurückdrehen. Wir verlieren dann zwar jedweden Fortschritt, doch können wir so noch Anpassungen an unserer Gruppe vornehmen. Zum Beispiel lassen sich so Persona austauschen, die Charaktere trainieren oder bessere Ausrüstung erwerben. Trotz allem ist es schade, dass sich im Remake nicht viel am austauschbaren Dungeondesign getan hat. Wie in Persona 4 Golden setzt sich der Tartarus aus zufallsbasierten Ebenen zusammen. Gänge und orthogonal ausgerichtete Räume geben sich die Klinke in die Hand. Wer das nicht mag, dürfte weniger Spaß am Remake haben. Deutlich mehr Freude bereitet Persona 3 Reload im audiovisuellen Bereich, denn trotz der knackigen Grafik behält der Titel seinen sterilen Look bei, der aber irgendwie Charme hat. Bei der Musik wurden glücklicherweise einige Änderungen vorgenommen, sodass vor allem die nervigen Tracks der Vorgänger ausgedient haben. Unterm Strich bildet Persona 3 Reload vermutlich die beste Möglichkeit, das Spiel zu erleben. Anfang September 2024 erschien noch ein herunterladbarer Zusatzinhalt, der den Dialog aus Persona 3 FES enthält. Wie wir Atlus kennen, würde es uns nicht verwundern, wenn in Zukunft noch eine weitere Version erscheint, die sowohl diesen Content als auch die weibliche Spielfigur enthält. Wer auf Nummer sicher gehen will und mit dem Kauf liebäugelt, sollte also vielleicht noch etwas warten.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-5-Fassung): Nachdem ich im letzten Jahr Persona 3 Portable spielen und somit erstmals in das Universum des dritten Serienteils eintauchen konnte, kam ich um das Remake nicht herum. Um die 135 Stunden habe ich ins Spiel gesteckt und so gut wie keine Stunde davon bereut. Lediglich am Ende zieht sich das Abenteuer etwas, da es den Entwicklern nicht ganz so gut gelungen ist, die Tagesaufgaben wie in Persona 5 Royal zu verteilen. Auch wenn mir gerade dieser Aspekt die Platin-Trophäe verwehrt, habe ich dennoch jede Menge Spaß mit dem japanischen Rollenspiel. Es macht Laune, ein virtuelles Leben als Oberschüler zu führen und nachts Schatten zu bekämpfen. So gut wie alle Aktivitäten greifen wunderbar ineinander. Durch das Knüpfen zwischenmenschlicher Beziehungen lassen sich beispielsweise besondere Persona fusionieren. Kenne ich eine Nebenfigur gut genug, lerne ich vielleicht noch einen neuen Charakter kennen. Schneide ich bei den Zwischenprüfungen als Bester ab, erhalte ich als Belohnung seltene Items. Diese Aufwärtsspirale lässt sich beliebig oft weiterdrehen. Wer den dritten Teil bislang noch nicht gespielt hat, sollte auf jeden Fall zu Persona 3 Reload greifen, da es meiner Meinung nach die zugänglichste wie angenehmste Version darstellt. Dennoch geht es mir nicht in den Kopf, dass die Entwickler es abermals nicht geschafft haben, endlich eine definitive Version des Klassikers mit allen bekannten Inhalten zu erschaffen. Für mich riecht das ganz klar nach einer weiteren Version, die früher oder später einfach kommen muss. Wer solange nicht warten kann, greift jetzt zu.

Jonas Fazit (basierend auf der PlayStation-5-Fassung): Mit Persona 5 Royal ist die Reihe vollends im Kreise der großen Rollenspielnamen angekommen. Dementsprechend groß war die Erwartungshaltung an Persona 3 Reload. Im Kern hat Atlus die Persona-Spielerfahrung sehr gut eingefangen: Das Kampfsystem ist klasse, wenn auch zu simpel, die Figuren größtenteils interessant und die großartige Stimmung zieht uns direkt hinein in das Highschool-Setting. Einen großen Fokus legten die Entwickler auf Quality-of-Life-Elemente und dem Update des Kampfsystems. Dabei bleibt das Spiel seiner PlayStation-2-Vorlage leider in den falschen Punkten zu treu: Neue Inhalte und Aktivitäten oder eine gänzliche Überarbeitung der Social Links mit wertvollen Upgrades sowie zusätzlichen Charakter-Statuswerten hätten dem Spiel wirklich gutgetan. Die Feature-Dichte eines Persona 5 ist weit entfernt. Gleichzeitig gibt das strahlende Remake die originale Stimmung des Spiels fast vollends auf. Einige Gebiete wie das Wohnheim sind erschreckend schlecht belichtet und lassen die originale bedrückende Stimmung komplett vermissen. Thematisch bleibt alles beim Alten, die Figuren gefallen mir immer noch gut uns die Story kommt nach einem lahmen Start durchaus in Fahrt und kulminiert im emotionalen Finale. Bleibt zu hoffen, dass Atlus für das unabwendbare Persona-4-Remake die richtigen Schlüsse zieht.

Hinterlasse einen Kommentar