1994 legte Blizzard Entertainment mit Warcraft: Orcs & Humans die Grundlage zu einem der bedeutendsten Videospielfranchises unserer Zeit. Für das 2024 veröffentlichte Remaster hat der Konzern aber den damals wichtigsten Kerngedanken verworfen: Den Mehrspielermodus.
In den 1990er-Jahren hat die Technologie von Computern und Konsolen immense Sprünge hingelegt. Noch dazu entstanden verschiedene Genres oder sie zersplitterten in neue Untergattungen. Bereits 1989 legte das japanische Entwicklerstudio Technosoft mit Herzog Zwei den Grundstein für das Echtzeitstrategiespielgenre. 1992 erschien mit Dune II: Kampf um den Wüstenplaneten von den Westwood Studios ein weiterer Genrevertreter, der bei den Entwicklern von Silicon & Synapse hohe Wellen schlug. Den Entwicklern fehlte an der Umsetzung des Romanklassikers jedoch ein Mehrspielermodus. Also machten sich die hellen Köpfe an die Arbeit und entwickelten bis Ende 1994 den heutigen Klassiker Warcraft: Orcs & Humans. Obwohl der Multiplayer-Part bis zum Schluss auf der Kippe stand, ließ sich das inzwischen zu Blizzard Entertainment umbenannte Entwicklerstudio nicht beirren. Der Plan wurde nicht verworfen und heraus kam das vermutlich erste Echtzeitstrategiespiel mit Mehrspielermodus. Dreißig Jahre nach der Erstveröffentlichung hat sich Blizzard Entertainment dazu durchgerungen, die gesamte Warcraft-Trilogie in einer Sammlung erneut zu veröffentlichen. In der Warcraft Remastered Battle Chest genannten Gesamtausgabe bietet sich der erste Teil vor allem als Nostalgietrip an, der mit dem Remaster das Original aber weit in den Schatten stellt.
Von Orcs und Menschen
Warcraft berichtet vom Konflikt zwischen den untertitelgebenden Orcs und Menschen. 1994 war es durchaus möglich, eine Geschichte tiefgründiger zu erzählen, doch verzichtet Blizzard Entertainment damals wie heute darauf, allzu sehr ins Detail zu gehen. Stattdessen wählen wir zu Beginn des Spiels aus, ob wir lieber auf Seiten der blutrünstigen Orcs oder an der Seite der wehrlustigen Menschen spielen wollen. Genau genommen ist es jedoch egal, welche der beiden Kampagnen wir spielen, da die zu erfüllenden Aufgaben relativ identisch sind. Auch spielen sich beide Kriegsparteien gleich, sodass wir direkt nach Optik und Sympathie entscheiden sollten. Wer will, kann ja auch gleich beide Kampagnen hintereinander spielen und die kleinen, aber feinen Unterschiede erleben. Fans der jüngeren Spiele aus dem Warcraft-Universum wissen unlängst, dass das Ende der Orc-Kampagne als Kanon gilt, aber auch ein paar Ereignisse der Geschichte der Menschen sollen sich tatsächlich so zugetragen haben. Dennoch ist daran zu erkennen, dass Blizzard Entertainment anfangs keinerlei Interesse daran hatte, eine umfassende Story mit Hintergründen auszuarbeiten. Stattdessen steht das Gameplay voll und ganz im Mittelpunkt, das mit einem kleinen Augenzwinkern auch heute noch sehr viel Spaß macht, auch wenn nicht alle Mechaniken aus heutiger Sicht noch einwandfrei funktionieren.
Spannendes Gameplay
Beim Gameplay orientiert sich Warcraft sowohl im Original als auch im Remaster am Genrestandard der frühen 1990er-Jahre, Der Titel hebt sich jedoch mit klugen Innovationen vom Einheitsbrei ab. Vor allem ist Warcraft aufgrund seiner entschlackten Struktur und darüber hinaus für seine Zugänglichkeit bekannt. So starten wie eine der jeweils zwölf Missionen der Kampagne in der Regel mit einer Handvoll Einheiten und ein paar Ressourcen. Mit Arbeitern errichten wir neue Gebäude, die entweder neue Truppen wie die Kaserne produzieren, oder Platz für mehr Einheiten lassen. Für ein neues Gebäude benötigen wir Holz und Gold. Beide Ressourcen lassen sich mit Arbeitern in den Wäldern oder Goldminen der Fantasy-Welt Azeroth abbauen. Neue Einheiten benötigen in erster Linie Gold, doch auch Holz kommt zuweilen zur Geltung. Da wir immer nur eine Einheit pro Gebäude gleichzeitig ausbilden können und selbst der Tod eines Arbeiters uns teuer zu stehlen kommen kann, bleibt in Warcraft in jeder Partie bis zuletzt ein gewisser Nervenkitzel bestehen. Jede Einheit und jeder noch so kleine Verlust einer Ressource kann über Sieg und Niederlage entscheiden. Spätestens dann, wenn uns der Gegner mit seinen Truppen angreift, zeigt sich aber die Kehrseite des eigentlich spannenden Spielverlaufs, denn die Steuerung ist auch im Remaster ziemlich anstrengend.
Ungeahnter Komfort im Remaster
Versteht uns bitte nicht falsch: Warcraft: Orcs & Humans war damals ein Kind seiner Zeit und verschiedene Genres steckten in den frühen 1990er-Jahren noch in den Kinderschuhen. Wollen wir im Original, das ihr übrigens in der Warcraft Battle Chest gratis dazu erhaltet, mehrere Einheiten auswählen, so müssen wir dazu die Umschalttaste gedrückt halten und die Einheiten per Mausklick einzeln selektieren. Die Obergrenze liegt dann mit vier gleichzeitig zu kontrollierenden Einheiten auch noch ziemlich niedrig. Das Remaster lässt uns hier zum Glück bis zu zwölf Einheiten auswählen – auch können wir nun ganz einfach mittels Mauszeiger das Areal auslesen, in dem sich die zu selektierenden Truppen und Arbeiter befinden, und ihnen sogar individuelle Befehle erteilen. Wer das Original gespielt hat, dürfte sich darüber freuen, dass nicht immer für jede Aktion auf einen Button auf dem Interface geklickt werden muss, bevor der nächste Mausklick das Ziel trifft. Viele Eingaben sind nun kontextsensitiv und das ist eine ungeheure Verbesserung, wodurch sich Warcraft auch deutlich flüssiger spielen lässt. Leider werden diese Angaben nicht immer ausgeführt, sodass wir gerade beim Bewegungsbefehl oft mehrfach auf den Zielort klicken müssen. Bei Scharmützeln mit den gegnerischen Truppen bleibt es je nach Spielertyp aber nach wie vor sehr hektisch.
Ausgelassene Problemzonen
Letzteres liegt womöglich an der Spielgeschwindigkeit. Auf der Voreinstellung spielt sich Warcraft eher gemächlich, ist aber immer noch gut zu bedienen. Da aber gerade am Anfang einer Partie das Beschaffen von Ressourcen und das Aufbauen einer kleinen Armee sehr viel Zeit in Anspruch nehmen kann, erhöhen wir das Tempo bei eingerichteten Transportwegen zwischen Wäldern, Goldminen und Hauptquartier aufs Maximum. Kämpfe sind dadurch aber kaum mehr Herr zu werden, da auch die Feinde von der höheren Geschwindigkeit profitieren. Vor allem wenn wir es mit mehreren Angreifern gleichzeitig zu tun bekommen, reduzieren wir die Geschwindigkeit lieber, um Nah- wie Fernkämpfer und Heiler geschickt einsetzen zu können. Regelmäßiges Kontrollieren unserer Eingaben ist wichtig, da die künstliche Intelligenz der Einheiten im Original wie im Remaster erhebliche Mängel aufweist. Ansonsten kann es durchaus passieren, dass bestimmte Einheiten hilflos irgendwo verloren gehen, weil sie sich verlaufen haben. In zu schnellen Schlachten kann es wiederum vorkommen, dass unsere Truppe die vorzeitige Vernichtung erfährt, da die künstliche Intelligenz der Auffassung ist, sich lieber nicht den attackierenden Feinden in den Weg zu stellen. Hier hätten wir von Blizzard Entertainment zumindest für das Remaster dann doch deutlich mehr Feinschliff erwartet.
Nostalgisches Vergnügen
Überarbeitet wurde in jedem Falle die Grafik. Obwohl Warcraft in seiner Neuauflage altersbedingt natürlich nicht an jüngere Titel heranreichen kann, bietet der halbwegs bunte Grafikstil dennoch viele Gelegenheiten zum Schmunzeln. Fahren wir Katapulte auf oder lassen die Arbeiter auf ihr nächstes Projekt los, sieht das schlicht putzig aus. Puristen haben aber zum Glück jederzeit die Chance, auf den originalen Grafikstil von 1994 zu wechseln. Dieser hat unserer Meinung nach deutlich mehr Charme – und das Beste ist, dass wir auch dann nicht mehr auf den Komfort des Remasters verzichten müssen. Lediglich die charakterlose Schriftart bleibt in beiden Ansichten gleich hässlich. Unabhängig davon haben wir die Wahl, ob wir dem originalen und daher leicht blechernen Soundtrack hören oder uns von den überarbeiteten Klängen verwöhnen lassen. Neben den beiden Kampagnen können wir darüber hinaus auch im freien Spiel Krieg führen. Den eingangs erwähnten Mehrspielermodus, der 1994 das Highlight darstellte, hat Blizzard Entertainment ersatzlos gestrichen. Wollen wir mit Freunden auf den Nostalgietrip gehen, müssen wir zum Original wechseln – nur dank des sonst gelungenen Remasters gibt es für dieses eigentlich keinen Grund mehr, es überhaupt noch anzuschauen.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit: Warcraft gehört zu den bekanntesten Marken der Videospielwelt. 1994 gelang es Blizzard Entertainment, das Echtzeitstrategiespielgenre zu revolutionieren. Mehrere Einheiten gleichzeitig befehlen und sie dann noch in einem Mehrspielermodus aufeinander hetzen – das bot wahrlich nicht jedes Spiel. Auch wenn Warcraft: Orcs & Humans in puncto Storytelling selbst im Remaster den Kürzeren zieht, funktioniert zumindest das Gameplay auch Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung noch. Natürlich hat sich die Welt weitergedreht und auch das Genre hat sich entwickelt, doch handelt es sich bei Warcraft eben um ein Spiel aus den frühen 1990er-Jahren und muss auch so betrachtet werden. Jede einzelne Einheit, selbst wenn es sich dabei „nur“ um einen Arbeiter handelt, hat Gewicht. Sie nach einem Angriff zu ersetzen, kostet erst einmal Zeit und dann auch noch Ressourcen. Vor allem Gold liegt nicht in unbegrenztem Maße vor, weshalb jede Entscheidung gut durchdacht sein sollte. Schade finde ich jedoch, dass die künstliche Intelligenz, sowohl im Original als auch im Remaster, noch Mätzchen macht und die Steuerung gerade bei einem sehr hohen Spieltempo überaus fummelig ausfällt. So kommt es oft genug vor, dass ich im laufenden Spiel über das Optionsmenü die Geschwindigkeit drosseln oder erhöhen muss. Warcraft Remastered mag zwar, gerade aufgrund des wegrationalisierten Mehrspielermodus, nicht perfekt sein, doch ist es eindeutig die beste und vor allem zugänglichste Version dieses Klassikers.
Vielen Dank an Activision Blizzard für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Warcraft Remastered!