Review: Days Gone Remastered

Obwohl es zwischenzeitlich so aussah, als würde der Zombie-Hype abebben würde, kommen die Untoten, Beißer und wie sonst noch heißen immer wieder aus ihren Gräbern zurück. Auch die Freaker von Day Gone wollen im Remaster von Sonys Bend Studio eine weitere Runde.

Erzähltechnisch hat sich in Days Gone Remastered, das müssen wir euch mit einem leichten Bedauern mitteilen, nichts verändern. Wir schlüpfen abermals in die Rolle des Bikers Deacon St. John, der nach dem Ausbruch einer Pandemie von seiner Frau Sarah Irene Whitaker getrennt wurde. Seit zwei Jahren ist er mit seinem besten Freund William „Boozer“ Gray in einer fiktiven Version des US-amerikanischen Bundesstaats Oregon ohne jegliche Spur von ihr unterwegs. In dieser postapokalyptischen Welt ein Virus dazu geführt, dass sich der Großteil der Menschheit in so genannte Freaker verwandelt hat. Entsprechend sind alle politischen wie wirtschaftlichen und zu weiten Teilen gar gesellschaftliche Institutionen zusammengebrochen. Obwohl sich jeder selbst der Nächste ist, konnten sich diverse Gruppierungen herausbilden, um zumindest teilweise die Ordnung aufrechtzuerhalten. Obwohl Deacon und Boozer die Möglichkeit hätten, einem Camp beizutreten, leben sie zurückgezogen in ihrem Unterschlupf. Ihre Situation ändert sich aber, als Boozer sich über eine Wunde infiziert. Sie lernen, dass sie anderen Menschen vertrauen und für das Gemeinwohl kooperieren müssen. Zunächst klingt diese Story nach wenig Tiefgang. Sie entwickelt sich mit der Zeit jedoch dank vielschichtiger Beziehungen zu einem spannenden Geflecht aus Freundschaft, Romantik, Verrat und Rivalität.

Vielschichtige Figuren

Neben Deacon und Boozer freundet sich der Spieler beispielsweise mit der verbitterten Arbeitslagerleiterin Ada Tucker oder der hilfsbereiten Mechanikerin Rikki Patil an. Nach und nach kristallisieren sich aus der Charakterriege auch Gegenspieler heraus, die über Leichen gehen. Obwohl die Figuren oberflächlich betrachtet Stereotypen darstellen, werden sie vor allem in den zahlreichen Dialogen insofern charakterisiert, dass der Spieler beispielsweise über ihr Leben vor der Apokalypse erfährt. Days Gone zeichnet in puncto Handlung und Figurenkonstellationen ein wahrlich atmosphärisches Bild, das über vierzig bis fünfzig Spielstunden zum Leben erwacht. Der Vergleich mit populärkulturellen Werken wie etwa The Walking Dead ist durchaus passend, schließlich lebt die Serie nicht von einer ausgeklügelten Handlung, sondern vor allem von seinen Charakteren. Im Gegensatz zum erzählerischen Vorbild bietet Days Gone ab einem bestimmten Zeitpunkt immerhin eine stringente Story, die dann bis zum furiosen Finale durchweg unterhält. Dass sich der rote Faden erst finden muss, ist auch gut so, denn die Struktur des Spiels erinnert stark an Spiele wie Grand Theft Auto. In der frei begehbaren Welt fährt der Spieler mit seinem Motorrad von einem Camp zum nächsten, nimmt Aufträge per Funkgerät entgegen und erfüllt so eine Mission nach der anderen.

Spielwelt in der Apokalypse

Bei den Aufgaben handelt sich vor allem um Botengänge oder Exekutionsaufgaben. Hin und wieder verlangen die Bewohner oder gar Anführer der verschiedenen Camps nach besonderen Materialien. Manchmal verraten sie dem Spieler auch, dass sie von jemandem hintergangen wurden und fordern entsprechend von ihm, dass er die Drecksarbeit für sie erledigt. Ganz so entspanntes Cruisen durch die Spielwelt wie in Grand Theft Auto ist allerdings nicht möglich, denn hinter jedem Baum könnten Plünderer, religiöse Fanatiker oder Mörder lauern – ganz zu schweigen von den zehntausenden Freakern, die vor allem in der Nacht aktiv sind und sich gelegentlich gar zu Horden zusammenrotten, vor denen sich der Spieler vor allem zu Beginn des Abenteuers hüten muss. Da es sich bei Days Gone um ein Survival-Horror-Spiel handelt, dürfte einem jeden klar sein, dass Munition ein knappes Gut ist und entsprechend sinnvoll verwendet werden sollte. Über ein Item-Rad ist es möglich, besondere Gegenstände wie heilsame Verbände oder Molotowcocktails herzustellen, für deren Anfertigung jedoch die nötigen Materialien vorhanden sein müssen. Das heißt im Klartext, dass der Spieler stets dazu angehalten wird, in allen Ecken und Enden der Spielwelt, sprich in verlassenen Gebäuden oder in liegengebliebenen Fahrzeugen, nach den nötigen Herstellungsobjekten zu suchen.

Überlebende der Wildnis

Neben den überlebenswichtigen Items gibt es in der Spielwelt auch Collectibles zu sammeln, die jedoch nicht annähernd so stark in das Setting eintauchen lassen wie die Charaktere. Ebenfalls ist es möglich, Pflanzen zu ernten oder Jagd auf wilde Tiere zu machen. Gelegentlich kann es dann auch schon mal vorkommen, dass infizierte Bären oder ein Rudel Wölfe Deacon in einen Kampf auf Leben und Tod verwickeln. Zum Selbstschutz ist er mit einem rudimentären Messer ausgestattet, kann sich jedoch auch mit Nägeln, Schrott und einem geraden Stück Holz eine Nagelkeule zur Verteidigung herstellen. Notfalls müssen die Gegner in Brand gesteckt oder mit Blei vollgepumpt werden. Je nachdem kann dies aber auch herumstreifende Freaker anlocken. Pflanzen, Freaker-Ohren oder ausgeweidetes Tierfleisch können in den Camps gegen Punkte und Vertrauen eingetauscht werden, die jeweils für das jeweilige Lager gelten, in dem die beiden Währungen verdient worden sind. Je höher die Vertrauensstufe im Camp ist, desto mehr Waren wie Waffen oder Motorradteile stehen zum Erwerb zur Verfügung. Eine Investition in Erweiterungen des eigenen Bikes ist anfangs Gold wert, da nach der Einleitung das Vehikel von Fremden zerlegt wird und der Spieler damit quasi bei Null anfängt. Da auch das ständige Nachfüllen mit Benzin wichtig ist, scheint ein größerer Tank verlockend.

Funktionierende Mechanismen

Alle Gameplay-Elemente von Days Gone gehen fließend ineinander über und ergeben ein stimmiges Gesamtbild. Gelegentlich muss der Spieler abschätzen, wie weit er mit seinem Motorrad kommt und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, unterwegs einen Kanister mit Benzin zu finden. Da das Motorrad Schaden nehmen kann, sollte er auch immer genügend Ersatzteile zum Reparieren dabei haben. Obwohl das Spiel zum Ende hin durch das an Forschungsstationen regelmäßige Spritzen von Injektionen, die die Lebensenergie, die Ausdauer oder die Konzentration, das temporäre Verlangsamen der Zeit zum Zielen mit Pistole und Co, von Deacon permanent verlängert wird, eigentlich einfacher werden müsste, werden die Herausforderungen immer kniffliger. Bis zum Abspann und darüber hinaus funktionieren sämtliche Gameplay-Mechaniken hervorragend. Weniger gut funktioniert die Technik des Spiels auf der PlayStation 4. Zumindest die normale Ausgabe scheint mit Days Gone nach wie vor überfordert zu sein, wodurch hin und wieder die Bildwiederholungsrate in die Knie geht. Auch weitere technische Problemchen wie zu lange Ladezeiten, seltene Abstürze oder Freezes stören das Gesamtbild. Dies dürfte wohl auch der ausschlaggebende Grund dafür gewesen sein, dass der Publisher ein Remaster des Spiels in Auftrag gegeben hat, das für Versöhnung sorgen soll.

Aufpoliertes Spielvergnügen

Bedientechnisch fällt beim Remaster für die PlayStation 5 vor allem die gute Unterstützung des DualSense-Controllers auf, die vor allem Gebrauch von den adaptiven Triggern und der Rumble-Funktion machen. Auch wurde an den Features der Barrierefreiheit gefeilt, weshalb jetzt noch mehr Spieler, zum Beispiel mit ausgeprägter Farbenblindheit, Gefallen an Days Gone finden dürften. Darüber hinaus läuft der Titel im Gegensatz zur vorherigen Ausgabe konstant flüssig. Auch sind die Farben satter. An den Texturen wurde aber nur wenig gemacht und der markante Nebeleffekt des Originals wirkt abgeschwächt. Am wichtigsten dürften jedoch die verkürzten Ladezeiten sein, denn diese wurden im Remaster mehr als halbiert. Ebenso ist es möglich, sein Savegame von der PlayStation-4-Fassung zu importieren. Inhaltlich gibt es aber nur wenig Neues zu berichten. Die Entwickler haben nur kleinere Modi integriert, die das Gesamtwerk aufwerten. Im Permadeath-Modus heißt es beispielsweise endgültig oder wahlweise pro Kapitel Game Over, sobald wir sterben. Beim Speed-Run-Modus läuft außerhalb der Zwischensequenzen jederzeit die Uhr weiter. Im Hordenangriff müssen wir wiederum so lange wie möglich überleben und sammeln Erfahrungspunkte für weitere Durchgänge. All das wird von Nathan Whiteheads angenehmen Soundtrack teils so wunderbar unterlegt, dass der Abschied von den Charakteren am Ende von Day Gone umso schwerer fällt.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit: Wer Days Gone nicht spielen will, weil er oder sie glaubt, eine lahme Handlung mit Trash-Faktor zu spielen, verpasst einen der interessantesten Titel aus dem Jahr 2019. Auch ich hatte damals Vorurteile gegenüber dem Spiel und hätte niemals gedacht, dass sich die Storyline nach ein paar Startschwierigkeiten so gut entwickelt und mit tiefgründigen Charakteren aufwartet. Days Gone überrascht nicht nur mit seiner gelungenen Erzählweise oder seiner langen Spielzeit, sondern auch mit ineinandergreifenden Gameplay-Mechaniken. Ständig werde ich dazu motiviert, die Gegend nach hilfreichen Materialien abzusuchen, sie anschließend zu wertvolleren Gegenständen zusammenzusetzen und mich immer mehr in der Spielwelt zu verlieren. Das fiktive Oregon mag zwar an manchen Stellen etwas monoton wirken, doch entschädigen zahlreiche einzigartige Handlungsorte wie ein Staudamm, ein Elektrizitäts- und ein Sägewerk, eine Skihütte oder ein Camp an einem malerischen See. Die Jagd oder auch die manchmal vielleicht etwas zu hektische Flucht vor einer Horde Freaker macht unglaublich viel Spaß, den ich nicht mehr missen möchte. Days Gone beweist auch im Remaster dank zahlreicher technischer Verbesserungen wunderbar, wie gut ein Survival-Horror-Titel in einer offenen Spielwelt funktioniert. Wer sich für das Szenario interessiert und Fernsehserien wie The Walking Dead mag und das Original verpasst hat, kommt um Days Gone Remastered definitiv nicht herum und sollte dem Spiel unbedingt eine Chance geben. Kenner der PlayStation-4-Fassung sollten sich den erneuten Kauf aber gut überlegen, da es abseits der technischen Verbesserungen und zusätzlicher Modi keine bedeutenden Neuerungen gibt.

Vielen Dank an Sony Interactive Entertainment für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Days Gone Remastered!

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