2012 erschien mit Bravely Default ein japanisches Rollenspiel vom Silicon Studio, das sich an Genrevertretern aus den 1990er-Jahren orientiert. Zum Launch der Nintendo Switch 2 beehrte uns Publisher Square Enix mit einem hauptsächlich grafisch angepassten HD Remaster.
Von der Fachpresse erhielt das klassische japanische Rollenspiel für den Nintendo 3DS zum Release traumhafte Wertungen. Wer den Titel jedoch einmal durchgespielt hat, dürfte in den letzten Spielstunden regelrecht genervt gewesen sein. Ins Detail möchten wir an dieser Stelle nicht gehen, doch die letzten Stunden von Bravely Default: Flying Fairy ziehen sich auch im HD Remaster wie Kaugummi. Bis zu diesem Zeitpunkt kann das Abenteuer aber durchaus mit vielen Überraschungen und Wendungen sowie einem tollen Heldenquartett punkten. Im Spiel schlüpfen wir in die Rolle des Schafshirten Tiz Arrior, dessen Dorf mitsamt aller Einwohner und seiner Familie dem Erdboden gleichgemacht wird. Als einziger Überlebender will er den Grund für sein Überleben herausfinden. Schon während des Prologs treffen wir mit ihm auf die Vestalin des Windes, Agnès Oblige, welche die vier Kristalle in der Luxendarc genannten Welt erwecken will. Aufhalten will sie hingegen die Himmesritterin Edea Lee, die mit dem Gedankengut aufgewachsen ist, dass die Lehren der Kristallorthodoxie falsch sind. Trotzdem schließen sie sich zusammen und nehmen auch den an Amnesie leidenden Ringabel mit, der mit einem mysteriösen Tagebuch über noch nicht geschehene Ereignisse bestens im Bilde ist. Ebenfalls im Schlepptau ist die Fee Airy, welche Agnès bei ihrem Vorhaben weiter antreibt.
Spannende Heldenreise mit Einschränkungen
Schon nach kurzer Zeit schließen wir die illustren Helden ins Herz. Insbesondere die zwischenmenschliche Dynamik, die sich zwischen Edea und Ringabel entwickelt, gehört in unseren Augen mit zum Besten, was das Genre zu bieten hat. Voraussetzung hierfür ist, dass wir uns ähnlich wie in Tales of Graces f und Co auf die optionalen Gruppengespräche einlassen, in denen sich das Verhältnis der Figuren zueinander vertieft. Auch gefallen uns die zahlreichen Nebencharaktere, die uns im Verlauf des auf dutzende Stunden ausgelegten Abenteuers unterstützen oder uns behindern. So bleibt es dank sowohl humorvoller als auch tragischer Momente immer spannend, unterhaltsam oder mitreißend. Während der Heldenreise erkunden wir verschiedene Ortschaften, die beispielsweise in einem Blumenmeer aufblühen, mitten in der Wüste in den Himmel ragen oder unter einer massiven Schneedecke begraben sind. Auch die umliegenden Gebiete wie Ruinen oder Höhlen passen sich den klimatischen Verhältnissen an, wodurch ein stimmiges Gesamtbild der Welt Luxendarc entsteht. Schade ist lediglich, dass in den Städten nahezu alle Türen der Häuser verschlossen bleiben und die Architektur der Dungeons im Gegensatz zum Gameplay noch weiter in die Vergangenheit reicht. Gerade für das HD Remaster von Bravely Default hätten wir uns hier über ein paar neue Inhalte gefreut.
Titelgebende Kampfmechanik
Spannende Ideen lassen sich hingegen im klassisch rundenbasierten Kampfsystem des Rollenspiels finden. Beispielsweise haben wir in diesem die Möglichkeit, mit dem titelgebenden Default-Befehl Aktionen aufzusparen und in der Zwischenzeit mit den Figuren eine Verteidigungsstellung einzunehmen. Ein paar Runden später können wir dann mittels des ebenfalls titelgebenden Brave-Befehls mehrere Aktionen wie einfache Angriffe oder mächtige Zaubersprüche zielgerichtet auf die Gegner entfesseln. Auch mehrere Gegenstände können wir so verwenden, falls uns danach sein sollte. Selbstverständlich können wir auch direkt zu Kampfbeginn mehrere Aktionen hintereinander befehligen, doch sollten wir die Feinde dann nicht innerhalb einer Runde ausgeschaltet haben, sind wir den Gegnern gleich über mehrere Runden hinweg schutzlos ausgeliefert. Taktisches Abwägen ist hier also durchweg angesagt, das zudem mit prozentualen Boni auf Erfahrungspunkte und Co belohnt wird. Das ist insofern relevant, da schon auf dem normalen Schwierigkeitsgrad gegen Ende von Bravely Default relativ viel Grind von uns abverlangt wird, wenn wir die vier Recken für die durchaus harten Bossgegner aufleveln wollen. Auch die zahlreichen Berufe, die wir erlernen können, wollen auf diese Art und Weise über etliche Stunden hinweg aufs Maximum gebracht werden.
Tiefgreifendes Jobsystem
Besagte Jobs erinnern uns stark an den Super-Nintendo-Klassiker Final Fantasy V aus dem Jahr 1992. Sobald wir bestimmte Bossgegner besiegt haben, nehmen wir diesen ihre edelsteinförmigen Asterisken ab, die Zugriff auf neue Berufe geben, welche Agnès, Edea, Tiz und Ringabel ausüben können. Steigern wir in Bravely Default die Stufe eines erlernten Jobs, erhalten wir Zugriff auf eine neue Fähigkeit oder Attributsverbesserungen. So verbessern wir beispielsweise unsere Fähigkeiten im waffenlosen Kampf, der hilfreichen Weißmagie oder der destruktiven Schwarzmagie. Ein ausgewogenes Verhältnis in der Gruppe kann zudem hilfreich sein, um die Schwächen etwaiger Gegner gekonnt auszunutzen. Da kommt es uns nur gelegen, dass wir ausgewählte erlernte Fähigkeiten in bereits ausgeübten Jobs in unseren aktiven Beruf übertragen können. So dürfen auch mächtige Krieger im Notfall kleinere Wunden heilen oder Schwarzmagier auf die Abenteuerfähigkeiten des Freiberuflers setzen. Die Möglichkeiten sind denkbar groß, wobei es mit genügend Durchhaltevermögen beim Leveln und ein wenig Überlegung sogar Kombinationen gibt, welche die Spielmechanik derart heftig aushebeln, sodass selbst die stärksten Bossgegner am Ende keinerlei Bedrohungen mehr sind. Eine Korrektur des Schwierigkeitsgrades von Bravely Default hätte dem Spiel gut getan.
Gutes, aber nicht perfektes Remaster
In puncto Bedienung lässt sich der Titel wunderbar spielen, denn die Menüführung ist leicht verständlich. Auch die Orientierung ist bis auf den einen oder anderen verschachtelten Dungeon wenig kompliziert. Selbst die Kämpfe gehen leicht von der Hand und laufen schon nach wenigen Auseinandersetzungen fast automatisiert ab. Falls wir bestimmte Informationen über die Mechaniken oder die Welt an sich vergessen sollten, können wir auch im umfangreichen Kompendium nachschlagen, das sich regelmäßig mit neuen Inhalten füllt. Eine der wenigen Neuerungen sind zwei Minispiele, die sich im Hauptmenü verstecken – und auch nur bedingt Spaß machen. Unserer Meinung nach wurden die Entwicklungsressourcen beim verantwortlichen Entwicklerstudio Cattle Call hier falsch eingesetzt. Am ehesten ist der neue Anstrich an den verbesserten Grafiken zu sehen, die nun viel eleganter wirken. Gerade die Umgebungsgrafiken in den Städten erinnern entfernt an Titel wie SaGa Frontier 2. Lediglich in den Dungeons ist die 3DS-Herkunft genauso wenig zu leugnen wie bei den für Switch-2-Verhältnisse zu groben Charaktermodellen. Immerhin entschädigt dafür ein genialer Soundtrack von Komponist Revo der japanischen Gruppe Sound Horizon. Auch die einstigen StreetPass-Elemente vom 3DS funktionieren nun deutlich angenehmer, weshalb es sich bei Bravely Default: Flying Fairy – HD Remaster wahrhaftig um die beste Version des Rollenspielklassikers handelt.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der Switch-2- und 3DS-Fassung): Tatsächlich habe ich Bravely Default erst vor wenigen Jahren auf dem 3DS nachgeholt, obwohl das Spiel seit Release im Jahr 2013 bei mir im Regal steht. Ein sonderlich großer Fan des Spiels bin ich leider nicht, da mich gerade die Story in den letzten Spielstunden massiv enttäuscht hat. Repetitiv und gefühlt unendlich in die Länge gezogen fühlt sich das Finale an, was storytechnisch vielleicht Sinn ergibt, aber wenig Spaß bietet. Trotzdem handelt es sich bei dem Werk von Herausgeber Square Enix bis zu diesem Zeitpunkt um ein ordentliches japanisches Rollenspiel, das sich wunderbar an alten Tugenden orientiert und mit den Brave- und Default-Befehlen ein wenig Eigenständigkeit mit sich bringt, die sich später auch in Spielen wie Octopath Traveler manifestieren sollte. Die Story ist interessant wie motivierend und die Charaktere gut geschrieben und immer wieder für Überraschungen gut. Auch das Kampfsystem fluppt und unterhält mich dank des vielschichtigen Jobsystems über lange Zeit hinweg, auch wenn ich dafür auf dem normalen Schwierigkeitsgrad viel Zeit ins Aufleveln investieren muss, da einige Bosskämpfe gegen Ende echt knallhart sind. Weniger gut gefallen mir die recht linearen und teils schon schlauchartigen Dungeons und dass das HD Remaster vor allem an diesen Orten bei den Charaktermodellen die 3DS-Herkunft nicht ganz kaschieren kann. Die neuen Minispiele hätten sich die Entwickler in meinen Augen zudem echt schenken können, aber da diese sich gut im Hauptmenü verstecken und rein optional sind, lenken sie mich auch gar nicht vom Hauptspiel ab, das ja bis auf besagte Defizite durchaus einen Blick wert ist.
Vielen Dank an Square Enix für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Bravely Default: Flying Fairy – HD Remaster!