Review: Lady Snowblood [Neuedition] (Band 1)

Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird – mit diesem Zitat beginnt Quentin Jerome Tarantinos weltbekannter Film Kill Bill: Volume 1 aus dem Jahr 2003. Wer sich mit dem Regisseur bislang noch nicht allzu sehr auseinandergesetzt hat, weiß womöglich nicht, dass das Werk lose auf dem ursprünglich zweibändigen Manga Lady Snowblood aus den 1970er-Jahren basiert. Im Zuge des Popularitätsschubs japanischer Unterhaltungsmedien zu Beginn der 2000er-Jahre gelangte das Werk durch den Herausgeber Carlsen Manga auch in hiesige Gefilde. Mit der dreibändigen Neuauflage aus dem Jahr 2017 soll der von Koike Kazuo geschriebene und dem bereits 1986 verstorbenen Zeichner Kamimura Kazuo neue Fans gewinnen. Angesiedelt ist das Werk in der ersten Hälfte Meiji-Zeit, die für die japanische Geschichtsschreibung aufgrund der Öffnung zum Ausland eine Zeit des Umbruchs und der Veränderung darstellt. Vermutlich könnte es wohl keine bessere Epoche geben, um die titelgebende wie emanzipierte Lady Snowblood alias Kashima Yuki als starke Frauenfigur in einer immer noch von Männern dominierenden Welt zu etablieren. Trotz des starken Hintergrunds handelt es sich bei Lady Snowblood jedoch um eine vermeintlich simple Rachegeschichte, die aber zumindest bei genauerem Hinschauen hier und da etwas mehr Tiefgang als gedacht versprüht.

Vierfache Rachegeschichte

Yuki, was ins Deutsche übersetzt so viel wie Schnee bedeutet und dem Titel des Werks einen Sinn gibt, hat eine tragische Vergangenheit. Im Gefängnis geboren, wird sie in die Obhut einer Freundin ihrer kurz nach der Geburt verstorbenen Mutter übergeben. Dieser wurde Unrecht angetan, weshalb Yuki schon im Kindheitsalter keine Freude vergönnt ist. Sie wird von klein auf zu einer Auftragsmörderin ausgebildet. Kitahama Okono, Shōei Tokuichi, Takemura Banzō und Tsukamoto Ghishirō – diese vier Namen muss sie sich ein Leben lang einprägen, denn eines Tages soll sie Rache an jenen nehmen, die für den Tod ihrer Mutter, ihres Liebsten und ihres kleinen Bruders die Schuld tragen. Um an ihr Ziel zu gelangen, ist ihr jedes Mittel recht. So pflastern nicht nur Leichen ihren Weg. Selbstbestimmt muss sie auch einfachen Arbeitstätigkeiten nachgehen oder ihren Körper für sexuelle Dienste hergeben. Dementsprechend ist die Story sehr erwachsen und kompromisslos geschrieben, was auch für die teils freizügigen und unkaschierten Zeichnungen gilt. Trotz allem ist nicht immer der Mord das letzte Mittel. Auch das blanke Bloßstellen oder geschicktes Gegeneinanderausspielen gehört zu Yukis Repertoire. Eine Einleitung des Kulturkritikers Georg Seeßlen rundet den durchweg spannend inszenierten 516-seitign ersten Band mit einer informativen Einleitung recht gut ab.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der zweiten Auflage): Als Filmfan waren mir die Einflüsse auf Quentin Jerome Tarantinos Werk Kill Bill: Volume 1 durchaus bekannt. Die japanische Verfilmung des Mangas Lady Snowblood geschweige denn das gezeichnete Werk selbst blieb mir bislang jedoch außer Reichweite. Ich bin froh, dass ich dem Manga nach all der Zeit endlich seine wohlverdiente Chance geben konnte. Zwar kommt die Story in meinen Augen nicht über eine simple Rachegeschichte hinweg, doch sowohl die kulturellen und historischen Hintergründe als auch die Tragik im Leben der titelgebenden Auftragsmörderin reizen mich, eine Seite nach der anderen aufzuschlagen. Hinzu kommt, dass das Werk von Kamimura Kazuo und Koike Kazuo ungeschönt auf die einzelnen Situationen eingeht, in welche Yuki geworfen wird. Sowohl die Texte als auch die Zeichnungen sind erwachsen, düster und nicht zuletzt freizügig. Das erwachsene Publikum mit einem Faible für das Japan der Meiji-Zeit, Rachegeschichten und flotter Erzählkunst kommt um den ersten Band von Lady Snowblood wohl kaum herum.

Vielen Dank an Carlsen Manga für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Lady Snowblood [Neuedition] (Band 1)!

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