Review: Peter Pan’s Neverland Nightmare

Dass sich Kindergeschichten ebenfalls dazu eignen, sie in waschechte Horrorfilme zu verwandeln, hat bereits Winnie the Pooh: Blood and Honey trotz bescheidener Kritiken gezeigt. Als nächstes haben sich Scott Jeffrey und Rhys Frake-Waterfield an Peter Pan herangemacht.

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Geschichten rund um die Figur Peter Pan sowohl Kinder als auch erwachsene Leser verzaubert. Von dieser märchenhaften Prämisse ist in der Horrorfilmadaption aus dem Jahr 2025 nichts mehr übrig. Allenfalls in den verheißungsvollen Erzählungen des titelgebenden Zirkusclowns kann sich die Magie leicht entfalten. Trotz allem gelingt es Regisseur Scott Jeffrey, diese Vorstellungen mit allen Mitteln zu vernichten. Anstatt Abenteuer zu erleben und niemals erwachsen zu werden, entführt er kleine Jungs und verspricht ihnen, sie mit ins mysteriöse Nimmerland zu nehmen. Im Fokus von Peter Pan’s Neverland Nightmare steht die Entführung von Michael Darling, dessen Leben im Gegensatz zur Kinderbuchvorlage nicht sonderlich idyllisch verläuft. Zu einem guten Stück ist seine Familie als dysfunktional zu beschreiben: Von seinem Vater fehlt jede Spur, sein großer Bruder ist ständig knapp bei Kasse, die Mutter mit Schuldzuweisungen nicht weit, seine Freunde in der Schule lassen sich an einem Finger abzählen und seine ältere Schwester Wendy vergisst zu allem Übel auch noch seinen Geburtstag und lässt sich stattdessen lieber von ihrem Schwarm ablenken als ihren Bruder von der Schule abzuholen. Da ist es kein Wunder, dass Peter Pan mit seinem Lieferwagen leichtes Spiel beim Einfangen Michaels hat.

Überschreitende Handlungsstränge

Erzähltechnisch findet Peter Pan’s Neverland Nightmare auf zwei Ebenen statt. Einerseits berichtet der Horrorfilm von Michaels Gefangenschaft. Eingesperrt in einem abgewrackten Haus, die meiste Zeit jedoch in einem Kinderzimmer, in dem unaufhörlich ein laufender Fernseher als eine der wenigen Lichtquellen für eine unangenehme Atmosphäre sorgt, wird er dazu genötigt, Spiele mit Peter Pan zu spielen. Andererseits erhält der Zuschauer einen Einblick in das Leben von Wendy. Geplagt von Schuldgefühlen beschließt sie, zusammen mit ihrer Freundin Tiger Lily und ihrem kleinen Bruder Joey, nach Michael zu suchen. Zwischen den beiden Erzählsträngen wechselt der Antagonist hin und her, denn Michael ist ihm nicht genug. Ständig ist er auf der Suche nach neuen Kindern, die er mit ins Nimmerland nehmen will. Er schreckt auch nicht vor Mord zurück und geht regelmäßig über Leichen. Jeffrey versucht, den aller Widerstände zum Trotze alternden Peter Pan als tragische Figur hinzustellen, was ihm aber nur zum Teil gelingt. Dem Entführer und Mörder fehlt es an einer nachvollziehbaren Hintergrundgeschickte. Den Background erfährt der Zuschauer höchstens in Nebensätzen, die einfach nicht ausreichen, um seine Motive nachvollziehen zu können. Trotz allem heißt dies nicht, dass Peter Pan’s Neverland Nightmare nicht unterhaltsam sein kann – im Gegenteil!

Erinnerungsträchtige Slasher-Momente

Obwohl gerade der Mittelteil des Films sehr ruhig bleibt, kann die Inszenierung gerade in den ersten und letzten Minuten punkten. Hier zeigt der Streifen jede Menge genüsslicher Slasher-Momente, in denen der Zuschauer schon einen starken Magen braucht. Zertrümmerte und abgetrennte Gliedmaßen sprechen Bände! Selbst Bodyhorror-Enthusiasten kommen hier und da auf ihre Kosten. Bedauerlich ist jedoch, dass es dem Film an vielen Stellen an Eigenständigkeit fehlt. Mal zitiert Peter Pan’s Neverland Nightmare Stephen Edwin Kings Horrorroman Es beziehungsweise dessen Filmadaptionen und mal bleibt das Gefühl zurück, dass beim Durchbrechen einer Tür gleich Jack Nicholson wie in Stanley Kubricks Shining vor einem stehen könnte. Nicht ganz unschuldig darin dürfte Peter-Pan-Schauspieler Martin Portlock sein, der mit seinem fettigen und herabhängenden Haar sowie seinem mit Narben gezeichneten Gesicht immer dann für eine schaurige Stimmung sorgt, sobald er ins Bild tritt. Kenner der Vorlage dürfen sich auch auf ein Wiedersehen mit weiteren bekannten Charakteren freuen – nur eben passend für die Horrorfilmadaption interpretiert. Wer mehr über die Produktion von Peter Pan’s Neverland Nightmare erfahren will, findet im Bonusmaterial neben einem Making-of interessante Interviews sowie spannende Einblicke ins Casting. Toll!

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der Blu-ray-Fassung): Mit den großen Horrorfilmen, die zum Teil sogar bildsprachlich eine Zitation erfahren, kann Peter Pan’s Neverland Nightmare in meinen Augen nicht mithalten. Dafür ist er zu wenig eigenständig und verlässt sich zu sehr auf dem Genrestandard. Erhält Wendy Darling im Film einen Anruf, in dem es heißt, dass Peter Pan nach all der Zeit zurückgekehrt ist, wirkt das reichlich abgedroschen. Trotzdem kann der Film unterhalten, sofern der Zuschauer Wert auf gut inszenierte Slasher-Szenen legt und sich mit den Charakteren auch außerhalb des Films beschäftigen will. Gerade Hauptfigur Peter Pan kommt meiner Meinung nach wesentlich zu kurz. Seine Hintergründe bleiben weitgehend nebulös, was insbesondere bei der Hauptfigur kein gutes Zeichen ist. Zuweilen wirkt er auf mich wie ein Abklatsch von Stephen Edwin Kings Clown Pennywise. Die Momente, in denen die Figuren zwischenmenschlich aufblühen oder gar in ihre eigenen Abgründe hineinblicken, sind rar gesät. Dennoch gefällt die düstere Atmosphäre in der erwachsenen Horrorfilm-Interpretation des Peter-Pan-Stoffes. Da sich der Film auch ein kleines Hintertürchen für eine Fortsetzung offen lässt, bleibt zu hoffen, dass ein potenzieller Nachfolger die gröbsten Schnitzer ausbessert. Für einen verregneten Nachmittag eignet sich der Titel aber allemal.

Vielen Dank an Plaion Pictures für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Peter Pan’s Neverland Nightmare!

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