Wenn sich Videospiele über ihren Grafikstil identifizieren, müssen sie auch in spielerischer Hinsicht einiges leisten. Hirogami ist solch ein Titel, der nicht nur schick aussieht, sondern auch mit seinem Gameplay durchaus überzeugen kann – trotz ein paar kleinerer Schnitzer.
Obwohl die größtenteils aus Japan stammende Papierfaltkunst heutzutage weltweit wohlbekannt ist, erlebte Origami erst im 20. Jahrhundert dank des Japaners Yoshizawa Akira eine kleine Revolution, die weit über die klassischen Modelle wie zum Beispiel Kraniche hinausging. Auch bei den Bandai Namco Studios in Malaysia und Singapur muss die Technik Anklang gefunden haben, denn dort entstand mit Hirogami ein Platformer, in dem so gut wie alles aus Papier gefaltet ist. Diese Idee ist allerdings nicht neu, denn auch die Konkurrenz aus dem Hause Nintendo kam bereits mit Paper Mario: The Origami King aus dem Jahr 2020 auf den Gedanken, die einstig als Rollenspielserie gehandhabte Reihe in diese Richtung zu entwickeln. Aufgrund seines Platformer-Konstrukts ähnelt das im September 2025 von Kakehashi Games veröffentlichte Werk aber vielmehr einem anderen Klassiker: Wer sich noch an das überaus innovative Tearaway für die PlayStation Vita erinnert, darf genüsslich schweigen. Mit dem 2013 von Sony Computer Entertainment veröffentlichten Werk hat der Titel bis auf die eine oder andere Ähnlichkeit beim Aufbau der Level-Architektur aber nur wenig bis gar nichts gemein. Hirogami versucht von Beginn an auf eigenen Beinen zu stehen, was den Entwicklern bis auf die eine oder andere Ausnahme einigermaßen auch recht gut gelungen ist.
Verwandlungskünste à la Origami
Im auf circa fünf bis sechs Stunden ausgelegten Abenteuer schlüpfen wir in die Rolle der Origami-Figur Hiro. Dieser möchte mit seinem Leben abschließen, wird allerdings vom um sich greifenden Papierfraß eines Besseren belehrt. Er kann diese Welt nicht verlassen, wenn so viel auf dem Spiel steht, und will seine Freunde warnen. Obwohl sich Hiro nicht als Kämpfer versteht und eigentlich keine Lust hat, die Welt zu retten, wird er dennoch von seinem Dorf dazu auserkoren. Um dem Papierfraß, riesigen und mit Dornen überzogenen Ranken, Einhalt zu gebieten, wächst er im Verlauf des Abenteuers über sich hinaus, legt sich mit etlichen Biestern an und befreit Tiere, die vom Papierfraß eingewickelt wurden. Hirogami entpuppt sich mit der Zeit als typischer Platformer, gepaart mit ein paar Action-Adventure-Elementen. Wir laufen, hüpfen und setzten Spezialaktionen ein. Zu diesen Aktionen gehören verschiedene Verwandlungszauber in ein Gürteltier, in einen Frosch und in einen Gorilla. Diese verfügen allesamt über verschiedene Fähigkeiten, die sich im Verlauf des Abenteuers erweitern und verbessern lassen. Zum Lösen der Rätsel im Spiel ist dies auch bitter nötig. Beispielsweise können wir als Gürteltier Kisten zerstören, als Frosch bislang unerreichbare Plattformen per Sprung erreichen und als Gorilla Blöcke verschieben, die uns den Weg versperren.
Erinnerungen an Klassiker und Kollegen
Diese Manöver kennen Genrefans vermutlich auswendig. Das Tolle an Hirogami ist jedoch, dass sich die einzelnen Fähigkeiten der Verwandlungen mit der Zeit immer mehr verzahnen. Auch wenn die allermeisten Rätsel sofort durchschaubar sind, sorgt das stete Verändern des äußeren Erscheinungsbilds für sehr viel Abwechslung. Sobald wir eine neue Fähigkeit erlernt haben, lohnt sich hin und wieder auch der Besuch eines bereits abgeschlossenen Levels. So lassen sich dort wie im mit leichten Metroidvania-Elementen ausgestattete Shinobi: Art of Vengeance neue Geheimnisse finden. Dadurch, dass es pro Spielabschnitt wie in Kirby und das vergessene Land auch sechs Herausforderungsziele gibt, motiviert dies ohnehin. Im Regelfall kommt ihr kurz vor Schluss ohnehin nicht herum, den einen oder anderen Level noch einmal anzugehen, da ihr für das Finale eine gewisse Anzahl an goldenen Kranichen benötigt, von denen es bis zu drei pro Level zu ergattern gilt. Hier kommen wiederum Erinnerungen an Super Mario 64 und Co hoch. Neben dem Erkunden der Spielabschnitte und dem Lösen von Rätseln bekommen wir es aber auch mit Kämpfen zu tun. Um die Störenfriede in Hirogami zu bekämpfen, greifen wir entweder mit unserem Fächer an, spucken als Frosch Gift und Galle, überrollen die Gegner als Gürteltier oder malträtieren sie mit Schlägen in der Gorilla-Form.
Unschöne Unübersichtlichkeit
Bedientechnisch funktioniert das Spiel größtenteils ordentlich. Allerdings fallen uns dann und wann ein paar Aussetzer bei der Steuerung auf, wenn wir uns verwandeln wollen, die gerade ausgeübte Fähigkeit aber noch nicht die Freigabe gegeben hat. Manchmal hören wir auch nur das akustische Signal für die Fähigkeit, ohne dass davon etwas auf dem Bildschirm zu sehen ist. Während wir uns damit arrangieren können, ist die Kameraführung hingegen nicht immer ideal. Es gibt wirklich einige Stellen im Spiel, an denen wir zwingend mehr Übersichtlichkeit benötigen, die Perspektiven aber viel zu starr sind. So wirken vermeintlich einfache Stellen in Hirogami plötzlich unfair, da wir manchmal nicht sehen können, wohin wir laufen. Auch Abstände zwischen zwei Plattformen lassen sich nicht immer gut abschätzen, was zu unfreiwilligen Sprüngen in den Tod führt. Auch wenn wir gegen einen ganzen Gegnerhaufen kämpfen, verlieren wir schnell die Übersicht. Vor allem Perfektionisten dürften sich über diesen Umstand ärgern, da es unter den Herausforderungen mitunter Aufgaben gibt, einen Level unbeschadet abzuschließen. Der Schwierigkeitsgrad ist mit Ausnahme der letzten paar Spielabschnitte, die stellenweise schon zu anspruchsvoll sein können, aber dennoch eher als leicht einzustufen. Wer das Genre nicht so beherrscht, wird behutsam an die Hand genommen.
Frage nach der Eigenständigkeit
Ähnlich wie Paper Mario: The Origami King oder Tearaway ist die ganze Spielwelt von Hirogami aus Papier gebastelt. Lediglich manche Gegner, die ruhig etwas vielfältiger hätten sein können, fallen bewusst aus diesem Konzept heraus. Darüber hinaus stellt der Boden eines Levels oftmals eine riesige Wasserstelle dar, was für Papierfiguren natürlich unerträglich ist. Uns gefällt dieser Look sehr gut, zumal er detailreich gestaltet ist. Auch die Texturen von Umgebungsgrafiken und Charakteren wissen zusammen mit der leichten Stop-Motion-Animationsqualität zu überzeugen. Mit „epischen“ Grafikeinstellungen läuft das Spiel auf unserem Testrechner (Intel i5 13600K, GeForce RTX 4070, 32 GB DDR5 RAM) in der Full-HD-Auflösung zudem durchweg flüssig. Unterstützt wird der wunderbare Grafikstil mit sehr schönen Melodien, die überwiegend ein entspanntes Gefühl hervorrufen. Mit der Zeit haben wir uns auch dabei ertappt, wie wir ein paar der Melodien mitsummen. Auditiv erinnert der Soundtrack jedoch auch an die Musik von The Legend of Zelda: Breath of the Wild und The Legend of Zelda: Echoes of Wisdom. Ob dies nun eine bewusste oder unbewusste Designentscheidung war, sei einmal dahingestellt. Alle aufgezählten Einflüsse sind aber deutlich zu spüren und nehmen dem Spiel bis zu einem gewissen Grad die Eigenständigkeit. Davon abgesehen ist aber das, was übrig bleibt, richtig toll. Hirogami ist eine Empfehlung für Genrefans!
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Hirogami ist in spielerischer Hinsicht ein wirklich toller Platformer mit ein paar Action-Adventure-Elementen geworden. Es macht mir richtig viel Spaß, die Spielwelt zu erkunden und die Rätsel zu lösen, indem ich gelernte Fähigkeiten gezielt miteinander verbinde. Auch die Rückkehr an bereits besuchte Orte macht unter diesem Aspekt Sinn, um noch das eine oder andere Geheimnis zu lüften. Bei den Kämpfen bin ich hingegen zwiegespalten. Einerseits sind sie unterhaltsam und teils cool inszeniert. Andererseits verliere ich bei mehreren Gegnern gleichzeitig zu oft die Übersicht, was zu unfreiwilligen Treffern führt. Auch die Kamera, die sich nur minimal verändern lässt, ist an einigen Stellen für mich ein Graus, da nicht immer ganz klar ist, wie weit manche Plattformen voneinander entfernt sind, oder wohin ich laufe. Dafür gefällt mir das Spiel optisch ziemlich gut, da es wohlige Erinnerungen an eine meiner schönsten Videospielerfahrungen namens Tearaway weckt. Ebenfalls gefällt mir die Musik, auch wenn sie stark an die The-Legend-of-Zelda-Episoden der späten 2010er- und frühen 2020er-Jahre erinnert. Dennoch kommt niemand, der etwas für das Genre übrig hat, um Hirogami herum. Trotz seiner kurzen Spielzeit von etwa fünf bis sechs Stunden, die beim Komplettieren auch doppelt so lang sein kann, ist Hirogami durchweg unterhaltsam!
Vielen Dank an Kakehashi Games für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Hirogami!