Review: Mein Heimatland Japan

In Die letzten Glühwürmchen und Barfuss durch Hiroshima erlebten wir die Geschichten von Personen, die zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges viel Leid ertragen mussten. Der Anime Mein Heimatland Japan ist zehn Jahre nach dem Ende des Krieges angesiedelt und behandelt die Geschichte einer Grundschullehrerin, deren Bruder im Zweiten Weltkrieg fiel.

Japan beginnt sich nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg international wieder zu etablieren, Fernsehgeräte, Telefonapparate und Waschmaschinen finden langsam aber sicher den Weg in die japanischen Haushalte. In dieser Zeit des Umbruchs und des Fortschritts übernimmt die junge Lehrerin Rieko Sakamoto eine Grundschulklasse inmitten von Tokio. Die Klasse wächst außerdem um ein weiteres Mitglied, Shizu. Sie ist hübsch und talentiert und Klassensprecher Akira freundet sich schon bald mit ihr an. Rieko möchte indessen den regionalen Chorwettbewerb gewinnen und stellt neben Akira und Shizu vier weitere Kandidaten auf. Die gesamte Gruppe ist motiviert, denn sie möchte den letzten Wunsch des im Krieg gefallenen Bruders ihrer Lehrerin erfüllen. Dieser wollte, dass Rieko Lehrerin wird und ihren Schülern traditionelle, japanische Volkslieder beibringt. Anfangs läuft noch alles gut, doch als Akira und seine Freunde beim Stehlen erwischt werden, löst dies nur eine Reihe harter Schicksalsschläge aus, welche die Freunde mit ihrer Lehrerin bewältigen müssen.

Ausschnitt der Shōwa-Periode

Regisseur Akio Nishizawa zaubert eine liebevolle Geschichte auf den Bildschirm, welche mit lustigen Szenen und ernsten Begebenheiten vorangetrieben wird. Dabei verliert die Handlung niemals an Fahrt und wird möglichst realistisch geschildert, wie es Japan nach dem Zweiten Weltkrieg ergangen ist. Er bedient sich dabei an Erinnerungen seiner Jugendzeit und vermischt diese gekonnt mit fiktiven Ereignissen. So wird beispielsweise oft gesagt, dass sich in den Dreißiger Jahren der Shōwa-Periode (1951-1960) Waschmaschinen und Kühlschränke in den japanischen Haushalten verbreiteten, doch in Wahrheit war dies erst in den frühen Vierziger Jahren dieser Epoche der Fall. Nishizawa zeigt in seinem zweiten Film hervorragend, wie es damals vor sich ging. So waren Akiras Eltern im Film nicht besonders reich, sie können sich noch kein Telefon leisten, obwohl der Vater es dringend für seinen Beruf bräuchte. So kommt er auch in die Versuchung, das Familienerbstück (ein altes Samurai-Katana) zu versetzen. An dieser Stelle möchte uns der Regisseur auch zeigen, dass Traditionen weiterbestehen sollten und verarbeitet dies in einem weiteren Merkmal des Films.

Tradition und Musik

In Mein Heimatland Japan geht es vor allem im letzten Drittel des Films um Musik. Doyo (Lieder, die ihren Anfang in einer Kinderzeitschrift fanden und Gefühle ausdrücken sollen) und Shoka (Lieder, die seit Beginn der Meiji-Ära für Grundschulen und Junior High Schools entwickelt werden) werden ganz klar thematisiert. Es wird uns die Schönheit alter japanischer Volkslieder vermittelt und dank sympathischer und gut durchdachter Charaktere funktioniert das Vorhaben sehr, sehr gut. Optisch besticht der Film im 16:9-Format mit vielen Blau-, Braun- und Grautönen, was der Atmosphäre der damaligen Zeit sehr zu Gute kommt. Die deutsche und auch die japanische Tonspur sind ebenfalls sehr gut gelungen, jede Stimme passt auch zu dem Charakter, welcher ihr zugeordnet ist. Untertitel sind auf Deutsch und Polnisch enthalten. Bis auf wenige Trailer sucht man Bonusmaterial auch auf der Disc von Mein Heimatland Japan vergebens. Dafür liegt dem Film aber ein 24-seitiges Booklet bei, welches mit Wissen des Regisseurs und historisch aufgelisteten Fakten punktet. Neunzig Minuten Laufzeit können nach dem Sehen von Die letzten Glühwürmchen und Mein Heimatland Japan nicht besser investiert werden.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der DVD-Fassung): Nachdem ich mir Die letzten Glühwürmchen und Barfuss durch Hiroshima angeschaut habe, habe ich mich sehr auf Mein Heimatland Japan gefreut, da die Filme in gewisser Weise chronologisch angeordnet sind. Vom Krieg, der Zerstörung hin zum Frieden, des Wiederaufbau Japans zu erleben, hat schon etwas. Der Stil des Films gefällt mir, da er die Atmosphäre der damaligen Zeit perfekt einfängt und mit der musikalischen Begleitung ein schlüssiges Gesamtbild ergibt. Auch die indirekte Aussage über Traditionen, dass diese gewahrt bleiben sollen, hat mir gut gefallen, denn auch ich bin dieser Meinung. Man sollte offen für Neues sein, doch auch wissen, woher man kommt. Die Geschichte von Mein Heimatland Japan kann ich mir ebenfalls immer mal wieder anschauen, da sie wie eine Kurzgeschichte gehalten ist: Ein offener Anfang und ein offenes Ende machen den Film zu einem Werk, das immer wieder zum Interpretieren einlädt. Grundsätzlich kann ich dem Film jedem empfehlen, der sich mit der japanischen Geschichte zwischen 1940 und 1960 auseinandersetzen möchte. Am besten sollte man sich dann aber noch Die letzten Glühwürmchen und Barfuss durch Hiroshima angucken, um Hintergrundwissen zu sammeln.

Vielen Dank an Anime Virtual für die freundliche Bereitstellung von Mein Heimatland Japan!

Ein Kommentar zu “Review: Mein Heimatland Japan

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