Liebhaber klassischer Musik stoßen nicht selten über Stücke von Beethoven, Mozart, Bach, Chopin oder anderen Komponisten in der Medienwelt. The Piano Forest versetzt uns in die Sicht eines Grundschülers, der diese Musik spielen und lieben lernt.
Als es seiner Großmutter gesundheitlich schlecht geht und seine Mutter sich um sie kümmern muss, muss der Grundschüler Shuhei Amamiya im Sommer eine andere Schule besuchen. Als er sich seinen Klassenkameraden höflich vorstellt, teilt er ihnen mit, dass er leidenschaftlich gerne Klavier spielt. Die Raufbolde der Klasse ziehen ihn daraufhin später auf. Da kommt es ihnen wie gerufen, dass im Wald ein altes Piano steht. Sie fordern ihn zu einer Mutprobe – er soll sich in den Wald begeben und auf dem Piano spielen. Er stellt sich der Aufgabe und lernt dabei den hyperaktiven Kai Ichinose kennen, auch ein Schüler der Moriwaki-Grundschule. Es heißt zwar, dass das Piano für jeden unspielbar sein soll, doch Kai behauptet, dass er auf dem Instrument trotzdem spielen kann. Die Behauptung stellt sich als wahr heraus, als sich die beiden in den Wald begeben und sich das Piano einmal genauer anschauen. Verblassende und dumpfe Töne sind das einzige, was Shuhei aus diesem herauslocken kann. Kai jedoch, der keinerlei Ahnung von Noten und Strophen hat, kann auf magische Art und Weise problemlos auf dem Piano herumklimpern. Obwohl die beiden rein gar nichts miteinander gemeinsam haben, werden sie dennoch Freunde und teilen ihre Vorliebe für Mozart und Chopin. Sie werden aber schon bald zu Rivalen, denn ein Musikwettbewerb steht an und ihr Musiklehrer, dem das mysteriöse Piano früher gehörte, möchte Kai im Klavierspielen unterrichten
Musikalische Reise
In erster Linie möchte der Anime, basierend auf der Manga-Reihe, eine magische und fiktive Begebenheit erläutern. Dazu nutzt er die Möglichkeiten der klassischen Musik, um die Story des Films vernünftig vorantreiben zu können. Das gelingt auch überwiegend, doch wer sich mit der für den einzelnen eventuell zu abgehobenen Ausgangssituation nicht anfreunden kann, wird der Geschichte vermutlich bald überdrüssig werden. Diese ist, wenn man eben von der fantastischen Grundstruktur absieht, aber dennoch schön inszeniert. Es ist die Geschichte von zwei Jungen, die Freundschaft miteinander knüpfen, obwohl sie nichts miteinander gemein haben. Die Musik ist das entscheidende Element, was die beiden Charaktere zusammenhält – und das auch im letzten Drittel des Films, wenn es um den Musikwettbewerb gibt. Musik ist hier nicht nur etwas wunderbares für unser Gehör, sondern auch für das Gemüt von Kai und Shuhei. Der Anime möchte hier vermitteln, wie wichtig es für einen angehenden Musiker ist, seinen eigenen Stil zu finden, die Musik in sich aufzunehmen und so zu interpretieren, dass man selbst mit seinem Werk glücklich ist. Bis Kai diese Erkenntnis erlangt, wird er dabei des Öfteren von den Geistern verstorbener Musiker heimgesucht, die ihn unterstützen, ihn sogar fördern wollen. Leider denkt Kai fast bis zum Ende des Wettbewerbs das Gegenteil.
Musik verbindet
Es ist jedoch falsch The Piano Forest als Musikfilm zu bezeichnen. Sicherlich ist die Musik das ausschlaggebende Element, welches für den Zusammenhalt aller Szenen vonnöten ist – die Handlung beruft sich allerdings auf ganz andere Werte. So erfahren wir zum Beispiel, dass Shuheis Vater ein berühmter Komponist ist und er in seinem späteren Leben in dessen Fußstapfen treten möchte. Zudem ist seine Familie sehr reich, was im krassen Gegensatz zum Leben von Kai steht. Kais Mutter arbeitet, obwohl es an keiner Stelle explizit gesagt wird, vermutlich als Escort. Ihre Wohnung ist sehr klein und sie tut alles dafür, dass sie und Kai anständig leben können. Etwas von Kais Vater erfahren wir in The Piano Forest nicht. Es sind die vielen kleinen Ideen von sozialen Werten und Freundschaft, die The Piano Forest auszeichnen. Der im 16:9-Format gehaltene Film kann des Weiteren mit Sound in DTS-HD Master Audio 5.1 überzeugen, in dem die japanische, deutsche, französische und italienische Tonspur zu hören sind. Untertitel gibt es aber nur in Deutsch, Niederländisch, Französisch und Italienisch. Für die Umsetzung des Animes zeichnet sich übrigens Studio Madhouse verantwortlich. Fans des Studios wissen, dass sie bereits mit Summer Wars zwei Jahre nach der Fertigstellung von The Piano Forest einen grandiosen Anime auf die Leinwand gezaubert haben. Ähnlich fantasievoll ist auch The Piano Forest über seine ganzen 97 Minuten Laufzeit.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der Blu-ray-Fassung): Wenn ich von mir behaupten würde, dass ich mich mit klassischer Musik auch nur ein wenig auskenne, so müsste ich lügen. Trotzdem kenne ich prägnante Stücke von Beethoven oder Chopin, da sie oft in vielerlei Filmen und auch Serien ausgelutscht werden. In The Piano Forest wird die Musik zu einem elementaren Bestandteil der Geschichte – ohne sie ergibt die Handlung des Animes keinen Sinn. Die gute Einbindung der bekannten und auch weniger bekannten Stücke hingegen ist gelegentlich aber nur zweckmäßig, um die Szenen miteinander zu verbinden. Der Film konzentriert sich daher mehr auf seine Charaktere und weniger auf die Musik. Ein Musikfilm im klassischen Sinne ist The Piano Forest also nicht, aber dennoch dürfen hier meiner Meinung nach auch Liebhaber von klassischer Musik einen Blick riskieren. Sie müssen sich aber damit abfinden, dass die Story um Kai und Shuhei sehr fantasievoll und weniger realistisch gestaltet ist. Besonders der Teil um das mysteriöse Piano im Wald wird es in der Realität wohl kaum geben. Wer mit dieser Einschränkung oder Erweiterung (je nachdem aus welchem Blickwinkel man es betrachtet) leben kann, wird in The Piano Forest einen schönen Film finden, den man sich wunderbar an einem Abend anschauen kann, an welchem man sich nach Ruhe und Erholung sehnt.
Vielen Dank an Anime Virtual für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von The Piano Forest!