Review: Anarchy Reigns

Anarchy Reigns (1)Zweifellos sind Titel des renommierten Entwicklerstudios Platinum Games wie Vanquish und Bayonetta extrem wertige Spiele. Die offizielle Aussage, Anarchy Reigns soll ihr letzter Titel der aktuellen Konsolengeneration werden, sollte uns Spieler nachdenklich stimmen.

Anarchy Reigns (2)Oft ist der Reiz unter Entwicklern groß, noch schleunigst ein letztes Spiel auf den Markt zu bringen, um mit Hilfe der millionenfach verkauften Konsolen einen möglichst hohen Gewinn zu erwirtschaften. Anarchy Reigns macht sich keine große Mühe eine attraktive Geschichte zu erzählen und fokussiert sich fast vollends auf den Multiplayer-Anteil. Der Singleplayer-Part ist generell nur eine zusammengebastelte Dreingabe, die uns dank des japanischen Designs, der absurden Charaktermodelle und der gravierenden spielzeitbedingten Kurzweiligkeit für fünf bis acht Stunden unterhält. Müssten wir Anarchy Reigns einem Genre zuordnen, würden wir es als ein 3D-Beat-‚em-up bezeichnen. Vor der ersten Mission dürfen wir uns entscheiden, ob wir das Spiel lieber auf der Seite des Kopfgeldjägers Jack Cayman, den Fans noch aus dem Wii-Spiel MadWorld kennen, oder des Agenten Leonhardt Victorion beginnen wollen. Beide, angetrieben von unterschiedlichen Motiven, sind auf der Suche nach Max Caxton. Anfangs klingt das vielleicht noch nach einer halbwegs interessanten Story, formt sich im Spielverlauf jedoch zu einer total fortschrittslosen Handlung, die in einem Ende mit offenen Fragen gipfelt. Bereits zu Beginn fehlt uns der Durchblick in Bezug auf die Charaktere, doch den brauchen wir zum Glück nicht, um uns in der anarchistischen und futuristischen Welt zurecht zu finden, da uns bis auf vereinzelte Verbündete ohnehin jeder Mensch und Mutant feindlich gesinnt ist.

 Anarchischer Singleplayer-Modus

Anarchy Reigns (3)So bleibt und nichts anderes übrig, als rohe Gewalt anzuwenden. Glücklicherweise sind alle spielbaren Charaktere extrem durchtrainiert und können mit wuchtigen Schlägen auch schon mal ganze Straßenzüge zum Erzittern bringen. Die Gegnerhorden halten, abhängig vom Schwierigkeitsgrad, meist nicht mehr als zwei oder drei von diesen Schlägen aus. Die meisten Auseinandersetzungen werden deswegen im Nahkampf gelöst und nur wenige Charaktere besitzen Fernkampf-Techniken, die zudem noch Spezialattacken sind und deswegen begrenzt oft zur Verfügung stehen. Der dafür benötigte Spezialattackenbalken füllt sich mit jedem gelandeten Treffer von leichten und schweren Schlägen wieder auf, trotzdem sollte man damit haushalten. Wenn nichts anderes mehr hilft, können wir unseren Kontrahenten auch packen und umherschleudern. Das gilt auch für interagierbare Gegenstände wie etwa rote Fässer oder Straßenlaternen, die mit Leichtigkeit zu gefährlichen Wurfgeschossen umfunktioniert werden können. Klassische aus Beat ’em ups bekannte Funktionen wie das Blocken und Springen gibt es auch. Das Sprinten gestaltet sich jedoch als unbequem, da unsere Spielfigur nach Sekunden des normalen Laufens automatisch an Geschwindigkeit gewinnt. Im Multiplayer-Modus wird so dummerweise verhindert, dass wir zum Beispiel nach Erhaschen der gegnerischen Fahne in Capture the Flag auf Knopfdruck die Beine in die Hand nehmen können.

Belohnte Mordlust

Anarchy Reigns (4)Für jeden besiegten Gegner werden unserem Konto eine bestimmte Anzahl an Punkten gut geschrieben, die sich danach richtet, wie groß der Gegner oder unser Combo-Zähler war.  Das ist auch wichtig, denn Punkte definieren in Anarchy Reigns den Spielfortschritt. In jedem der insgesamt vier Spielabschnitte müssen wir eine bestimmte Anzahl an Punkten erreichen, um in den nächsten vordringen zu dürfen. Die nervigen Einzelgegner auf den Straßen bieten dafür eine Möglichkeit, aber am schnellsten sammelt man Punkte mit Hilfe der wiederholbaren Nebenaufgaben, die wie die storyrelevanten Missionen, ebenfalls durch Punkte freigeschaltet werden. Ein Spieler mit Erfahrung wird die vier Gebiete sehr schnell meistern können, auch wenn man für das vollständige Ende eines jedes Areals dieses sogar doppelt besuchen müsste. Das Spielprinzip ist eindeutig nicht auf eine lange Spielzeit ausgelegt, aber obwohl das Spiel ab der Hälfte um einiges repetitiver wird, hätte das Spiel auf jeden Fall länger sein müssen. Das sehr gute Treffer-Feedback, bestehend aus audiovisueller Befriedigung durch zerfetzende Gegner, deren martialische Todesschreie und den dazu immer passenden Vibrationen unseres Controllers, versucht sein Übriges, um die Kämpfe spaßiger zu gestalten. Im Endeffekt hilft aber auch das nicht mehr, obwohl die Missionen abwechslungsreich ausfallen. Gegnerhorden in Fahrzeugen dürfen ebenso in Angriff genommen werden wie etwaige Eskortmissionen.

Herzstück Multiplayer

Anarchy Reigns (5)Loben müssen wir zudem noch die kreativen Bossgegner, die eindeutig zu den Highlights von Anarchy Reigns gehören. Positiv ist auch, dass wir in den Optionen zwischen der japanischen und vier europäischen Sprachen entscheiden können. Das müssen wir auch, denn Anarchy Reigns bekam weder eine deutsche Synchronisation noch deutsche Untertitel spendiert. Das ist mehr als merkwürdig, da sonst von Japanisch bis Spanisch alle gewohnten Sprachen zur Verfügung stehen. Grafische Defizite gibt es auch, denn sowohl im Einzelspieler- als auch im Mehrspielermodus sind unscharfe und verwaschene Texturen mit nervigen Pop-ups am Ende der aktuellen Konsolengeneration nicht mehr akzeptabel. Kräftige Farben, die dem durchaus abgedrehten japanischen Spiel gut täten, fehlen ebenso. Die CGI-Zwischensequenzen sind dagegen richtig ansehnlich. 16 spielbare Charaktere und über zehn Spielmodi garantieren im Mehrspielermodus außerdem für reichlich Abwechslung. Zur Zeit sind leider sehr wenig Spieler online (zumindest auf Microsofts Xbox 360), sodass wir selten Spieler mit gleichen Einstellungen zum Testzeitpunkt Ende Januar 2013 gefunden haben. Zum Glück können wir auch gegen Computergegner antreten. Viele freischaltbare Extras motivieren uns durchgehend zum Weiterspielen. Offline freuen wir uns über Konzeptzeichnungen und Charakterdesigns, online hingegen erhalten wir langfristige Vorteile in Form von ausrüstbaren Verbesserungen.

Geschrieben von Jonas Maier

Jonas‘ Fazit (basierend auf der Xbox-360-Fassung): Das Beste an Anarchy Reigns ist neben dem Multiplayer-Modus immer noch der absurde japanische Flair, vertreten durch den aberwitzigen Gewaltgrad, dem durchgedrehten Humor und vor allem durch das visuelle Charakterdesign. Bei den grafischen Schwächen kann ich dadurch noch ein Auge zudrücken, obwohl mich die Weitsicht stark an The Legend of Zelda: Skyward Sword erinnert, nur mit dem kleinen Unterschied, dass sich Nintendo der technischen Limitierung der Nintendo Wii bewusst für den Unschärfe-Effekt entschieden hat. In Anarchy Reigns sieht das leider, so Leid es mir auch tut, einfach nicht gut aus. Beim belanglosen Singleplayer-Anteil, wo die Konsole natürlich auch noch weniger berechnen muss, geht das einfach nicht mehr. Die empörende Spielzeitstreckung am Ende des Spiels, mit der ich noch einmal offenkundig daran erinnert werde, wie eintönig das Kampfsystem nach einiger Zeit doch werden kann, fällt mir ebenfalls negativ auf. Da Anarchy Reigns jedoch ein sehr spezielles Spiel ist, freue ich mich trotzdem, dass es noch seinen Weg nach Europa geschafft hat und dort noch den einen oder anderen Käufer finden wird, dem ich eventuell zu einem späteren Zeitpunkt online begegne.

Vielen Dank an Sega und Deep Silver für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Anarchy Reigns!

Ein Kommentar zu “Review: Anarchy Reigns

  1. „Der Singleplayer-Part ist generell nur eine zusammengebastelte Dreingabe, die uns dank des japanischen Designs, der absurden Charaktermodelle und der gravierenden spielzeitbedingten Kurzweiligkeit für fünf bis acht Stunden unterhält.“

    Na immerhin gibt es noch einen Singleplayer. Das ist ja heutzutage schon einiges wert. In was für einer Welt spiele ich eigentlich!? *Kopfschüttel*

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