Animes, die auf einem Videospiel beruhen, sind eher selten. Noch seltener erscheinen sie im westlichen Raum, denn oftmals erscheint das zugehörige Spiel hier ebenfalls nicht. Canaan, welches auf 428: Fūsasareta Shibuya de basiert, ist eine der Ausnahmen.
Jenes Videospiel, welches damals unter anderem für die Wii erschienen ist, beschäftigt sich jedoch nicht vollständig mit dem Charakter Canaan, denn nur das zweite Bonus-Szenario dreht sich um sie. Das Kapitel dieses japanischen Adventures wurde damals zwar von Type-Moon (unter anderem bekannt durch The Garden of Sinners) beigesteuert, doch der Anime ist ein pures Werk von P.A. Works. Das macht jedoch nichts, da die Handlung des Animes auch so sehr gut zu verstehen ist. Canaan dreht sich um die titelgebende Heldin Canaan, die damals noch als Kind und nach einem Krieg zu einer Soldatin beziehungsweise Attentäterin von dem mysteriösen Siam ausgebildet wird. Dieser hat jedoch neben ihr noch eine andere Schülerin gehabt, die sich schlussendlich für seinen Tod verantwortlich zeichnen muss. Während diese Schülerin den Hass in sich aufleben lässt, verliert Canaan ihren Lebenswillen. Diesen erlangt sie erst wieder, als sie auf die junge Maria Ōsawa stößt und diese ihre beste Freundin wird. Es dauert nicht lange, dann werden die beiden wieder getrennt. Das Schicksal führt sie jedoch in der ersten Episode des Animes wieder zusammen, denn Maria arbeitet mittlerweile mit ihrem Kollegen Minoru Minorikawa als Fotografin. Ihr Auftrag führt sie ins chinesische Shanghai, doch statt ihre Arbeit zu erledigen, werden die beiden in einen Komplott hineingezogen.
Innerer Konflikt
Dreizehn Episoden umfasst der Anime und bietet uns in dieser Zeit einen recht interessanten Einblick in das Leben einer beziehungsweise mehrerer Attentäterinnen. Ihre Arbeit erinnert jedoch nicht an Agent 47 (Hitman: Absolution), sondern ist weitaus brachialer und bei weitem nicht so taktisch. Der Anime legt dabei größeren Wert auf eine ausgeklügelte Handlung, die sich erst einmal zusammensetzen muss. Von Beginn an wissen wir nämlich nur wenig von den einzelnen Charakteren und ihrer (gemeinsamen) Vergangenheit. Der Großteil erschließt sich uns erst beim Ansehen der Episoden. So schafft es der Anime die Spannung aufrecht zu erhalten, doch kommt die Handlung dabei leider nicht über das Mittelmaß heraus. Das liegt vor allem daran, dass die Charaktere unterschiedliche Werte verkörpern und diese nach außen demonstrieren. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind zwar ebenfalls zu spüren, doch sind diese eher zweitrangig. Auf ein gemeinsames Ziel arbeiten die Charaktere leider nicht hin. Bis zum Schluss gibt es zwar deutliche Antagonisten, welche sich selbst zum Teil auch nicht riechen können, doch der Konflikt zwischen den Charakteren bleibt auf einem geringen Niveau. Viel mehr ist es der innere Konflikt, den Canaan und ihre Gegenspielerin überwinden müssen. Ob ihnen das gelingen wird, verraten wir euch an dieser Stelle nicht.
Beklemmende Atmosphäre
Durchgehend schafft es der Anime eine beklemmende Atmosphäre zu erzeugen. Nur selten, beispielsweise wenn Maria und Minoru eine Bar besuchen oder Yunyun auftritt, lockert sich die Stimmung. Passenderweise wird die Atmosphäre mit einem erwachsenen Anime-Stil in den dreizehn Episoden dargestellt. Dieser erinnert uns, obwohl der Anime nicht von Sunrise stammt, an Cowboy Bebop. Das heißt somit, dass die grafischen Elemente der Serie zwar alle hübsch gezeichnet, aber mit einer leichten Unschärfe überzogen sind. Unterlegt wird die Serie mit einem bedrückenden Soundtrack, welcher die Atmosphäre nochmals um eine Stufe beklemmender erscheinen lässt. Bekannte Synchronsprecher wie Ozan Ünal, Natasche Geisler oder Kristina Tietz bereichern die deutsche Tonfassung. Ebenfalls zu hören ist übrigens Stefan Gossler in der Rolle des Siam. Die meisten von euch werden ihn sicherlich als den oft genutzten Synchronsprecher von Jackie Chan kennen. Die deutsche Synchronisation wirkt nie aufgesetzt, doch das japanische Original ist ein klein wenig ergreifender. Als Bonusmaterial liegen auf den drei DVDs (auf Blu-ray erscheint die Serie aus unerklärlichen Gründen nicht) ein textfreies Opening und Ending, diverse Trailer zu anderen Animes und eine Übersicht zu den Charakteren nach Episode 9 vor. Besonders nach einer Unterbrechung ist diese hilfreich.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der DVD-Fassung): Ich finde es sehr schade, dass so manche Animes hierzulande nur auf DVD erscheinen, obwohl die Werke in Japan bereits auf Blu-ray vorliegen. Trotzdem habe ich mich an Canaan gewagt und wurde nur wenig enttäuscht. Die Handlung von Canaan gehört sicherlich nicht zum Besten, was man im Anime-Bereich kennt. Dennoch können die unterschiedlichen Charaktere unterhalten. Das liegt vor allem an immer wieder auftauchenden Nebenfiguren, wie zum Beispiel den Taxifahrer, der mit diversen und nicht immer passenden Kommentaren die Hauptdarsteller unterhält und sozusagen als kurze Überbrückung zwischen einzelnen Stationen dient. Die Orte sind ebenfalls vielfältig, denn die Reise führt Maria und ihre Freunde nicht nur nach Shanghai, sondern auch ins Umland, wo eine zerstörte Stadt, ein geheimes Forschungslabor und ein eigentlich ausrangierter Zug auf sie warten. Abwechslung und Action sind durchgehend gegeben, doch gefällt es mir nicht so gut, dass die Handlung dabei leider nicht über das Mittelmaß hinausragt. Das gleichen die Charaktere aber locker wieder aus, denn diese müssen meist jeweils einen inneren Konflikt überwinden. Auf diesem Weg erlangt der Anime zwar doch noch Herz und Seele, aber falls ihr mehr Wert auf eine ausgeklügelte Handlung statt Ästhetik und Metaphorik legt, dann solltet ihr euch Alternativen suchen.
Vielen Dank an Universum Film für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Canaan (Komplettbox)!