Bereits 2010 erschien Ghost Trick: Phantom-Detektiv für den Nintendo DS in Japan. Obwohl es das Spiel auch nach Europa schaffte, blieb der große Erfolg aus. Mit der Neuauflage in HD versucht Capcom das Spiel 2023 einem deutlich größeren Publikum zugänglich zu machen.
Niemand geringeres als Takumi Shū steckt hinter der ausgeklügelten Handlung des Adventures Ghost Trick: Phantom-Detektiv. Schon in den Ace-Attorney-Spielen hat die Entwicklerlegende unter Beweis gestellt, dass er Geschichten in Videospielen erzählen kann. Mit illustren wie durchgeknallten Figuren, einem unverbrauchten Szenario und zahlreichen intelligenten Story-Wendungen gelang es ihm 2009, eine spannende Story auf die kleinen Bildschirme des Nintendo DS zu zaubern. Fast anderthalb Jahrzehnte später ist von dieser Magie gar nichts verpufft, denn die Neuauflage glänzt mit hochaufgelösten Texturen auf der Switch, der PlayStation 4, der Xbox One und dem PC. Inhaltlich beginnt das Spiel mit etwas, dass sich viel zu wenige Szenarien trauen, und zwar mit dem Tod der Spielfigur. Offenbar liegen wir erschossen auf einem Schrottplatz und müssen in Geistergestalt herausfinden, was mit uns geschehen ist. Kurz darauf stolpern wir über die Leiche einer jungen Frau. Von einer sprechenden Lampe erfahren wir, dass wir als Geist mit der Umgebung interagieren und den Tod anderer Lebewesen rückgängig machen können, indem wir die Zeit auf vier Minuten vor dem Eintritt des Exitus zurückdrehen. Wie könnte es auch anders sein, funktioniert dies allerdings nicht bei der eigenen Leiche. Da wir aber schon mal tot sind, helfen wir der Verstorbenen.
Humorvolle Handlung mit abgedrehten Charakteren
Ziel von Ghost Trick ist das Herausfinden der eigenen Todesumstände. Dadurch, dass wir im Verlauf der auf zwölf bis fünfzehn Spielstunden ausgelegten Story immer wieder Leben retten müssen, und auch nach der Wiederbelebung auf einer spirituellen Bewusstseinsebene mit den Geretteten sprechen können, werden wir immer tiefer in das Gesamtkonstrukt der Geschichte gerissen, in dem auch wir überraschenderweise schnell einen Platz finden. Es macht sehr viel Spaß, durch die gut geschriebenen Dialoge in die Spielwelt einzutauchen, mehr über die Figuren herauszufinden und zu versuchen, eigene Schlüsse aus den Zusammenhängen zu ziehen. Unter anderem lernen wir die Nachwuchskommissarin Lynne, den Zwergspitz Rakete oder sogar den Justizminister des nicht näher definierten Handlungsortes kennen. Geschrieben sind die Dialoge passend zu den jeweiligen Situationen. Dennoch vergisst die Story niemals ihren Unterhaltungswert. Dadurch, dass manche Charaktere aneinander vorbeireden oder selbst in den düstersten Momenten einen Schenkelklopfer reißen müssen, bleibt die Geschichte stets humorvoll. Das ist auch am Charakterdesign zu erkennen. Kommissar Cabanela tanzt bei jedem seiner Auftritte und auf der Halbglatze des lediglich als Taubenmann beschriebenen ehemaligen Gerichtsmediziners flattert, wie könnte es auch anders sein, schlicht eine Taube.
Dünnes, aber funktionales Gameplay
In puncto Storytelling gibt es, auch aufgrund der zahlreichen Wendungen und Überraschungen, genauso wenig etwas zu meckern wie am durchgedrehten Charakterdesign. Problematisch sieht es wiederum beim Gameplay aus, das ein wenig zu schmalspurig ausfällt. So bewegen wir uns von einem Knotenpunkt in der Geisterwelt zum anderen und müssen hier und da mit den Objekten interagieren. Damit gelangen wir an weitere Orte oder lösen im jeweiligen Kapitel eine Kettenreaktion an Ereignissen aus, die insbesondere beim Verhindern eines Todes einer Spielfigur unverzichtbar ist. Auch wenn es Spaß macht, herauszufinden, welche Knöpfe und Schalter wir aktivieren müssen, ist das Konzept leider nicht ausgereift. Oftmals gibt es nur eine einzige Lösung zum Erfolg und eine falsche Entscheidung zieht häufig den Game-Over-Bildschirm nach sich. Wir haben zwar stets die Möglichkeit, vom letzten Kontrollpunkt aus erneut ins Geschehen einzugreifen, doch ist dies je nach Schwierigkeit störend, da wir klitzekleine Details übersehen können. Auf Dauer artet dies zu sehr ins Versuch-und-Irrtum-Prinzip aus, was Capcom gerade in der HD-Neuauflage hätte ausbessern dürfen. All das macht Ghost Trick aber keineswegs zu einem schlechten Spiel. Es ist sogar ein Werk, das uns noch lange im Gedächtnis bleiben wird – es hätte nur ein bisschen besser sein können.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-4-Fassung): Obwohl ich die Möglichkeit hatte, habe ich das Spiel auf dem Nintendo DS leider nie gespielt. Ein großer Fehler, wie ich feststellen musste. Ich bin nämlich sehr froh darüber, dass ich den Titel auf der PlayStation 4 nachholen konnte. Die Geschichte ist grandios geschrieben und bietet mit ihren schrulligen Charakteren bis zum Abspann viele Wendungen und Überraschungen, die ich so nicht erahnen kann. Zwar könnte das Gameplay für meinen Geschmack ein wenig umfang- und facettenreicher sein, doch reicht es aus, mich zusammen mit der Story fünfzehn Stunden bei Laune zu halten. Auch gefallen mir die überarbeiteten Grafiken – an die DS-Herkunft ist nirgends zu denken. Ebenfalls angepasst ist der Soundtrack, der mit seinen Melodien stets den richtigen Ton trifft. Für die HD-Neuauflage hätte ich mir neben ein paar Verbesserungen im Gameplay jedoch auch eine Sprachausgabe, zumindest auf Japanisch oder Englisch, gewünscht. Nichtsdestotrotz ist Ghost Trick: Phantom-Detektiv ein Adventure geworden, das jeder Genre-Fan in seinem Leben unbedingt einmal gespielt haben sollte.
Vielen Dank an Capcom für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Ghost Trick: Phantom-Detektiv!