Review: Pikmin 1+2

Mit Pikmin erschuf Nintendos Mastermind Miyamoto Shigeru Ende 2001 einen Geniestreich auf dem gerade in Japan veröffentlichten GameCube. 2004 folgte mit Pikmin 2 die überdachte Fortsetzung. Für die Neuveröffentlichung auf der Switch packt Nintendo die Titel unter dem Alias Pikmin 1+2 zusammen.

Vielen Videospielfirmen wird nachgesagt, dass sie zu sehr auf ihre bestehenden Marken setzen und sich keine Gedanken um neue Franchises machen. Obwohl Nintendo vermutlich viel zu oft auf Allzweckwaffe Super Mario setzt, springen manche Spiele plötzlich aus der Reihe. Pikmin ist eines dieser Spiele, die auf dem GameCube im Jahr 2001 und im darauf folgenden Jahr außerhalb Japans für Furore sorgten. Die Legende besagt, dass Produzent Miyamoto die Idee zum Echtzeit-Strategie-Titel bei der heimischen Gartenarbeit oder genauer gesagt beim Beobachten einer Ameisenkolonie gekommen ist. Wir können froh sein, dass es solche kreativen Köpfe gibt, denn Pikmin zeigt wie kaum ein vergleichbares Spiel, wie das Genre auf einer Konsole funktioniert. So setzt das Spielprinzip auf einen Charakter, der quasi als Mauszeigerersatz herhält und als Mittelpunkt des Geschehens dient. Bei dieser Spielfigur handelt es sich um Captain Olimar, der mit seinem Raumschiff, der Dolphin, auf einem für ihn fremden, für uns aber bekannten Planeten abstürzt. Bis ihm die Luft ausgeht, verbleiben dreißig In-Game-Tage. In dieser Zeitspanne freundet er sich mit den kleinen wie titelgebenden Pikmin an. Anhand von riesigen Grashalmen wird schnell klar, wie winzig auch wir sind. In der Haut von Olimar befehligen wir die Wesen, geben ihnen Aufgaben wie das Sammeln von Ressourcen und schicken sie Kämpfe gegen gefräßige Monster, die Käfern und Vögeln ähneln.

Echtzeit-Strategie mit Puzzle-Elementen

Selbst wenn ihr Pikmin noch nicht gespielt habt, dürfte euch beim Betrachten der Screenshots nicht entgangen sein, dass es verschiedenfarbige Helfer gibt. Rote Pikmin sind feuerfest, gelbe Pikmin können Felsbomben zum Einreißen von Wänden transportieren und blaue Pikmin verfügen über die Fähigkeit, unter Wasser zu atmen. Pikmin 2 ergänzt das Trio um weiße Pikmin, die vergrabene Gegenstände ausgraben können und resistent gegenüber Gift sind. Die lilafarbenen Pikmin sind hingegen kräftiger und eignen sich besonders dazu, größere Objekte zu transportieren oder stärkere Gegner schnell und effektiv auszuschalten. Sowohl Pikmin als auch Pikmin 2 fühlen sich daher nicht nur wie ein Echtzeit-Strategiespiel an, sondern in gewisser Weise auch wie ein Action-Adventure, das hin und wieder auch auf Puzzle-Elemente setzt. Ist beispielsweise ein schmaler Deich mit einem Karton versperrt sowie links und rechts von Wasser umsäumt, müssen wir uns zunächst ein paar blaue Pikmin schnappen und durchs Wasser waten. Anschließend werfen wir die Pikmin hinter den Karton, um diesen aus dem Weg zu schieben. Da es schwierig ist, wasserscheue Pikmin-Horden über den deichartigen Weg zu führen, suchen wir eine geeignete Stelle zum Hochwerfen roter Pikmin und ziehen schlussendlich alleine ins nächste Areal, wo die roten Pikmin bereits auf uns warten. Klasse!

In den Wahnsinn treibende Truppenbefehle

2001 wie heute macht Pikmin richtig viel Spaß, auch wenn uns die künstliche Intelligenz der Charaktere hin und wieder in den Wahnsinn treibt. Damit sich die Pikmin vermehren, müssen sie Knopfprimeln oder getötete Fressfeinde aufsammeln und zu ihrem Habitat, einer Zwiebel, schleppen. Wenn wir unkontrolliert Pikmin auf ihr Opfer werfen, agieren die kleinen Kerlchen zwar bis zu einem gewissen Grad ausgezeichnet, doch wenn es dort nichts mehr für sie zu tun gibt, verharren sie oft an Ort und Stelle, anstatt zu Olimar zurückzukehren. Bei Pikmin 2 fällt das nicht mehr ganz so negativ auf, doch gerade wer die Annehmlichkeiten von Pikmin 4 gewöhnt ist, dürfte dann und wann auch schon mal den Fernseher anbrüllen. Haben die Pikmin dann doch einmal Knopfprimel oder Leichnam zurück zur Zwiebel transportiert, können wir weitere Pikmin der jeweiligen Farbe ernten. So vergrößern sich nach und nach unsere Truppen. Es sei aber gesagt, dass wir maximal einhundert Pikmin mit uns führen können. So sollten wir uns also gut überlegen, welche Pikmin-Einheiten wir für die nächste Direktive brauchen. Sobald wir eines der verhältnismäßig kleinen Gebiete betreten, müssen wir uns erst einmal orientieren, wodurch das Gameplay in jedem Areal nur langsam Fahrt aufnimmt. Sobald wir uns zurechtfinden, drehen sich bei uns im Kopf aber derart schnell die Rädchen, in welcher Reihenfolge wir unsere Ziele abarbeiten. Wir kommen so richtig in den Spielfluss.

Abenteuer mit und ohne Zeitlimit

In puncto Spielziele bauen Pikmin als auch Pikmin 2 auf einem ähnlichen Konzept auf, unterscheiden sich aber dennoch. So ist es in Pikmin unsere Aufgabe, die beim Absturz abhandengekommenen dreißig Raumschiffteile binnen dreißig Tagen zu sammeln. Tatsächlich sind ein paar Raumschiffteile rein optional, weshalb wir den Titel nicht zu einhundert Prozent beenden müssen. Theoretisch arbeiten wir damit ständig unter Zeitdruck, doch ist das nur halb so wild. Selbst wenn ihr gemütlich arbeitet, dürfte die Zeit locker ausreichen. Fürs Durchspielen haben wir beispielsweise zweiundzwanzig Tage gebraucht. Es geht aber noch sehr viel schneller und effektiver, wenn ihr das mit circa sechs bis sieben Stunden Spielzeit recht kurze Abenteuer bereits kennt. Pikmin 2 knüpft erzähltechnisch an den ersten Teil an. Die Dolphin ist repariert, weshalb das Zeitlimit wegfällt. Allerdings ist Olimars Arbeitgeber während seiner Abwesenheit in die Miesen gerutscht. Er hat einen kräftigen Berg Schulden, den es nun abzuarbeiten gilt. Mit seinem Arbeitskollegen Louie geht es für Olimar zurück auf die Erde, um dort nach Schätzen zu suchen, mit denen die Firma schlussendlich gerettet werden kann. Hier bleibt uns alle Zeit der Welt, sodass wir auch länger in einem Gebiet bleiben können als es unbedingt nötig sein müsste. Fans von Wohlfühlspielen fühlen sich bei Pikmin 2 sehr gut aufgehoben.

Erweiterte Gameplay-Mechaniken

Darüber hinaus bietet Pikmin 2 aus dem Jahr 2004 mehr Möglichkeiten als der erste Teil, was nicht nur an den bereits angesprochenen weißen und lilafarbenen Pikmin liegt. Dadurch, dass Louie mit von der Partie ist, können wir unsere Kapazitäten bündeln und aufteilen. Beispielsweise dauert das Ernten von Pikmin zu zweit nur halb so lang. Wollen oder müssen wir hingegen ein Areal von zwei Seiten einkesseln, können wir Olimar und Louie auch unabhängig voneinander spielen. Nach der Veröffentlichung von Pikmin 4 fühlt sich der zweite Serienteil aber ein wenig rückständig an, da wir Louie anders wie Weltraumhund Otschin keine Befehle geben können. Das heißt, dass wir jeden einzelnen Schritt selbst vornehmen müssen. Da uns die Zeit nicht im Nacken hängt, gibt es für das Aufteilen also nur Gründe, wenn es das Spiel tatsächlich von uns fordert. Darüber hinaus experimentiert Pikmin 2 als erster Serienteil mit Items. Sammeln wir Früchte, können wir mit daraus hergestellten Sprays unsere Pikmin stärken oder unsere Feinde schwächen. Hinzu kommen Ausflüge in den Untergrund. Wir steigen an vordefinierten Stellen in Höhlen hinab, die aus mehreren Ebenen bestehen. Auch hier gibt es leichte Puzzles zu lösen oder zumindest Pikmin geschickt aufzuteilen und einzusetzen. An allen Ecken und Enden finden wir hier Schätze zum Reduzieren des hohen Schuldenbetrags.

Gelungene Abenteuer mit erwartbaren Schwächen

Abseits der Story bieten beide Spiele noch ein paar Extras. In Pikmin können wir die besuchten Areale in einem Challenge-Modus bestreiten. Hier müssen wir dann möglichst viele Pikmin pflücken. Am Ende landen wir auf einer Bestenliste. Pikmin 2 bietet zusätzlich einen Zwei-Spieler-Modus. Im Splitscreen müssen wir vor unserem Konkurrenten genügend Murmeln sammeln, um zu gewinnen. Leider funktionieren diese Modi nicht online. Auch dass die Kampagne von Pikmin 2 nicht kooperativ offline gespielt werden kann, ist äußerst schade. Im Jahr 2004 wäre dies technisch sicherlich möglich gewesen – und auf der Switch im Jahr 2023 sowieso. Auch viele unscharfe Texturen, das Fehlen von Komfortfunktionen wie freies Speichern oder einer Lock-on-Funktion in Kämpfen zeigen, dass Nintendo beide Spiele schlicht und einfach auf die Switch portiert und nur mit einer höheren Auflösung ausgestattet hat. Gerade in einem Jahr, in dem Nintendo mit Metroid Prime: Remastered oder Advance Wars 1+2: Re-Boot Camp gezeigt hat, wie Spiele generalüberholt werden können, ist das bei diesen GameCube-Klassikern bedauerlich und mehr als nur eine verpasste Chance. Das macht aus beiden auf der Cartridge enthaltenen Titeln wahrhaftig keine schlechten Spiele. Nintendo hat aber bereits bewiesen, dass es besser geht. Somit bleibt das Doppelpack am ehesten für jene Spieler interessant, die vor allem ältere Titel mögen und beide Spiele noch nicht kennen!

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf den Switch-, Wii- und GameCube-Fassungen): Pikmin war im Jahr 2002 mein viertes GameCube-Spiel. Trotz der kurzen Spielzeit habe ich damals über Monate hinweg viel Zeit ins Abenteuer gesteckt. Den zweiten Teil habe ich erst 2009 in der New-Play-Control-Variante auf der Wii gespielt – und ebenfalls wieder viel Zeit versenkt. Beide Spiele sind, gerade was die künstliche Intelligenz der Pikmin und die Kameraperspektive angeht, definitiv nicht perfekt. Dennoch haben beide Titel in den 2000er-Jahren die Echtzeit-Strategie auf Konsolen in gewisser Weise definiert. Es macht für einen alten Hasen wie mir auch im Jahr 2023 noch jede Menge Spaß, mit Olimar und Louie sowohl Wälder als auch Höhlen zu erkunden, Objekte mit den Pikmin zu sammeln und hitzige Kämpfe mit ihnen auszutragen. Das Doppelpack hat auf der Switch nur ein nicht unerhebliches Problem: Es sind schlichte Portierungen vom GameCube beziehungsweise von der Wii. Soll heißen, dass die Spiele in puncto Gameplay inhaltsgleich sind, es keine spürbaren Verbesserungen gibt und Komfortfunktionen oder Online-Modi fehlen. Für alle, die mit dem Umfangsmonster Pikmin 4 in die Reihe eingestiegen sind, gibt es eigentlich keinen vernünftigen Grund, die Anfänge der Reihe zu ergründen. Es sei denn, ihr seid Sammler, kennt die Originale nicht oder steht viel eher auf Retro-Kram und wollt eine liebgewonnene Videospielreihe in ihrer Gänze erleben – dann und auch nur dann ist Pikmin 1+2 eine wirklich sehr, sehr lohnenswerte Investition.

Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Pikmin 1+2!

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