Review: Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück

2016 erschien mit Meisterdetektiv Pikachu ein drei Kapitel umfassender eShop-Titel in Japan, der 2018 als eigenständiges und erweitertes 3DS-Spiel weltweit für Furore sorgte. Meisterdetektiv Pikachu führt die offene Handlung fort, bleibt aber weit hinter den Erwartungen zurück.

Während die Pokémon-Hauptreihe mit den Switch-Episoden in den Augen von Fans schwächelt, können gerade die Spin-offs wie New Pokémon Snap oder Pokémon-Legenden: Arceus punkten. Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück könnte sich in diese Riege einreihen, doch hat sich Entwicklerstudio Creatures die Kritik am 3DS-Vorgänger kaum bis gar nicht zu Herzen genommen. Unter anderem fahren die Entwickler dieselbe Schiene, die sie mit dem Seriendebüt gelegt haben. Entsprechend enttäuscht dürften gerade langjährige Fans des Franchises sein. Im auf etwa zehn bis fünfzehn Stunden ausgelegten Adventure schlüpfen wir erneut in die Haut des jungen Nachwuchsdetektivs Tim Goodman. Dieser klärt zusammen mit seinem Partner-Pokémon, einem sprechenden Pikachu, das aber nur er verstehen kann, in der fiktiven Metropole Ryme City verschiedene Verbrechen auf. All dies geschieht vor dem Hintergrund des Verschwindens von Tims Vater Harry. Seit den Geschehnissen des Seriendebüts sind inzwischen zwei Jahre vergangen. Von Harry fehlt noch jede Spur, weshalb Tim und Pikachu bei ihrer Ermittlung Augen und Ohren offen halten. Zu Beginn von Meisterdetektiv Pikachu werden die beiden herbeizitiert, um den Diebstahl eines ominösen Edelsteins aufzuklären. Die Ermittlung bringt jedoch mehr und mehr eine weitreichende Verschwörung ans Tageslicht.

Eingeschränkte Erkundungsfreiheit

Beim Gameplay orientiert sich das Adventure stark am Vorgänger. So erkunden wir unter anderem Ryme City mit einer Villa und einem Park. Weitere Handlungsorte wie alte Ruinen oder eine Vollzugsanstalt für Pokémon gehören ebenfalls zum Repertoire der Inhalte. Erkunden heißt in diesem Fall, dass wir auffällige Objekte untersuchen und uns mit den anwesenden Menschen und dank Dolmetscher Pikachu auch mit Pokémon unterhalten, um an Informationen zu gelangen. Zwischendurch teilt sich das Duo auch schon mal auf. So spielen wir gelegentlich mit Tim oder Pikachu im Alleingang. Letzteres ist deutlich interessanter, da es in Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück möglich ist, auch mit anderen Taschenmonstern zu kooperieren. Beispielsweise können wir uns mit dem titelgebenden Elektro-Pokémon auf den Rücken eines Fukanos schwingen. Mit dessen Geruchssinn können wir anschließend die Spur zu einem anderen Monster aufnehmen. Ähnlich funktioniert es mit Flampivian, das besonders stark ist und Felsen zertrümmern kann, wodurch sich für uns neue Wege auftun. In der Theorie klingt das unglaublich gut, doch ist unsere Bewegungsfreiheit die meiste Zeit über eingeschränkt. Wir hätten uns etwas mehr Freiraum gewünscht, denn so hangeln wir uns quasi nur von einer Story-Station zur nächsten. Trotzdem feiern wir im Spiel regelmäßig kleine Erfolge.

Anspruchslose Schlussfolgerungen

Aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten weiß Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück sehr gut, wie es uns die spannende Geschichte schmackhaft macht. Wir lernen interessante Charaktere kennen und erfahren mehr über die verschiedenen Pokémon, die unseren Weg kreuzen. All das funktioniert außerordentlich gut und macht Spaß, zumal die Dialoge weitgehend gut geschrieben sind und sich entfalten können. Haben wir eine Textbox zu schnell weggeklickt, können wir verpasste Stellen sogar nachlesen. Sind genügend Informationen gesammelt, müssen wir innerhalb, aber meist außerhalb von Dialogen Schlussfolgerungen anstellen. Auch wenn wir uns häufig denken können, wie so mancher Fall konstruiert ist, brauchen wir einen handfesten Beweis oder zumindest das Indiz. Bei der Schlussfolgerung müssen wir unseren Verdacht, den das Spiel mit den absolut wichtigsten und eindeutigsten Informationen in Textform unterstreicht, lediglich den richtigen Gegenstand oder die korrekte Tatsache auswählen – auch diese sind mit den wichtigsten und eindeutigsten Punkten in Textform ausformuliert. Dementsprechend tangiert der Anspruch in Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück gegen Null – zumindest für „ältere“ Spieler, die das Grundschulalter überschritten haben. Es ist bedauerlich, dass gerade dieser Kritikpunkt am Vorgänger nicht aufgegriffen worden ist.

Mittelmäßige Technik für ein mittelmäßiges Adventure

So dürften am Ende eher die jüngeren Spieler Spaß am Knobeln und Überlegen haben, zumal das Spiel auch keine Bestrafungen wie Punktabzüge oder dergleichen bereithält. Abseits der eigentlichen Ermittlung nehmen wir in Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück auch kleinere Nebenquests an, die weniger anspruchsvoll sind. Hier müssen wir verschwundene Pokémon aufspüren, verschollene Gegenstände besorgen oder simple Quiz-Fragen beantworten. Letzteres funktioniert automatisch, aber auch nur dann, wenn wir einmalig mit dem gesuchten Pokémon in der Umgebung sprechen, nachdem wir die Aufgabe angenommen haben. Es ist nicht möglich, Informationen oder Objekte zu sammeln, wenn die Nebenquest nicht aktiv ist. Ihr merkt es schon: Die Qualität des Adventures ist äußerst mittelmäßig. Selbiges fällt auch bei der Technik auf. So läuft das Spiel zwar flüssig und die Umgebungen gehen für Pokémon-Verhältnisse auch gerade noch so in Ordnung, doch gerade die menschlichen Charaktermodelle inklusive Gesichts- und Bewegungsanimationen sind grauenvoll. Musikalisch bietet der Titel ein paar schöne Stücke, die stellenweise aber arg repetitiv sind. Die wahlweise englische oder japanische Sprachausgabe ist im Übrigen nur während der Zwischensequenzen zu hören. Somit bleibt es in Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück bis zum Abspann meistens zu ruhig.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit: Meisterdetektiv Pikachu ist auf dem 3DS bestenfalls ein im oberen Mittelfeld angesetztes Adventure. Da es sich hierbei jedoch um den ersten Teil einer Reihe handelt, gibt es immerhin Luft nach oben. Sieben beziehungsweise fünf Jahre hatten die Entwickler Zeit, sich Gedanken um die beanstandeten Defizite seitens der Fachpresse zu machen. Herausgekommen ist mit Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück ein abermals nur mittelprächtiges Spiel. Immerhin gefällt mir die Story und auch das Kennenlernen mit den Charakteren und das Lüften von Hintergründen über die verschiedenen Pokémon macht mir Spaß. Jedoch gerade das für ein Adventure überaus wichtige Gameplay enttäuscht mich auf ganzer Linie. Ständig werde ich von einer Zwischensequenz oder längeren Dialogen davon abgehalten, zu ermitteln. Da hätte ich auch gleich eine Visual Novel mit ein wenig Interaktionsmöglichkeiten spielen können, denn so fühlt sich der Titel an. Wenn denn wenigstens das Herausfinden der richtigen Lösung bei den verschiedenen Rätseln respektive Schlussfolgerungen anspruchsvoller wäre, könnte ich über diesen Fauxpas hinwegsehen. Von der mittelmäßigen Technik möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen. Die Switch kann trotz ihrer veralteten Hardware deutlich mehr leisten. Unterm Strich werden gerade die langjährigen Pokémon-Fans bitter enttäuscht. Jüngere Spieler im Grundschulalter, die gerade das Lesen gelernt haben und sich noch nicht so sehr mit der Pokémon-Welt auskennen, dürften aber ihre wahre Freude haben.

Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück!

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