Review: Wandering Sword

Auf dem PC fristeten japanische Rollenspiele lange Zeit ein Nischendasein, was sich glücklicherweise geändert hat. Auch wenn Wandering Sword eine chinesische Herkunft hat, fällt der Titel des Shànghǎier Swordman Studios in genau diese Kerbe und füllt sie geschickt aus.

Rollenspiele, die nach japanischem Vorbild kreiert werden, häufen sich. Wandering Sword ist einer dieser Genrevertreter, die sich in vielen Punkten von japanischen Werken beeinflussen lassen, aber hier und da dennoch eine eigene Note setzen. Das vom chinesischen Swordman Studio stammende Rollenspiel ist einer dieser Titel, der eine jahrzehntelange Tradition fortsetzt. Wir schlüpfen in die Rolle des jungen Kriegers Yǔwén Yì, der als Eskorte durch die äußeren Lande angestellt ist. Bei einem Überfall, der in einer riesigen Explosion endet, infiziert sich Yì mit Frostgift. Vom Kampfkunstmeister Jiàng Yīnfēng aufgelesen, muss er in einem kleinen Bergdorf wieder zu Kräften kommen. Hier lernen wir die auch Grundlagen des Spiels kennen, die sich sowohl an alten wie älteren Merkmalen japanischer Rollenspiele orientieren. Um das Frostgift zu unterdrücken, werden wir auf verschiedene Botengänge geschickt und werden dabei in verschiedenen Kampfkünsten unterrichtet. Da Yīnfēng eine Vergangenheit hat, die ihn just in diesen Tagen einholt, werden wir in eine noch größere Geschichte verwickelt. Diese gipfelt zwischen politischen und religiösen Irrungen darin, dass Yīnfēngs Tochter Xiǎotóng entführt wird. In Wandering Sword liegt es also uns, Yīnfēngs Tochter zu retten, woraufhin wir durch ein chinesisch inspiriertes Fantasy-Königreich ziehen.

Rollenspieltradition mit kleinen Abweichungen

Erzählt wird die Geschichte hauptsächlich über Dialoge, die wir wahlweise auf Englisch, traditionellem oder vereinfachtem Chinesisch erleben können. Allerdings sei gesagt, dass die englische Übersetzung nicht an allen Stellen geglückt ist. Wir verstehen zwar meistens, was die Charaktere uns vermitteln wollen und auch das nächste Aufgabenziel bleibt deutlich, doch sind manche Sätze seltsam formuliert oder haben schlicht einen falschen Aufbau. Eine Vertonung gibt es darüber hinaus ebenso nicht, wodurch dieser Umstand leicht erschwert wird. Den Spielspaß trübt dies aber nur bedingt, da das Gameplay von Wandering Sword gerade Fans von älteren Rollenspielen der 1990er- und frühen 2000er-Jahre gefallen dürfte. In den bewohnten Orten der Spielwelt quatschen wir mit den Leuten, nehmen Quests an und decken uns mit verdientem Geld mit neuer Ausrüstung ein. Nebenher frönen wir dem Handwerk, indem wir Bäume fällen, Erze abbauen, kochen und Ressourcen sammeln. Betreten wir Höhlen oder Wälder, bekämpfen wir die einheimische Fauna und Banditen. Im Gegensatz zu anderen Rollenspielen setzt das Werk des Swordman Studios aber nicht auf Erfahrungspunkte. Stattdessen sammeln wir Kampfpunkte, die wir auf unsere Kampfkünste verteilen. Dies gipfelt je nach Fähigkeit in Meridianpunkten, durch die wir Yìs Attribute peu à peu steigern können.

Rundenkämpfe mit unsinniger Echtzeitfunktion

Kämpfe finden in Wandering Sword ähnlich wie in Live A Live von Square Enix auf einem schachbrettartigen Raster statt. Soll heißen, dass wir erst unsere Gruppenmitglieder bewegen, dann einen Angriff auswählen und in manchen Fällen anschließend sogar noch einmal zurückweichen können. Befinden wir uns in Sicherheit, stellen sich Treffer- und Magiepunkte automatisch wieder her. Setzen wir eine besondere Fähigkeit ein, kann diese im Anschluss für ein paar Runden nicht mehr verwendet werden. Zumindest bei den ersten Kämpfen in einem neuen Gebiet oder bei Bosskämpfen gilt es also richtig zu taktieren, um das rundenbasierte Kampfsystem zu meistern. Wem es aber lieber ist, die Auseinandersetzungen schnell hinter sich zu bringen, kann auch auf Kämpfe, die in Echtzeit ablaufen, setzen. An dieser Stelle möchten wir euch jedoch dringend davor abraten, außerhalb von kleinen Kämpfen, die ihr ohnehin gewinnen würdet, in die Echtzeit zu wechseln. Hierbei können wir nämlich nur mit Yì spielen, während alle anderen Figuren automatisch agieren – und das ist in einem Affenzahn! Im Grunde handelt es sich hierbei um eine Auto-Battle-Funktion, in der wir machtlos sind. Warum die Entwickler bei Wandering Sword diese Möglichkeit bieten statt einer richtigen Auto-Battle-Mechanik für die rein an der Handlung interessierten Spieler, bleibt fraglich.

Controller-Steuerung mit Tücken

Gut dass wir dieses Angebot nicht zwingend annehmen müssen. Schließlich machen die rundenbasierten Kämpfe Spaß, da sie uns verschiedene Möglichkeiten bieten. So ist der Ansturm auf einzelne Gegner genauso möglich wie durchdringende Attacken oder Flächenangriffe. Ein wenig problematisch ist jedoch, was euch wohl genauso überrascht wie uns, die Bedienung per Controller. Entweder müssen wir die Fähigkeiten der Charaktere über zwei Knöpfe aktivieren oder, noch umständlicher, aus einer Liste am unteren Bildschirmrand auswählen. Außerhalb der Kämpfe ist das Wechseln ins Menü mit anschließender Navigation sogar noch fummeliger. Unverständlich ist sogar, warum wir eine Aktion außerhalb der Gespräche mit einem Knopf auslösen, Dialoge jedoch mit einem anderen Knopf vorantreiben. Mit Maus und Tastatur funktioniert das ganze Spektakel einheitlicher und schlicht einfacher. Solltet ihr euch für den Kauf des Spiels entscheiden, braucht ihr den Controller gar nicht erst an euren Computer anklemmen. In visueller Ansicht erinnert das Spiel stark an den begrifflich patentierten HD-2D-Stil von Octopath Traveler II und Konsorten. Musikalisch wird das Spiel an vielen Stellen mit angenehmen chinesischen Klängen unterlegt. Kleinere Defizite verhindern den Aufstieg von Wandering Sword in eine höhere Liga, spielenswert ist der Titel aber trotzdem.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit: Als im Jahr 2018 Square Enix mit Octopath Traveler ein Spiel mit einem ganz neuen Grafikgerüst auf der Nintendo Switch veröffentlichte, ahnte wohl niemand, welchen Einfluss dieser Stil auf die Videospielbranche haben würde. Nicht nur hat Square Enix mit diesem eigens patentierten HD-2D-Stil weitere Spiele veröffentlicht, auch andere Entwicklerstudios möchten eine Scheibe davon abhaben. Obwohl das Swordman Studio den Grafikstil für ihr Erstlingswerk Wandering Sword nicht so nennen darf, ist die Ähnlichkeit nicht von der Hand zu weisen. Schlimm ist das nicht, zaubert der Titel mit seiner chinesisch anmutenden Spielwelt seine ganz eigene Stimmung auf den Monitor. Handlungstechnisch mag die Geschichte zwar schwer in die Gänge kommen und sich im Verlauf des Abenteuers nicht so gut entfalten wie vergleichbare Werke, doch kann das Gameplay durchaus begeistern. So macht es mir Spaß, die Spielwelt zu erkunden, in den taktischen Kämpfen Befehle zu geben und den Protagonisten zu entwickeln. Unverständlich finde ich, warum das Menü so verschachtelt, unaufgeräumt und langsam zu handhaben ist. Auch die Bedienung an sich ist in manchen Punkten schwerfällig. Mit Maus und Tastatur ist das Rollenspiel aber nahezu problemlos zu meistern, wenn die Menüstruktur erst einmal durchschaut ist. Wandering Sword kann es zwar kaum mit Octopath Traveler II und Co aufnehmen, ein gelungenes und unterhaltsames Werk für Genrefans ist es aber definitiv geworden!

Vielen Dank an Spiral Up Games für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Wandering Sword!

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