Review: Joran – The Princess of Snow and Blood

Lose basierend auf dem in den frühen 1970er-Jahren veröffentlichten Manga-Doppelpack Lady Snowblood und den gleichnamigen Verfilmungen, wurde der Stoff als Anime-Serie im Jahr 2021 neu interpretiert. Joran – The Princess of Snow and Blood sprüht voller Charme.

Obwohl es der Titel der erstmals 2021 im japanischen Fernsehen ausgestrahlten Anime-Serie Joran – The Princess of Snow and Blood suggeriert, handelt es sich bei dem Begriff joran nicht um eine Prinzessin. Vielmehr bedeutet das japanische Wort Aufstand, Unruhe oder Tumult. Ein Aspekt, der wichtig für die Handlung der zwölfteiligen Anime-Serie ist. Trotz allem dreht sich das Werk von Regisseur Kudō Susumu auch nicht um eine Prinzessin. Stattdessen steht die junge Frau Yukimura Sawa im Mittelpunkt der Geschichte, die früh im Leben ihre Familie verloren hat und vom japanischen Staat aufgezogen wurde. Sie arbeitet als eine Art Geheimpolizistin der vom Shōgun Tokugawa Yoshinobu gegründeten Organisation Nue, wobei ihre Arbeit eher der einer Auftragsmörderin ähnelt, da sie alle Gefahren, die die Militärregierung bedrohen, aus dem Weg räumen soll. Wer sich mit der japanischen Geschichte auskennt, würde die Handlung vermutlich im 19. Jahrhundert einordnen. Tatsächlich ist die Geschichte im Jahr 1931 verortet. Anhand dessen, dass der Meiji-Kaiser seit mehr als sechs Jahrzehnten inthronisiert ist, dürfte dem letzten klar sein, dass Joran – The Princess of Snow and Blood in einer alternativen Realität spielt. Diese Idee erinnert ein wenig an Dai Shōgun – Der große Wandel, wischt mit diesem mittelmäßigen Werk aber ordentlich den Boden auf.

Charakterbezogene Erzählweise

Im Anime bekommt es der Zuschauer mit einer erwachsenen Charakterdarstellung zu tun. Die Figuren befinden sich allesamt in unterschiedlichen Stufen diverser Dilemmata, die sie auf die eine oder andere Weise durchdringen müssen. Nicht nur Sawa hat ihre Eltern in jungen Jahren verloren, auch ihre Adoptivschwester Nakamura Asahi ist seit einiger Zeit eine Waise. Während Sawa von Asahi dazu gedrängt wird, ihr Schwert niederzulegen, kann sie ihren Rachegedanken selbst nicht ablegen. Sawas Kollege Tsukishiro Makoto hat wiederum einen pessimistischen Blick auf die Welt und ist in seiner Rolle gefangen. Kuzuhara Jin, seines Zeichen Leiter der Organisation Nue, verbirgt seinen richtigen Namen und hüllt sich in Geheimnisse. Seine wahren Absichten sind nicht vorhersehbar, machen ihn für die Handlung von Joran – The Princess of Snow and Blood aber gerade deshalb so interessant. Allerdings muss an dieser Stelle hinzugefügt werden, dass es sich bei dieser Anime-Serie um ein Werk handelt, das von seinen Charakteren lebt und weniger durch die Story vorangetrieben wird. Diese ist zwar sehr wohl vorhanden, setzt sich aber erst im Laufe der Zeit zu einem Mosaik zusammen. Dennoch sollte der Zuschauer nicht darauf hoffen, all seine Fragen beantwortet zu bekommen. Manche Handlungsbögen werden nicht ganz zu Ende erzählt und offen für Interpretationen gelassen.

Bildgewagtes Szenario

Ähnliches betrifft das Setting von Joran – The Princess of Snow and Blood. Japan ist zum Zeitpunkt der alternativen Historie vor allem deshalb so mächtig, da das Land auf das nur in Fernost vorkommende ryūmyaku setzt, was so viel wie Drachenader bedeutet. Mit dieser Energiequelle gelingt es der Nation, seine Vormachtstellung in der Welt aufrechtzuerhalten und andere Länder davor zu hindern, einzumarschieren. Genauere Angaben werden hierbei nicht gemacht, weshalb das ryūmyaku vom Zuschauer so akzeptiert werden muss. Unter visuellen Aspekten überzeugt die Anime-Serie mit ihrem erwachsenen Zeichenstil, bei dem viel Wert auf Charakterdesign und Animationen gelegt wurde. Die Figuren springen sofort ins Auge und heben sich nur selten vom Hintergrund ab, sodass das unter dem Label Bakken Record veröffentlichte Werk eine Einheit bildet, von der vergleichbare Anime-Serien nur träumen können. Wenn verschiedene Charaktere darüber hinaus ihre magischen Kräfte entfesseln und sich auf kurze, aber heftige Kämpfe einlassen, springt der Stil sehr leicht in die sumi-e genannte Kunstrichtung über, die im Rahmen der Populärkultur vor allem durch Ōkami bekannt wurde. Musikalisch sind alle zwölf Episoden von Komponistin Satō Michiru unterlegt. Zum Testzeitpunkt am 25. Februar 2024 lag bei Crunchyroll zwar noch keine deutsche Synchronisation vor, doch ist Joran – The Princess of Snow and Blood auch auf Japanisch fantastisch.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei Crunchyroll): In meinen Augen ist Joran – The Princess of Snow and Blood eine fast durchweg gelungene Anime-Serie. Die verschiedenen Erzählebenen ergänzen sich nach und nach hervorragend und viele Fragen, die die Serie in den ersten Episoden aufwirft, werden peu à peu beantwortet. Allerdings bleibt so mancher Handlungsstrang offen und manche Elemente wie etwa das ryūmyaku werden nicht eindeutig erklärt. Der Zuschauer muss also eigene Interpretationen anstellen, um das Gesamtbild als funktionale Einheit zu akzeptieren. Ist diese Hürde aber erst einmal genommen, überzeugen vor allem die erwachsenen Charaktere, die sich in unterschiedlichen Phasen ihrer Dilemmata befinden und aus diesen ausbrechen wollen. Nicht nur inhaltlich kann die Anime-Serie unter diesen Aspekten begeistern; auch in visueller Hinsicht macht das Werk einiges her. So ist das Charakterdesign vielschichtig und die Animationen vielseitig. Gerade in den kurzweiligen Kämpfen zwischen den Akteuren überzeugt die Animationsqualität auf ganzer Linie. Auch wenn die Geschichte zu einem runden Abschluss geführt wird, lassen sich Regisseur Kudō Susumu und sein Team für Joran – The Princess of Snow and Blood eine Hintertür für eine potenzielle zweite Staffel offen. Da bleibt mir nur zu hoffen, dass diese auch tatsächlich umgesetzt wird, da sie noch einmal eine ganz neue Seite aufschlagen könnte. Soll heißen, dass die erste und bisher einzige Season großartig ist und von der ersten Minute in ihren Bann zieht.

Vielen Dank an Crunchyroll für die freundliche Bereitstellung des Zugangs zum Streaming-Angebot!

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