Review: Skull and Bones

Es gibt Videospiele, die sind ein ganzes Jahrzehnt in Entwicklung. Oft genug kommt es vor, dass diese Werke nicht das halten können, was von ihnen erwartet wird. Skull and Bones ist ein solches Spiel, das Entwicklerstudio Ubisoft Singapore ordentlich in den Sand gesetzt hat.

Was lange währt, wird endlich gut. So heißt es zumindest laut einer Redewendung. Dass dieses Sprichwort aber nicht auf alles zutrifft, ist anhand von Skull and Bones sehr gut zu erkennen. Ursprünglich als eine Erweiterung zu Assassin’s Creed IV: Black Flag gedacht, entwickelte sich die Idee zu etwas Eigenständigem weiter. Die Entwicklung begann nach der Fertigstellung von besagtem Piraten-Assassinen-Spiel im Jahr 2013, weshalb der Titel zu seiner Veröffentlichung im Februar 2024 mindestens zehn Jährchen auf dem Buckel hat. Eigentlich ist eine ganze Dekade Entwicklungszeit lang genug, um ein herausragendes Spiel auf die Beine zu stellen. Nachdem der Titel erstmals 2017 der Öffentlichkeit präsentiert wurde, war die Freude bei uns groß. Ein Piratenspiel dieser Größenordnung hat die Videospiellandschaft noch nicht gesehen. Entsprechend schürte der inzwischen zum Online-Action-Spiel avancierte Titel hohe Erwartungen bei Presse und Spielerschaft. Diese glanzvolle Fassade bröckelte in den darauffolgenden Jahren immer mehr. Ständige Verschiebungen und nicht zuletzt Yves Guillemots Aussage kurz vor Release, in welcher der Preis des Spiels mit seiner Vierfach-A-Qualität gerechtfertigt wurde, haben wohl den letzten Interessenten davon überzeugt, dass Skull and Bones vermutlich nicht das Piratenspiel geworden ist, das wir uns erhofft haben.

Lahmer Protagonist, maue Story

Während der anfänglichen Seeschlacht, die uns das actionreiche Gameplay schmackhaft machen soll, wird unser Schiff versenkt. Kaum ist die Bewusstlosigkeit vertrieben, setzt uns das Spiel einen Charaktereditor vor, der derart limitiert in seinen Möglichkeiten ist, dass wir froh sind, ihn nach fünf Minuten ad acta legen zu können. Zur Auswahl stehen ein paar Gesichter, unterschiedliche Frisuren und dezente Anpassungsmöglichkeiten wie Tätowierungen oder Hautschmuck. Es ist im Übrigen egal, ob wir uns für einen männlich oder weiblich wirkenden Nachwuchspiraten entscheiden – im gesamten Spiel bleibt unser Protagonist stumm und guckt in den Zwischensequenzen von Skull and Bones nur dumm aus der Wäsche. Kein Witz! Egal wie viel Emotionen in der Handlung aufkommen mögen, unsere Spielfigur bleibt davon unbeeindruckt. Anscheinend hat der Protagonist das Werk, in welchem er sich befindet, noch früher durchschaut als wir. Die Dialoge beziehungsweise Monologe sind derart einfallslos geschrieben, dass wir uns schnell die holprige Erzählweise verschiedener Serienteile der Assassin’s-Creed-Reihe zurückwünschen. Inhaltlich geht die Story nicht über Such- und Bringdienste hinaus. Letzteres dürfte daran liegen, dass das Abenteuer keine Einzelspielerkampagne bietet und ein reines Online-Spiel ist. Sorry, aber das machen vergleichbare Titel besser.

Theoretisch viele tolle Möglichkeiten

Sobald wir unseren Charakter erstellt haben, geht es ans Eingemachte. In den nächsten Stunden von Skull and Bones müssen wir unseren Ruf als Piratenkapitän zurückerlangen. Dies geschieht, indem wir andere Schiff versenken, Zugriff auf neue Baupläne bekommen, weitere Schiff versenken oder entern, die Schiffsladung plündern, an den Küsten Rohstoffe abbauen und schließlich die Auftragsarbeit im Hafen anmelden. Theoretisch klingt das schon ziemlich cool, wäre das Spiel nicht nur so lahm inszeniert. Wollen wir beispielsweise Rohstoffe abbauen, so fahren wir mit unserem Schiff die Küste an und absolvieren auf Knopfdruck ein albernes Minispiel. Im Unterschlupf sieht es nicht besser aus. Hier können wir rumlaufen, Briefe mit Belohnungen empfangen, das Schiff verbessern, neue Kleidung für unseren Avatar kaufen, für die Crew kochen, neue Missionen annehmen oder unsere Schiffsladung ins Lagerhaus verfrachten. Letzteres ist überaus sinnvoll, da wir, sofern unser Schiff untergeht, unsere ganze Fracht verlieren und erst wieder einsammeln müssen, bevor sich andere Spieler unsere Beute unter den Nagel reißen. Trotz gut gemeinter Möglichkeiten erschließt sich uns der Sinn des Unterschlupfs nicht so ganz, da er die verschiedenen Elemente von Skull and Bones nur sehr vage zusammenhält und andere sinnbefreite Bestandteile des Spiels bestenfalls kaschiert.

Praktisch unverständliche Umsetzung

Zu Beginn des Spiels können wir ja noch verstehen, dass wir für unsere noch kleine Crew kochen sollen. Schließlich müssen wir unser Vertrauen erst noch zurückgewinnen. Nach wenigen Spielstunden sind aber derart viele Personen auf dem Schiff angestellt, dass eigentlich ein Smutje dafür herhalten müsste. Mit Kochen können wir übrigens die Motivation unserer Mannschaft steigern. Soll heißen, dass deren Kräfte beim Segelsetzen nicht ganz so schnell nachlassen. Ebenfalls fragwürdig ist die Einbindung der verschiedenen Kostüme, die allesamt kosmetischen Nutzen haben und gegen In-Game-Währung oder gegen Echtgeld im Shop von Skull and Bones erworben werden können. Es könnte so toll sein, sich als Piratenkapitän einen eigenen Look zu verpassen und damit im Unterschlupf, auf Deck, beim Entern und Plündern oder weiteren Landgängen herumzulaufen! Beachtet hierbei bitte unbedingt den Konjunktiv, denn der beziehungsweise die Unterschlüpfe, die allesamt dieselben Funktionen bieten, sind die einzigen Orte, die ihr im Spiel besuchen könnt. Zwar können wir aus der Schulterperspektive das Schiff wie schon in Assassin’s Creed III steuern, doch können wir uns nicht frei bewegen. Entert unsere Crew ein Schiff oder plündert eine Siedlung, läuft dies automatisch ab. In Skull and Bones können wir ja nicht einmal selbst den Säbel rasseln lassen!

Free-to-play-Identität zum Vollpreis

Bevor die Unkrenrufe laut werden: Es handelt sich bei Ubisofts Vorstellung des Piratenspiels um keinen schlechten Titel. Allerdings ist es auch kein sonderlich gutes Spiel. Er könnte uns einfach nicht gleichgültiger sein. Selbst den Seeschlachten, auf die es immer mal wieder hinausläuft, fehlt es an Biss. Die Segelschiffe fühlen sich nur bedingt so an, als würden sie sich schwerfällig bewegen. Lediglich wenn wir Gegenwind haben, merken wir, dass uns der aufziehende Sturm ausbremst. Bedientechnisch lässt sich Skull and Bones recht einfach steuern, da wir grundsätzlich die Kanonen punktgenau auf das Ziel abfeuern, das wir gerade anvisiert haben. Den richtigen Moment abwarten, bis das Schiff auch tatsächlich im Blickfeld ist, müssen wir häufig nicht. Da hilft es auch nicht, dass das Spiel sehr ansehnlich ist, zumindest etwas Piratenatmosphäre versprüht und auf unserem Testrechner (Intel i5 13600K, GeForce RTX 4070, 32 GB DDR5 RAM) in Full-HD mit bis zu einhundert Bildern pro Sekunde flüssig läuft. Selbst die Soundkulisse macht viel richtig. Dennoch können uns die Spielmechaniken nicht überzeugen. Viel zu sehr wirkt der Titel in unseren Augen wie ein unfertiges Free-to-play-Spiel. Dieses wird es schwer haben, sich am Markt zu behaupten. Ubisoft muss in den nächsten Jahren ordentlich Inhaltsupdates nachliefern und spielerische Verbesserungen implementieren. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Spiel schnell in Vergessenheit gerät.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Seit seiner offiziellen Ankündigung im Jahr 2017 habe ich mich wirklich sehr auf Skull and Bones gefreut. Das Online-Actionspiel sieht toll aus und versprüht auch auditiv stimmungsvolle Piratenatmosphäre. Leider kann die echt hübsche Prämisse nicht mit dem Gameplay mithalten, denn dieses ist in meinen Augen nichts weiter als ausbaufähig. Schnell werde ich in einen Trott hineingeworfen, dass ich neue Rohstoffe sammeln muss, um mein Schiff zu verbessern. Bis zu einem gewissen Grad macht das ja Spaß, doch wenn nach mehreren Spielstunden klar wird, dass mein Piratenkapitän niemals auf seinem eigenen Schiff herumlaufen, nicht einmal eine Siedlung plündern geschweige denn auch nur einmal den eigenen Säbel rasseln oder seine Pistole abfeuern darf, ist das unfassbar ernüchternd. Klar, das Spiel möchte sich auf seine Seeschlachten konzentrieren, aber auch die spielen sich absolut mau. Die Schiffe fühlen sich nicht wirklich wie Schiffe an und das Abfeuern der Kanonen war im 18. Jahrhundert sicherlich nicht ansatzweise so genau wie hier. Es fehlt einfach an Authentizität. Von der lahmen Geschichte, dem stummen Protagonisten und den miesen Dialogen fange ich erst gar nicht an. Ich habe keine Hoffnung, dass das französische Unternehmen diesen gewaltigen Ausrutscher so schnell in den Griff bekommt. Gerne schaue ich mir das Spiel in ein paar Jahren, sofern die Server dann noch online sind, noch einmal an. Aktuell gibt es aber keinen Grund, Zeit in Skull and Bones zu investieren.

Vielen Dank an Ubisoft für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Skull and Bones!

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