Review: Rurōni Kenshin [2023] (Staffel 1)

Obwohl Rurōni Kenshin eine Marke ist, die seit den 1990er-Jahren existiert, dürfte sie zumindest in Europa nur wenige Fans haben, die dann auch eher die Realfilme als den Manga oder den Anime kennen dürften. Immerhin steht auf Crunchyroll jetzt die Neuauflage der Anime-Serie zur Verfügung.

Zwischen 1994 und 1999 arbeitete Manga-Zeichner Nishiwaki Nobuhiro, auch bekannt unter seinem Künstlernamen Watsuki Nobuhiro, an seinem Werk Rurōni Kenshin, mit dem er auch drei Jahrzehnte später noch in Verbindung gebracht wird. Bereits in den 1990er-Jahren erfolgte eine Anime-Umsetzung mit 95 Episoden, die weitere Filme und Original Video Animations nach sich zog. Fans der japanischen Geschichte und Kultur schätzen sein Werk auf der ganzen Welt, auch wenn sowohl die Manga-Vorlage als auch die Anime-Umsetzung hierzulande eher unbekannt sind. Dieser Umstand könnte sich allerdings ändern, denn 2023 entstand bei Animationsstudio Liden Films eine weitere Anime-Serie zu Rurōni Kenshin, die auf dem Manga von Nishiwaki respektive Watsuki basiert. Im Gegensatz zum Original, das mitunter für seinen Humor bekannt ist, handelt es sich bei der Serie aus dem Jahr 2023 um eine eher ernste Umsetzung des Stoffes. Grundsätzlich eine gute Entscheidung, ist die Epoche, in der die Geschichte angesiedelt ist, doch durchaus eine wichtige Veränderung in der japanischen Gesellschaft. Wer zum Beispiel das im März 2024 veröffentlichte Action-Rollenspiel Rise of the Rōnin für die PlayStation 5 gespielt hat, das den Schwanengesang der Samurai-Ära in der Populärkultur repräsentiert, kann in Rurōni Kenshin die Auswirkungen der Restauration in Anime-Form erleben.

Schnelle Charaktereinführungen

Beginnend im Jahr 1878 erreicht Protagonist Himura Kenshin nach Jahren des Umherziehens als Rōnin, also herrenloser Samurai, Japans Hauptstadt Tōkyō. Inzwischen wurde das Tragen von Schwertern gesetzlich untersagt, weshalb Kenshin natürlich die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. In Tōkyō angelangt lernt er Kamiya Kaoru kennen, die mit Mühe und Not ein Dōjō zu betreiben versucht. Es wird versucht, ihr das Dōjō abzuluchsen und sie auf die Straße zu setzen. Kenshin möchte das nicht zulassen und greift ihr unter die Arme. Währenddessen taucht ein Mann im Dōjō auf, der behauptet, er sei der legendäre Mörder Hitokiri Battōsai. Dass dies aufgrund Kenshins eigener persönlicher Vergangenheit nicht der Fall sein kann, weist ihn der Protagonist schnell zurecht. Rurōni Kenshin setzt auf die Struktur, nach und nach abgeschlossene, aber dennoch miteinander verzahnte Geschichten zu erzählen. So kommen bereits in den ersten Episoden weitere Charaktere wie der aus einer Samurai-Familie entsprungenen Taschendieb Myōjin Yahiko, das ehemalige und inzwischen als Söldner arbeitende Sekihōtai-Mitglied Sagara Sanosuke oder die Ärztin Takani Megumi hinzu, die dazu gezwungen wird, für eine kriminelle Organisation Opium herzustellen. Auf diese Weise lernt der Zuschauer die Charaktere peu à peu kennen, was bis auf die mysteriöse Hauptfigur wirklich gut funktioniert.

Schwieriges Porträt des Protagonisten

Grundsätzlich lässt sich der Geschichte beziehungsweise den einzelnen Handlungsbögen von Rurōni Kenshin sehr gut folgen, ohne den Manga gelesen oder die ursprüngliche Anime-Serie gesehen zu haben. Dennoch fällt es schwer, sich so ein vernünftiges Bild von Kenshin zu machen. Es gibt zwar gelegentliche Rückblenden, doch sind diese nichts weiter als zweckmäßig. Daher wäre es auf jeden Fall empfehlenswert, sich vorher die aus dem Jahr 1999 stammende Original Video Animation Rurōni Kenshin: Trust & Betrayal anzuschauen, welche als Vorgeschichte zur Anime-Serie dient. In diesem Falle macht es auch mehr Spaß, sich auf die verschiedenen Kämpfe einzulassen, die in der Anime-Serie präsentiert werden. In der Regel laufen diese anders ab, wie es Fans von Samurai-Epen womöglich gewohnt sind. Das liegt vor allem daran, dass Kenshin pazifistisch veranlagt ist und seine Feinde nach Möglichkeit nicht tötet. Ihm ist eine Auseinandersetzung mit den Antagonisten auf sprachlicher Ebene wichtiger. Zudem ist die Klinge seines Schwertes umgedreht, in diesem Sinne also stumpf. Somit kommt es zwar immer wieder zu verschiedenen Kämpfen, die in aller Regel aber nicht mit dem von Kenshin verursachten Tod des Gegners enden. Spannend bleibt das Schwertgefuchtel trotzdem, da Kenshins recht heikle Vergangenheit ihn immer wieder versucht einzuholen.

Farbenfrohe wie schillernde Samurai-Action

Beim Vergleich aller Werke des Franchises fallen die verschiedenen Stilrichtungen auf. Während die angesprochene Original Video Animation Trust & Betrayal zum Beispiel nicht nur inhaltlich, sondern auch inszenatorisch eher düster gestaltet ist, gehört die erste Staffel von Rurōni Kenshin von 2023 zu den farbenfroheren Varianten. Zwar sind die zahlreichen Umgebungen bis auf verschiedene Handlungsorte eher trist und stellenweise sogar entsättigt gestaltet, doch die von Nishī Terumi gestalteten Charaktere mit ihrem schillernden Design bei Kleidung, Haaren und Augen stechen dagegen besonders hervor. Bis auf die Tatsache, dass die Animationen der Figuren in den meisten Szenen sparsam und teils auch 3D-Modelle eingesetzt werden, die bei Weitem nicht an die Klasse von Attack on Titan herankommen, gefällt das von der Umgebung mal und mal weniger stark absetzende Charakterdesign dennoch. Auditiv gibt es den Soundtrack von Takami Yū zu hören, der den Zuschauer in die frühe Meiji-Zeit versetzt, aber ebenso davon unabhängig genug Raum für die Charaktere und den gelegentlich durchdringenden Humor lässt. Zum Testzeitpunkt am 26. Mai 2024 lag die Serie bei Crunchyroll zudem nur auf Japanisch, Englisch, Spanisch und Portugiesisch mit deutschen Untertiteln vor. Wer nicht viel lesen will, muss also noch auf eine deutsche Synchronisation hoffen. Unter der Regie von Yamamoto Hideyo und dem Zutun von Nishiwaki beziehungsweise Watsuki entstand unterm Strich eine angenehme erste Staffel der Neuauflage, die zwar durchaus nicht perfekt ist, gerade Fans von Rurōni Kenshin aber sicherlich gefallen dürfte.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei Crunchyroll): In den 2010er-Jahren habe ich Rurōni Kenshin vor allem durch verschiedene Filme und Original Video Animations kennengelernt. Diese haben mir weitgehend auch gut gefallen, sodass die Marke mir nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist. Als ich die Neuauflage der Anime-Serie bei Crunchyroll durch einen Zufall im Programm entdeckt habe, konnte ich einfach nicht anders und musste mir die erste Staffel direkt zu Gemüte führen. Inhaltlich weicht die Handlung meines Erachtens nicht vom Original ab, sodass sich gerade Kenner der Vorlage sofort heimisch fühlen dürften. Wer bisher aber noch nie von Rurōni Kenshin gehört hat und sich auch nicht mit der japanischen Geschichte auskennt, könnte jedoch gerade bei der Charakterisierung der Hauptfigur Kenshin und verschiedenen historischen Hintergründen seine Probleme haben. Abgesehen davon lässt sich dem Plot aber jederzeit folgen. Neben dem Szenario gefällt mir das gezeichnete Bild Tōkyōs der frühen Meiji-Zeit, das ein wunderbares Setting für die Geschichte abgibt. Lediglich bei den Animationen der Figuren hätte ich mir persönlich mehr erhofft. Hier kann Liden Films bei der zweiten Staffel noch einmal ansetzen. Wer den Defiziten nichts entgegenzusetzen hat oder Fan der Marke ist, kann sich in Rurōni Kenshin 24 Episoden lang verlieren!

Vielen Dank an Crunchyroll für die freundliche Bereitstellung des Zugangs zum Streaming-Angebot!

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