Review: Emio: Der lächelnde Mann – Famicom Detective Club

Selten kommt es vor, dass Nintendo eine lange nicht mehr beachtete Videospielreihe neu aufleben lässt. Nach den beiden Remakes der ersten beiden Serienteile folgt mit Emio: Der lächelnde Mann – Famicom Detective Club der dritte Part der Visual-Novel-Adventure-Reihe.

Visual Novels sind doch keine Videospiele, würden zumindest böse Zungen behaupten. Fest steht, dass für das Genre einiges an Sitzfleisch abverlangt wird. Schließlich liegt das Hauptaugenmerk auf das Lesen von ellenlangen Texten – und Emio: Der lächelnde Mann, wie die dritte Episode der Famicom-Detective-Club-Reihe heißt, macht hierbei keine Ausnahme. Im Visual-Novel-Adventure schlüpfen wir erneut in die Rolle eines eigentlich namenlosen Protagonisten, der für Vermarktungszwecke der ersten beiden Serienteile aber Ninten Tarō genannt wurde. Daran wollen wir, zumindest für diese Rezension, nicht rütteln. Tarō ist Nachwuchsdetektiv in der Detektei Utsugi. Zu Beginn des auf circa 15 bis 20 Spielstunden ausgelegten Abenteuers werden wir zusammen mit unserem Vorgesetzten Utsugi Shunsuke zu einem Tatort gerufen. Dort angekommen machen wir eine erschreckende Entdeckung. Ein Mittelschüler wird am Eingang eines Pumpwerks tot aufgefunden – mit einer Papiertüte über den Kopf gestülpt. Auf der Tüte ist darüber hinaus ein breites Grinsen zu erkennen, was den vermeintlichen Mordfall ein wenig makaber erscheinen lässt. Unsere Aufgabe besteht nun darin, gemeinsam mit unserer Kollegin Tachibana Ayumi in Form vielschichtiger Befragungen, zielgerichteter Nachforschungen und detaillierter Untersuchungen eigene Ermittlungen anzustellen.

Lineare Detektivgeschichte

Am Spielprinzip hat sich seit den ersten beiden Teilen, die im Jahr 2021 in Form von Remakes für die Switch erschienen sind, kaum etwas verändert. Soll heißen, dass wir uns im Grunde bildschirmweise von einem Ort zum nächsten bewegen, sofern uns die Option zur Fortbewegung denn zur Verfügung steht. Emio: Der lächelnde Mann ist ein sehr lineares Spiel, das keine große Möglichkeit zum Ausbrechen der vordefinierten Bahnen lässt. Über ein Auswahlmenü am linken Bildschirmrand können wir uns für verschiedene Möglichkeiten entscheiden, wie wir unsere Ermittlung anstellen. Beispielsweise können wir den aktuellen Handlungsort unter die Lupe nehmen und einzelne Elemente im Stile eines Point-and-click-Adventures anwählen. Oft erhalten wir hierbei nur einfache Informationen, welche aber je nachdem die Atmosphäre ein wenig bereichern können. Ist der Handlungsort groß genug, können wir auf Knopfdruck auch den Bildschirmausschnitt verschieben. In den meisten Fällen bekommen wir es hier jedoch mit einer Person zu tun, die wir in Dialogform ausquetschen müssen. Sind mehrere Personen zu sehen, können wir häufig auch eine Nicht-Spieler-Figur zu uns rufen und das Verhör mit dieser starten. Genau wie das Spiel uns vorsetzt, welche Örtlichkeit als nächstes ansteht, müssen wir leider auch die langen Dialoge linear vorantreiben.

Betagtes Dialogsystem

Beim Dialogsystem von Emio: Der lächelnde Mann liegt auch schon der Hund begraben. Hier bleibt die Serie ihren Famicom-Wurzeln treu. Soll heißen, dass wir uns durch ein rudimentäres Dialogsystem durchklicken. Wir erhalten verschiedene Themenvorschläge, die im Verlauf des Gesprächs Ergänzungen oder Verkürzungen erfahren können. Auch der Austausch von Themen ist denkbar. Allerdings erhalten wir beim Auswählen eines Punktes nicht alle Informationen auf einmal, sondern müssen fast immer mehrmals ein und denselben Dialogvorschlag auswählen, um weitere Informationen zu erhalten. Nur so lässt sich die Story mühselig vorantreiben. Wissen wir einmal nicht weiter, sollten wir nachdenken. Dafür gibt es tatsächlich einen eigenen Menüpunkt. Denken wir nach, können wir aus dem inneren Monolog ableiten, welche Aktion wir durchführen sollten. Manchmal hilft es auch einfach, den Gesprächspartner anzuschauen, um emotionale Regungen innerhalb der Mimik abzuleiten. Das ist vor allem für jene Spieler kurios, welche die beiden Vorgänger nicht kennen. Da es sich bei Emio: Der lächelnde Mann nicht um ein Remake, bei dem solche bewussten Designentscheidungen durchaus toleriert werden könnten, sondern um eine eigenständige Fortsetzung handelt, hätten wir uns zumindest ein paar designtechnische Schritte in Richtung Gegenwart gewünscht.

Im Grunde keine Neuerungen

Neben Dialogen und dem Untersuchen der Umgebung kommt es tatsächlich selten vor, dass uns andere Aktionen zur Verfügung stehen. Im späteren Spielverlauf erhalten wir immerhin noch ein paar Gegenstände, die wir unseren Gesprächspartnern präsentieren können, um an neue Informationen zu gelangen. Haben wir Emio: Der lächelnde Mann übrigens länger nicht gespielt, erhalten wir beim Laden eines Spielstands optional eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse. Hinzu kommt, dass automatisch alle Erkenntnisse säuberlich den verschiedenen Akteuren zugeordnet auch in unserem Notizbuch erscheinen. So finden wir schnell die wichtigsten Informationen, die wir brauchen. Beim Kombinieren und Zusammenfassen der neuesten Fakten, was regelmäßig zwischen dem Protagonisten und seiner Kollegin stattfindet, kommen wir ohnehin nicht drumherum, im Notizbuch nachzuschlagen oder sogar Fakten aktiv darin herauszusuchen. Eine Neuerung im Dialogsystem ist die Nutzung eines Klapphandys, was aber auch hier nur an bestimmten Stellen zum Fortschritt beiträgt. Es ist sehr schade, dass die verantwortlichen Entwicklerstudios Nintendo Entertainment Planning & Development und Mages zu wenig aus all dem gemacht haben. Gerade weil die Story im Kern ziemlich spannend ist und mit Wendungen aufwartet, wird sie so nur unnötig ausgebremst.

Audiovisuell tolles Abenteuer

In puncto Steuerung klappt das Navigieren durchs Menü problemlos. Da wir die Spielfiguren selbst nicht steuern können, gibt es hier auch nichts zu meckern. Auditiv ist das Visual-Novel-Adventure durch die Klänge des japanischen Komponisten Abo Takeshi unterlegt. Vor allem in den ruhigen Momenten, in denen wir unsere Gesprächspartner in langsamen Dialogen mit Fragen löchern und so peu à peu an neue Erkenntnisse gelangen, kommt das passende Feeling auf. Plötzlich fühlen wir uns richtig in die Rolle eines Juniordetektivs versetzt, der mit neuen Informationen der Rätsellösung näher kommen möchte. Dies erinnert ein wenig an die Shenmue-Reihe, woran das bereits erwähnte Notizbuch aber nicht gänzlich unschuldig ist. Die Gespräche sind im Übrigen durchweg auf Japanisch vertont – inklusive der typisch japanischen wie teils übertriebenen Betonung. Toll! Visuell punktet Emio: Der lächelnde Mann überwiegend mit seinem markanten Anime-Stil, der eins zu eins aus den Remakes übernommen wurde. Haupt- wie Nebencharaktere lassen sich wunderbar voneinander unterscheiden, was bei diesem Genre ohnehin sehr wichtig sein dürfte. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die Animationen spärlich ausfallen. Ähnlich wie beim Gameplay hätten wir uns hier über Fortschritte gefreut. Aller Unkenrufe zum Trotz macht Emio: Der lächelnde Mann dennoch Spaß, richtet sich aber klar an Genrefans und Kenner der beiden Vorgänger.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit: Im Vorfeld habe ich mich auf Emio: Der lächelnde Mann – Famicom Detective Club sehr gefreut. Zumindest die Remakes der Vorgänger haben mir bis auf Kleinigkeiten sehr gefallen. Beim Spielen des dritten Serienteils, den Satellaview-Ausflug nicht mitgerechnet, fallen mir aber dieselben Baustellen auf. Das mehrmalige Anklicken ein und desselben Dialogpunkts zum Vorantreiben der Story nervt auf Dauer einfach. So fühlen sich die Dialoge unnötig in die Länge gezogen an. Auch dass es kaum Rätsel gibt, finde ich sehr schade. Über die ausbaufähigen Animationen bei den Charakteren brauche ich wohl kein Wort mehr verlieren, denn das ist bei den Remakes ein genauso großes Problem. Trotzdem spiele ich den Titel gerne, denn die Story ist gut geschrieben, wartet mit interessanten Charakteren auf und macht stets Lust, mehr über den lächelnden Mann herauszufinden und wie alles zusammenhängt. Ich kann übrigens nur empfehlen, das Zusatzkapitel nach dem Abspann zu spielen, da dieses sogar mit einigen Anime-Sequenzen angereichert wurde. Warum diese Liebe nicht dem Hauptteil des Spiels zugewandt wurde, ist mir ein Rätsel. Abgesehen davon ist Emio: Der lächelnde Mann immer noch ein guter Genrevertreter, bei dem aber nicht das volle Potenzial ausgeschöpft wurde. Bleibt zu hoffen, dass bei einer Fortsetzung diese Punkte noch einmal angetastet werden. Dann kann aus einer guten Visual Novel sogar ein richtig gutes Spiel werden!

Jonas’ Fazit: Emio: Der lächelnde Mann – Famicom Detective Club hat mir wirklich gut gefallen. Anfangs hatte ich noch meine Zweifel, ob mich die Handlung mit seinem gemächlichen Aufbau wirklich packen kann. Dank der tollen Figuren und der tollen Optik ist das aber gelungen, sodass ich zum Schluss von der Handlung positiv überrascht bin. Zunächst dachte ich, dass mir das Spiel als klassische Visual Novel vielleicht besser gefallen hätte. Die einzigartigen Interaktionsmöglichkeiten durch das Menü haben aber auf jeden Fall einen Effekt auf die Verbindung zu den Figuren und lassen das Geschehen noch einmal kurzweiliger erscheinen. Mit der adäquaten Spielzeit von in meinem Fall über knapp zehn Stunden findet das Spiel zudem zum richtigen Zeitpunkt sein Ende.

Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Emio: Der lächelnde Mann – Famicom Detective Club!

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