Im Juni 2023 erschien der vierte Serienteil der Diablo-Reihe und führte Action-Rollenspieler in den Kampf gegen die Dämonin Lilith. Fast anderthalb Jahre später führt das Add-on Vessel of Hatred die Story fort, kommt aber nicht ganz an das wahrlich grandiose Hauptspiel heran.
Bislang erhielt jede Episode der Diablo-Reihe eine Erweiterung. So durften Serienfans 1997 Hand an Diablo: Hellfire legen, 2001 einen neuen Akt in Diablo II: Lords of Destruction erleben und 2014 ein frisches Kapitel in Diablo III: Reaper of Souls aufschlagen. Beim Add-on zu Diablo IV, das auf den wunderbaren Untertitel Vessel of Hatred hört, können wir uns sogar vorstellen, dass es nicht das einzige Add-on bleibt. Nicht nur das offene Handlungsende, sondern auch die unverfälschte Struktur der Spielwelt Sanktuario bieten sich ähnlich wie beim hauseigenen Online-Rollenspiel World of Warcraft an, noch mehr Abenteurer in die motivierende Aufwärtsspirale zwischen Erkunden, Monsterschnetzeln und Charakterausbildung zu ziehen. Wer Diablo IV bislang noch nicht gespielt hat, sollte zumindest den Rest dieses Absatzes überspringen, da wir zunächst etwas zur Qualität der Story sagen beziehungsweise für dessen Inhalte kurz ausholen müssen. Vessel of Hatred knüpft nämlich nahtlos an das Ende von Diablo IV an und führt die Geschichte fort. Neyrelle ist mit Mephistos Seelenstein ins südlich gelegene Nahantu verschwunden. Der Geistliche Urivar macht mit seinen kirchlichen Anhängern Jagd auf die junge Frau. Daher machen wir uns auf, um Neyrelle vor dem aus dem Seelenstein auszubrechen drohenden Mephisto und dem starrsinnigen Urivar zu beschützen.
Abwechslungsarme Landschaften und Monster
Nahantu im Südwesten der Spielwelt ist der überwiegende Handlungsort des Add-ons. Manche Aufgaben von Vessel of Hatred führen uns zwar auch in die bekannten Regionen zurück, doch ist dies eher die Ausnahme. Aufgrund dessen, dass Nahantu zwar groß, aber eben nicht so gigantisch wie der Rest Sanktuarios ausfällt, haben wir es bei diesem Spielgebiet auch mit wenig visuellem Abwechslungsreichtum zu tun. Nahantu lässt sich ehestens als riesengroßer Dschungel identifizieren, in dem es hier und da ein paar Tempelanlagen, etwaige Ruinen, verschachtelte Höhlenkomplexe und dergleichen gibt. Auch das Getier, das es massenhaft zu bekämpfen gilt, fügt sich in das Setting nahtlos ein. Riesige Spinnen, eklige wie fette Maden, gefräßige Riesenvögel und noch dazu untote Kreaturen wollen uns ans Leder. Wirklich ausgefeilt ist das Monsterdesign nicht, da es sich unserer Meinung nach vor allem auf die im Hauptspiel geschaffenen Grundlagen verlässt. Spaß macht es dennoch, die wenig abwechslungsreichen Landschaften zu durchkämmen, die Dungeons zu erkunden, Schatztruhen zu plündern und am Ende der Reise zehntausende Dämonen auf dem Gewiss zu haben. Am Gameplay hat sich bis auf wenige Details zum Glück nichts verändert, sodass sich Vessel of Hatred so gut wie das Grundpaket spielt. Diablo IV bietet mit dem Add-on aber auch ein paar Neuerungen.
Frischer Wind durch den Geistgeborenen
Diablo IV wartet in Form des Geistgeborenen mit der wohl größten Neuerungen der Erweiterung auf, die für so manch einen Fan wohl eine kleine Überraschung darstellen sollte. Anstatt auf bekannte Klassen zu setzen, versuchen sich die Entwickler mit dem Geistgeborenen an einem neuen Ansatz. Der Geistgeborene konzentriert sich auf zwei tierische Geister, die mit unterschiedlichen Elementen aufgeladen sind. Während der Gorilla physischen Schaden austeilt, setzt der Tausendfüßer auf das Giftattribut. Adler und Jaguar sorgen hingegen für Blitz- beziehungsweise Feuerschaden. Je nachdem für welche Seelen wir uns mit dem Geistgeborenen in Vessel of Hatred entscheiden, sorgt die Kombination beispielsweise für einen erhöhten kritischen Schaden oder verstärkte Heilungseffekte. So können wir uns ganz auf unseren persönlichen Spielstil spezialisieren, was bei anderen Klassen eher über die bewusste Auswahl an Fähigkeiten beim Aufstufen oder die Spezialeffekte unserer Ausrüstung funktioniert. Obwohl sich der Geistgeborene nicht als unsere Lieblingsklasse entpuppt, finden wir den Ansatz gut, frischen Wind ins Spiel zu bringen. Gerade bei einem Unternehmen wie Blizzard, das nicht gerade für wegweisende Innovationen bekannt ist, muss das an dieser Stelle ganz klar betont werden. Es gibt jedoch auch Neuerungen in Diablo IV, die uns ein wenig zu bedenken geben.
Leveln mit viel Motivation – trotz fragwürdiger Mechaniken
Beispielsweise wurden alle Charaktere, die wir vor Vessel of Hatred über die fünfzigste Stufe gebracht haben, auf Level 50 zurückgesetzt. Das Aufstufen geht in der Erweiterung aber gefühlt schneller als noch im Basispaket vonstatten, aber dennoch ist dieser Umstand wirklich seltsam. Sobald wir den sechzigsten Level erreicht haben, endet das herkömmliche Aufstufen abrupt. Ab diesem Moment geht es darum, bei jedem Level-up einen verdienten Paragonpunkt auf einem Spielbrett zu verteilen, um dadurch einzelne Attribute zu erhöhen oder Boni zu erhalten. Auch das geht wesentlich schneller als noch im ursprünglichen Diablo IV – und macht nach wie vor sehr viel Spaß. So können wir jeden einzelnen Charakter genau so ausrichten, wie wir es persönlich möchten. Hardcore-Spieler schlagen jetzt sicherlich die Hände über ihren Köpfen zusammen, doch so haben auch Gelegenheitsspieler keine Probleme, sich in der Welt von Diablo IV zu verlieren. Vor Weihnachten 2024 gab es jedoch eine Quest, die den Spaß für Neulinge stark gemindert haben dürfte. So war es möglich, auf Knopfdruck den eigenen Charakter auf Stufe 50 zu bringen, alle attributsfördernden Schreine der Lilith zu aktivieren und mit verdammt guter Ausrüstung auszustatten. Unsere Zauberin war danach plötzlich viel zu stark. Bessere Ausrüstung finden wir in Vessel of Hatred zudem viel zu selten.
Leicht, leichter, Vessel of Hatred
Darüber hinaus ist die Erweiterung allgemein viel zu leicht. Selbst auf dem höchsten uns zur Verfügung stehenden Schwierigkeitsgrad haben wir keine Probleme, selbst Bossgegner binnen weniger Sekunden mit unserer Flammenmagie einzuäschern. Das liegt mitunter auch daran, dass wir auch einen permanenten Begleiter auswählen können, der keinen Schaden nimmt, aber ordentlich austeilt. Außerdem dürfen wir einen sekundären Begleiter wählen, der immer dann in Erscheinung tritt, wenn wir eine bestimmte Fähigkeit auslösen beziehungsweise eine bestimmte Bedingung erfüllt ist. All das ist wirklich gut gemeint, lässt Vessel of Hatred aber zu einem Kindergeburtstag verkommen. Wer sich einmal als Supermann oder Superfrau identifizieren will, dürfte in Diablo IV sehr viel Spaß haben. Habt ihr das Spiel länger nicht mehr gespielt, könntet ihr aber womöglich bekannte Features vermissen. Beispielsweise ist es nun nicht mehr möglich, Ausrüstungsgegenstände stringent zu verbessern. Stattdessen könnt ihr sie nun mit Effekten belegen, die aber durch den Zufall bestimmt werden – und zudem müssen wir diese erst mühsam freischalten. Glücksspiel dieser Art begrüßen wir nicht und machen das Perfektionieren der Ausrüstung des eigenen Helden zur Geduldsprobe. Vessel of Hatred macht in unseren Augen aufgrund vermeidbarer Defizite weniger Spaß als das Hauptspiel zu Release, bleibt aber nach wie vor ein gutes wie motivierendes Action-Rollenspiel.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Obwohl ich nie der allergrößte Fan der Diablo-Reihe war, hat mir Diablo IV gerade zu Release sehr viel Spaß bereitet. Über Monate hinweg habe ich meine Zauberin in teils mühseliger Kleinstarbeit aufgestuft und mit meiner Meinung nach toller Ausrüstung ausgestattet, die sich wunderbar auf meine Spielweise ausgewirkt hat. Vessel of Hatred hat diese Erfahrung aber zu einem guten Teil zunichtegemacht, denn nur durch eine einzelne Quest hat mir das Spiel plötzlich alle Schreine der Lilith freigeschaltet und mir derart gute Ausrüstung spendiert, sodass ich in Vessel of Hatred nur sehr, sehr selten bessere Beute finde. Auf einmal ist meine Zauberin, die gerade auf den höheren Schwierigkeitsgraden einst noch zu kämpfen hatte, viel zu stark. Für diese alberne Quest sollten sich die Verantwortlichen bei Blizzard Entertainment wirklich schämen! Trotzdem muss ich die Erweiterung auch für zwei Dinge loben! Auf der einen Seite steht mit dem Geistgeborenen ab sofort eine wirklich interessante Klasse zur Verfügung, die sich wirklich gut auf den eigenen Spielstil zuschneidern lässt. Auch das Leveln oberhalb der fünfzigsten Stufe macht mir wieder Spaß, da sich das Aufstufen endlich nicht mehr wie Kaugummi zieht. Falls ihr schon das Hauptspiel mochtet, dürftet ihr wohl oder übel auch Vessel of Hatred verschlingen. Dennoch solltet ihr euch im Vorfeld über verschiedene Designschnitzer im Klaren sein, die das Erlebnis je nach eigener Herangehensweise durchaus schmälern könnten!
Vielen Dank an Activision Blizzard für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Diablo IV: Vessel of Hatred!