Im März 2022 verstarb Entwickler und Coffee-Talk-Erfinder Mohammad Fahmi Hasni. Weniger als drei Jahre später erschien mit Afterlove EP ein weiteres der wenigen Spiele, die er maßgeblich geformt hat – und ihn unter Adventure-Fans in Erinnerung bleiben lässt.
Afterlove EP lässt uns in die Rolle des jungen Nachwuchsmusikers Rama schlüpfen. Dieser lebt in der indonesischen Hauptstadt Jakarta in den Tag hinein, denn vor einem Jahr verstarb seine Freundin Cinta. Dennoch möchte er endlich zurück den Weg ins Leben finden. Somit nimmt er Kontakt zu seinen beiden alten Bandkollegen Adit und Tasya auf, um ihre Gruppe Sigmund Feud wiederzuvereinen. Wäre das nach einem ganzen Jahr des Stillstands nicht schon schwierig genug, vernimmt Rama noch dazu seit Monaten die Stimme seiner verstorbenen Lebensgefährtin in seinem Kopf. Dies macht es schwierig, sich im Alltag und vor allem in Gesprächen zu seinen Mitmenschen einzubringen. Aufgrund dessen stellt uns Tasya vor ein Ultimatum. In dreißig Tagen findet ein Konzert statt, auf dem Sigmund Feud auftreten wird. Sollten wir uns zusammenreißen, so hat die Band auch danach noch eine Chance. Ansonsten wäre sie endgültig Geschichte. Leichter gesagt als getan, denn auch als Spieler fühlen wir mit dem Protagonisten. Ständig die Stimme einer Verstorbenen im Kopf zu hören machen einige Situationen schwieriger, zumal sich Rama häufig genug verleiten lässt, auf sie zu hören oder ihr sogar mitten im Dialog mit einer anderen Person zu antworten. Trotz anfänglicher Startschwierigkeiten zeigt Afterlove EP wunderbar, wie viel Wert auf Handlung und Figuren liegt.
Verträumtes Jakarta mit Wohlfühlatmosphäre
Hauptsächlich treiben wir im Abenteuerspiel vom indonesischen Entwicklerstudio Pikselnesia die Geschichte voran, in dem wir ähnlich wie in der japanischen Rollenspielreihe Persona am Tag zwei Zeiteinheiten in verschiedene Aktivitäten oder Verabredungen investieren. Um zum jeweiligen Ort des Geschehens zu gelangen, können wir uns entweder auf zweidimensionalen Ebenen durch Jakarta bewegen, oder wir greifen zum virtuellen Smartphone und wählen den Zielort über eine integrierte Applikation aus. Dennoch empfehlen wir gerade in der zweiten Spielhälfte von Afterlove EP auch mal per pedes durch die Straßen zu latschen, um über das eine oder andere versteckte Event zu stolpern. Großartig verlaufen können wir uns hierbei übrigens nicht, denn die Spielwelt ist mit wenigen betretbaren Vierteln und einer Handvoll lokalen Örtlichkeiten recht überschaubar. Das macht aber nichts, denn schon nach kurzer Zeit wissen wir, wo sich das Café, die Praxis unserer Seelsorgerin oder der Park befindet. Sobald wir uns einmal im digitalen Miniaturabbild von Jakarta zurechtgefunden haben, fühlen wir uns richtig heimisch. Letzteres liegt mitunter auch an den illustren Charakteren, die uns auch nach dem Durchspielen des auf etwa sechs bis sieben Stunden angelegten Adventures definitiv im Gedächtnis bleiben. Drei Figuren können wir sogar ganz offiziell zu Dates einladen.
Versteckte Dating-Simulation
Bezüglich der romantischen Verabredungen, die sich im Übrigen erst zu solchen entwickeln müssen beziehungsweise eigentlich nur beiläufig diese Vibes hervorrufen, entpuppt sich das Adventure mit seinen Visual-Novel-Elementen auch als eine mögliche Unterform der Dating-Simulation. Ob wir uns auf die Buchklubvorsitzende Mira, das unter Erfolgsdruck stehende Model Regina oder den fest in der LGBTQ-Community verankerten Satria einlassen, steht uns völlig frei. Auch Teile der Geschichte verändern sich durch unsere Entscheidungen. Falls wir uns beispielsweise auf Regina einlassen, folgt darauf früher oder später eine Konfrontation mit Adit, da die beiden kürzlich noch ein Paar waren. Afterlove EP bietet darüber hinaus verschiedene Enden, was nicht zuletzt aufgrund der kurzen Einmalspielzeit den Wiederspielwert für Genrefans erhöht. Zudem lässt sich der Titel auch zwischendurch immer wieder gut spielen, da die meisten In-Game-Tage maximal nur zehn bis fünfzehn Minuten Zeit in Anspruch nehmen. Dennoch solltet ihr euch darauf einstellen, dass das Spiel sehr textlastig und lediglich auf Englisch, Indonesisch oder Japanisch spielbar ist. Eine dieser drei Sprachen solltet ihr also beherrschen, um genügend Spielspaß mit dem Adventure zu haben. Neben dem Lesen von Dialogen und Ansehen von spärlichen Cutscenes gibt es im Spiel nicht viel zu tun.
Auflockernde Rhythmusspieleinlagen
Ein Gameplay-Element von Afterlove EP müssen wir aber trotz allem hervorheben, denn in regelmäßigen Intervallen studieren Adit, Rama und Tasya ihre Songs ein. Ähnlich wie in Theatrhythm Final Fantasy und Konsorten gilt es, im richtigen Punkt auf den passenden Aktionsknopf auf dem Controller zu hämmern oder diesen temporär gedrückt zu halten. Sonderlich anspruchsvoll ist das zwar nicht, aber immer wieder eine nette Auflockerung. Die Bedienung selbst ist darüber hinaus ziemlich einfach gestrickt. So bewegen wir Rama mit dem Analog-Stick und klicken uns durch aufgeräumte Menüstrukturen. Diese spartanische Gestaltung passt zum restlichen Spiel, denn obwohl uns der kunterbunte Comicstil der Künstlerin Soyatu zusagt, fallen die Animationen hingegen sehr spärlich aus. Hier hätten wir uns wirklich mehr Liebe gewünscht, da das Spiel immerhin inhaltlich voll von ausgearbeiteten Themen ist. Die richtigen Emotionen transportiert hingegen und vor allem der Soundtrack von der indonesischen Band L’Alphalpha, der teilweise sogar mit Gesang unterlegt ist. Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass in puncto Synchronisation lediglich Cinta vertont ist. Dies ist jedoch eine bewusste Designentscheidung, wodurch diese Figur deutlich mehr Gewicht erhält. Damit dürfte das Werk von Mohammad Fahmi Hasni in gewisser Weise wohl unvergesslich bleiben.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Anfänglich wollte ich Afterlove EP eigentlich gar keine große Chance geben, da mich die teils umgangssprachlichen Dialoge in ihrer Menge wirklich erschlagen haben. Zudem sind die ersten dreißig bis sechzig Minuten sehr linear, was gerade beim wiederholten Durchspielen nerven könnte. Hier empfehle ich jedoch klar, einen separaten Spielstand anzulegen, denn nach der linearen Exposition öffnet sich das Spiel plötzlich und lässt mich den Alltag ähnlich wie in Persona 3: Reload erleben. Zwar sind die Möglichkeiten begrenzt, doch haben sie oft einen gewichtigen Einfluss auf die weitere Handlung, was meiner Meinung nach den Wiederspielwert erhöht. Auch fühlen sich die meisten Dialoge nach der Eröffnungssequenz gar nicht mehr lang an. Es ist in einem Durchlauf aufgrund der begrenzten Zeit zudem nicht alles möglich, weshalb jede Lücke im Tagesplan gut genutzt sein möchte. Bei der mit Ausnahme der mangelhaften Animationen angenehm wirkenden Comicgrafik und dem atmosphärischen Soundtrack macht dies fünf bis sechs Stunden echt viel Spaß. Mir wachsen die Charaktere richtig ans Herz, sodass ich wohl noch lange nach dem Durchspielen über sie nachdenken werde. Adventure-Fans, die sich auf ein kurzes und knackiges Erlebnis einlassen wollen, werden mit Afterlove EP definitiv fündig werden. Neulinge erhalten hingegen einen guten Einstiegspunkt, um ins Genre erstmals abzutauchen.
Vielen Dank an Fellow Traveller Games für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Afterlove EP!