Videospiele, die sich das Römische Reich als Szenario auserkoren haben, sind überraschend Mangelware. Entwickler Roger Grassmann hat mehr als ein halbes Jahrzehnt am Aufbauspiel Pax Augusta gearbeitet, um diese klaffende Lücke zu schließen – und den Spieler zu bilden.
Kaum wurde die Antike im Videospielbereich entdeckt, verschwand sie am Ende der 2000er-Jahre nahezu spurlos. Gerade Spieler, die ein Interesse daran hatten, das Römische Reich im Rahmen von Aufbauspielen großzuziehen, mussten in die Röhre schauen. Roger Grassmann, seines Zeichens alleiniger Entwickler von Pax Augusta, hat Ende der 2010er-Jahre die Zeichen der Zeit erkannt und wollte Abhilfe schaffen. Vorweg können wir mit Fug und Recht behaupten, dass dem Schweizer Entwickler dieses Vorhaben durchaus geglückt ist. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Pax Augusta um ein Spiel, das in einigen Punkten äußerst komplex ausgefallen ist. Grassmann war es wichtig, die Spielerfahrung möglichst authentisch an die Zeit des Römischen Reiches anzulehnen. Dies spiegelt sich in unfassbar vielen Details wieder, weshalb womöglich nicht alle Liebhaber der Epoche sich sofort an das Aufbauspiel heranwagen werden. Schon auf dem Titelbildschirm zeigt sich nämlich, dass Grassmann kein immens hohes Budget zur Verfügung stand. In einem spartanischen Menü wählen wir aus, ob wir einen Spielstand im Rahmen einer freien Kampagne, dem Storymodus, dem Sandbox-Modus oder dem Tutorial starten wollen. Haben wir uns für einen der vier Modi entschieden, landen wir auch schon in der Spielwelt von Pax Augusta und beginnen unsere Karriere.
Rückkehr ins Römische Reich
Überwiegend sehen wir das Geschehen im Spiel aus der Vogelperspektive, die wir zudem stufenlos drehen dürfen. Auf einer politischen Karte werden wir von Pontius nach Pilatus geschickt, doch sobald wir eine Kolonie gründen dürfen, machen wir uns einen Namen als vor Ort herrschender Statthalter. Zunächst gibt es mit Privatvermögen und Ruf zwei Ressourcen, die im Verlauf der jeweiligen Kampagne immer wieder von Bedeutung sein können. Unser Ruf verschlechtert sich in Pax Augusta beispielsweise schon durch die Gründung einer kleinen Stadt, denn es will wohl niemand mit jemandem zu tun haben, der sich am unteren Ende der politischen Skala befindet. Also nutzen wir jedwede Aufstiegschancen, wozu beispielsweise die Errichtung besonderer Bauwerke wie dem Forum gehört. Privatvermögen nutzen wir hingegen, um den Ausbau unserer Stadt zu unterstützen. Später kommen noch weitere Ressourcen wie Marmor oder Holz hinzu. Derlei Materialien lassen sich darüber hinaus auch mit der Peripherie erhandeln. Auf der Stadtkarte selbst errichten wir dann im Stile klassischer Aufbauspiele wie der historischen Anno-Reihe unsere Siedlung nach festen Maßstäben. Während manche Inhalte sich am Genrestandard orientieren, gibt es hierbei auch Elemente, die es so bislang noch nicht gab und Pax Augusta damit vom Einheitsbrei durchaus positiv abhebt.
Ansprüche und ihre Hürden
Beispielsweise legen wir zu Beginn eine Kreuzung fest, die in alle vier Himmelsrichtungen die beiden Hauptstraßen unserer Kolonie markiert. Diese beiden Straßen sind das heißeste Pflaster unserer Siedlung, an der am liebsten jeder Römer leben möchte. Entsprechend erhalten die Menschen, die in an den Hauptverkehrswegen liegenden Häusern wohnen, wertvolle Zufriedenheitsboni. Falls dies nicht der Fall ist, müssen wir darauf achten, dass wir verstärkt andere Bedürfnisse befriedigen. Römer sind in Pax Augusta unter anderem recht abergläubisch, weshalb wir ein Auge darauf haben sollten, Grabstätten mit großem Abstand zu den Wohngebäuden zu legen. Damit jeder Haushalt Zugang zum Wasser hat, müssen Brunnen in einem bestimmten Umkreis vorhanden sind. Aquädukte würden zwar mehr Sinn ergeben, sind aber gerade zu Beginn für die schmale Kasse nicht finanzierbar. Später sinnt es die Römer hingegen nach Unterhaltung. An den Grenzen des Römischen Reiches kann es genauso wie im von Korruption durchzogenen Beamtenapparat unserer Siedlung aber auch schon mal kriseln, weshalb wir auch darauf mit den nötigen Maßnahmen reagieren müssen. Peu à peu entwickelt sich Pax Augusta so über Stunden hinweg zu einem anspruchsvollen Aufbauspiel. Dementsprechend liegt es also an uns, etliche logistische Hürden bestmöglich zu meistern.
Detailverliebtheit bis ins Mark
All das klingt gut, wäre da nicht die wohlwollend hingenommene Detailversessenheit des Entwicklers. Wollen wir einen Tempel errichten, so muss dieser Teil des Forums sein, das den Stadtkern bildet. Damit der Tempel nach dem Bau gepflegt wird, benötigt es einen Sklaven. Diesen gibt es nur, wenn wir zuvor einen Sklavenmarkt errichtet und die Straßenanschlüsse an die Peripherie gelegt haben. Hinzu kommt, dass wir jedes Gebäude vor dem Bau einzeln mit Drehbewegungen so ausrichten, dass der Eingang an der Straße liegt. Während andere Titel vereinfachte Mechanismen verwenden, setzt Pax Augusta auf ein einsteigerunfreundliches, aber immerhin stets nachvollziehbares Konzept. Zusammen mit den recht verschachtelten Menüs, in denen es aber sinnvolle Optionen wie unterschiedlich große Gebäudevarianten gibt, richtet sich der Titel so eher an ein fortgeschrittenes Publikum oder verlangt zumindest Einarbeitungszeit, die über das trockene Tutorial hinausgeht. Audiovisuell reißt das Spiel ebenso keine Bäume aus. Uns gefällt zwar die dezente Hintergrundmusik, aber die grafische Oberfläche ist allenfalls zweckmäßig. Das Aufbauspiel wirkt eher so, als sei es in den späten 2000er-Jahren entstanden. Nostalgiker, die gerne gesehen hätten, wie es nach Caesar IV von 2006 weitergegangen wäre, erleben mit Pax Augusta also auch den visuell nächsten Schritt.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit: Wie Entwickler Roger Grassman habe ich als Kind gerne Zeit in Caesar II investiert. Entsprechend freue ich mich sehr darüber, dass ihm aufgefallen ist, dass es jahrelang kaum bis gar keine Videospiele mehr gab, die sich mit dem Römischen Reich insbesondere im Rahmen eines Aufbauszenarios beschäftigt haben. Schon von Beginn an hatte er daher die berechtigte Angst, dass ein großes Entwicklerstudio diesen Schritt gehen könnte, bevor er auch nur halb mit seinem Spiel fertig wäre. Dass in der Zwischenzeit mit Anno 117 ein Ausflug in die Antike angekündigt wurde, hat seine Sorge im Nachhinein bestätigt. Auch wenn mit dem Spiel aus dem Hause Ubisoft der nächste Genreprimus auf uns zugerauscht kommen könnte, hat Pax Augusta ganz eigene Qualitäten. Es versucht mit Authentizität und Detailversessenheit ein akkurates Bild vom Römischen Reich in Videospielform zu zeichnen. Dieser Ansatz funktioniert in der Theorie bestens und macht auch praktisch Spaß. In manchen Punkten ist das Spiel mit seinen Mechaniken aber ein wenig sperrig und macht die Auswirkungen so mancher Entscheidung erst in der laufenden Partie deutlich. Einsteigerfreundlich ist das in meinen Augen wirklich nicht. Wer sich aber in die kleinteiligen Mechaniken einarbeiten will, die durchaus Freude bereiten, und nicht mehr auf das mutmaßlich zugänglichere Anno 117 warten will, sollte Pax Augusta unbedingt eine Chance geben. Unter der betagten Oberfläche erwartet euch ein Aufbauspiel, in das ihr Stunden über Stunden investieren könnt.
Vielen Dank an Senatis für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Pax Augusta!