Review: Until Dawn

Videospielverfilmungen können das Ausgangsmaterial durchaus ehren. Oft genug geht der Schuss aber gehörig nach hinten los. Until Dawn aus dem Jahr 2025 ist ein Film, der sich bewusst von der Vorlage entfernt – und sich damit wohl einen ganz großen Gefallen tut.

Sowohl auf der PlayStation 4 als auch auf der PlayStation 5 gehört das Survival-Horror-Spiel Until Dawn aus dem Jahr 2015 zu den spannendsten Titeln des Genres – zumindest für jene Spieler, welche die Handlung dieses Videospiels noch nicht kennen. Wer den Titel bislang nicht gespielt hat oder aufgrund von Videospielabstinenz womöglich noch gar nicht kennt, der braucht höchstens zu wissen, dass es sich hierbei um einen halbwegs interaktiven „Film“ handelt. Zwar lässt sich die Umgebung im Original wie im Remaster von 2024 relativ frei erkunden, doch sobald es in den meist schlauchartigen Gebieten zu einer Entscheidung kommt, kann sich die Geschichte dank zahlreicher Schlüsselmomente unterschiedlich entwickeln. Selbst der Tod der Spielfiguren ist möglich. Mit diesem Gedanken im Kopf ist es natürlich schwierig, das Videospiel zu verfilmen – es sei denn, der Streifen ist ein genauso interaktiver Film, wie es das Spiel sein möchte. Dass dieser Umstand schwierig ist, war wohl auch dem schwedischen Regisseur David Fredrik Sandberg und seinem Team bewusst. Stattdessen hat sich das Produktionsteam eindeutig dafür entschieden, eine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Diese hat mit dem Spiel allerdings nur am Rande etwas zu tun, weshalb der Film wohl oder übel die Gemüter spaltet. Gerade deshalb verdient Until Dawn aber eine faire Chance.

Horror-Klischees mit plötzlichem Twist

Handlungstechnisch berichtet der Film von dem Road Trip der fünf Freunde Clover, Max, Megan, Nina und Abe. Clovers Schwester Melanie ist vor einem Jahr verschwunden, weshalb sie sich mit Hilfe ihrer Freunde auf die Suche nach ihr macht. Die Reise endet in der US-amerikanischen Kleinstadt Glore Valley, von der allerdings nicht mehr viel übrig ist. Ein Bergwerkunglück hat einen Großteil der Stadt vor etlichen Jahren dem Erdboden gleichgemacht. Als die Gruppe im menschenleeren Besucherzentrum ankommt, ereignen sich sonderbare Dinge. Hier frühstückt Until Dawn bereits einige Klischees des Horrorfilms ab: Die Telefonleitung ist tot, das Licht fällt aus, Gegenstände verändern wie durch Geisterhand die Position und aus einem Funkgerät kommen nur seltsame Störgeräusche, während draußen die Nacht anbricht und keine Hilfe in Sicht ist. Darüber hinaus hat jemand den Wagen der Gruppe gestohlen. Als dann noch ein maskierter Unbekannter in bester Michael-Myers-Manier ganz gemütlich durch das Haus schlendert und die Freunde allesamt umbringt, könnte der Film längst vorbei sein. Hier bricht der Film jedoch mit der Videospielvorlage umso mehr, denn eine Sanduhr entscheidet über Leben und Tod. Falls alle Freunde sterben, wachen sie am Abend wieder auf und müssen die letzte Nacht erneut durchleben. Immer und immer wieder!

Und täglich grüßt der Wendigo

Wer jetzt an Romane wie Replay: Das zweite Spiel denkt, dessen Konzept in Filmen wie Und täglich grüßt das Murmeltier oder A Day: The Hell that never ends auf die Spitze getrieben wird, irrt sich. Anstatt dass das Geschehen bis zur Dämmerung immer wieder gleich abläuft, verändert sich Nacht für Nacht die Bedrohung. Mal sind es übersinnliche Elemente, welche das Blut der Freunde gefrieren lassen, und mal tauchen Mörder, Hexen oder Wendigo genannte Kreaturen auf, welche der Gruppe ans Leder wollen. Dieser Ansatz ist durchaus erfrischend, da nicht vorhersehbar ist, welcher Gefahr sich Clover und Co als Nächstes stellen müssen. Ihr Ziel ist, die Nacht gemeinsam zu überleben. Mit der Zeit kristallisiert sich auch ein Antagonist heraus, der das genaue Gegenteil bezwecken will. Die Schauspielerriege ist hierbei mit eher weniger bekannten Namen wie Ella Rubin oder Belmont Cameli besetzt, was in Anbetracht der Leichtigkeit, wie der Film erzählt wird, aber durchaus in Ordnung ist. Nicht nur die Maske der Monster und etwaige Spezialeffekte wie das Aufplatzen von Körperteilen sind fantastisch inszeniert, auch die Musikuntermalung sorgt für zusätzliches Adrenalin. Im Bonusmaterial finden sich sogar zwei zusätzliche Szenen, die das Spektakel noch einmal intensivieren. Auch kurze Hintergründe zur Produktion runden Until Dawn wunderbar ab.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der Blu-ray-Fassung): Für mich gehört Until Dawn als Videospiel zu den besten Vertretern des Survival-Horror-Genres. Entsprechend gespannt war ich auf die filmische Umsetzung von Regisseur David Fredrik Sandberg. Anstatt aber die Filmhandlung nachzuerzählen, was mitunter für Kenner des Spiels sehr öde hätte sein können, setzt mir der Regisseur eine völlig neue Geschichte vor. Diese bedient sich nicht nur an den Klischees von Horrorfilmen, sondern bricht zuweilen auch mit dessen Regeln. Der Film kann und will sich nicht entscheiden, ob die Charaktere bloß immer wieder abgeschlachtet oder zerstückelt werden sollen. Stattdessen kommen auch übernatürliche Elemente hinzu. Er spielt außerdem mit der Psyche der Charaktere. Wer Body-Horror mag, kommt ebenfalls auf seine Kosten. Obwohl nicht anzunehmen ist, dass diese Mischung funktionieren kann, geht diese Rechnung unterm Strich überraschend auf. Natürlich kann der Film nicht in der oberen Liga der Horrorfilme mitspielen, aber er befindet sich in meinen Augen knapp darunter. Wer mit der Tatsache leben kann, dass es eben keine klassische Videospielverfilmung ist, oder mit dem Spiel an sich bis auf vereinzelte Elemente etwas zu tun hat, kann durchaus seinen Spaß mit Until Dawn haben. Wer das Spiel nicht kennt, muss sich darüber eh keine Gedanken machen.

Vielen Dank an Sony Pictures für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Until Dawn!

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