Review: Wächter von Mittelerde

Wächter von Mittelerde (1)Die Der-Herr-der-Ringe-Lizenz wird unter dem Banner von Warner Bros. Interactive groß ausgeschlachtet. Haben wir für Lego Der Herr der Ringe noch Verständnis, können wir bei Wächter von Mittelerde leider kein Auge mehr zudrücken.

Wächter von Mittelerde (2)Vorweg sei gesagt, dass dieser Titel nur für Spieler interessant ist, die sehr gerne online mit und gegen Freunde oder unbekannte Spieler spielen. Einen Offline-Modus bietet der Titel fernab des Tutorials nicht. Somit fällt zu alledem auch eine Story flach, die im Universum von Der Herr der Ringe von uns jedoch erwartet wird. Stattdessen erlernen wir in einem nicht sehr aussagekräftigen Tutorial die wichtigsten Grundbefehle und werden dann sprichwörtlich ins kalte Wasser geworfen. Wächter von Mittelerde dreht sich nämlich nur um eines: Schlachten. Wer nun aber an epochale Momente der Geschichte von Mittelerde denkt, wie etwa die Schlacht um Helms Klamm oder die Schlacht auf den Pelennor-Feldern, der wird wohl sehr enttäuscht sein. Die hier ausgefochtenen Schlachten lehnen sich nicht an diese an und sind in ihrer Grundstruktur sehr ähnlich. Es geht darum, dass sich die größten Persönlichkeiten des Mittelerde-Universums die Köpfe einschlagen und nebenher von magischen Wesen und auch Soldaten bei ihrem Unterfangen unterstützt werden. Das mag für Nichtkenner des Franchises ausreichen, doch Fans wird das bitter aufstoßen. Die Entwickler haben absolut nicht daran gedacht, dass Tolkiens Werke und selbst die Filmumsetzungen sehr idealistisch sind. Auf diesem Weg geht die Magie von Mittelerde peu á peu, von Schlacht zu Schlacht, flöten.

Falsche Vorstellungen

Wächter von Mittelerde (3)Alleine schon das Einleitungsvideo zeigt, dass man sich vorab keine großen Gedanken um die Lizenz gemacht hat. Da greift ein buckeliger und aggressiver Gollum den Zauberer Gandalf an, der sich mit aller Macht dagegen zu wehren versucht. Ein Unding, sofern man denn die Handlung kennt. Auf den Humbug, den die Entwickler hier fabriziert haben, möchten wir an dieser Stelle aber nicht weiter eingehen. Die wahren Tolkien-Fans werden sich das Spiel wohl ohnehin nicht herunterladen! Jedenfalls können die Scharmützel für sich genommen durchaus Spaß bereiten. So wählen wir zunächst aus kleinen oder großen Schlachten aus und dann den Wächter, also eine der großen Persönlichkeiten von Mittelerde. Mit diesem laufen wir dann über das Schlachtfeld von unserer Seite in das gegnerische Territorium. Die Gegenspieler sind derweil ebenfalls dabei, sich in den Krieg zu begeben. Meistens treffen sich beide Parteien in der Mitte des Schlachtfeldes und bekriegen sich. Für jeden getöteten Gegner und vor allem für jeden besiegten Spieler regnet es Erfahrungspunkte, mit denen unser Wächter aufstuft und wir ihm auf jedem neuen Level eine seiner vier Fähigkeiten verbessern. Gandalf schützt sich dann zum Beispiel mit der Flamme von Arnor und Éowyn heilt ihr Umfeld. Alle Wächter spielen sich recht unterschiedlich, wodurch die Schlachten meistens nicht ausbalanciert wirken.

Undurchsichtige Spielerzuteilung

Wächter von Mittelerde (4)Je länger die Schlacht dauert und je stärker wir werden, desto länger müssen wir warten, um wieder ins Spiel eintreten zu können, sollten wir auf dem Schlachtfeld fallen. Fähigkeiten und Erfahrung bleiben dabei aber erhalten. Es geht also immer wieder darum, sich ins Getümmel zu werfen, lange Laufwege auf sich zu nehmen und den Krieg ins Feindesland zu bringen. So verschiebt sich die Front immer mal mehr zwischen beiden Territorien. Um das Schlachtfeld noch einseitiger zu gestalten, haben die Entwickler daran gedacht, Items zu entwerfen, welche die Charaktere individualisieren sollen. Daran ist im Grunde nichts verkehrt, doch macht es in der restlichen Infrastruktur keinen Sinn. Wenn wir die Ausrüstung um neue Juwelen erweitern und die Wächter damit ausstatten, dann erhalten sie Boni auf Angriffe oder Geschwindigkeit. Da das Matchmaking-System aber alles andere als durchsichtig ist, nehmen wir stark an, dass alle Spieler zufällig ihren Kontrahenten zugeteilt werden. Neulinge werden höchstens in einer durchtrainierten Mannschaft bestehen können, doch sollten mehrere unerfahrene Spieler auf dem Schlachtfeld erfahrenen Spielern gegenüberstehen, dann dürfte die Niederlage für diese vorprogrammiert sein. Das ist schade, denn da haben selbst Unternehmen, die sich jahrelang gegen das Internet sträubten (Nintendo), die Nase mit ihrem Matchmaking-System vorn.

Lange Wartezeiten

Wächter von Mittelerde (5)Zu allem Übel ist das Spiel in seiner Download-Form noch nicht komplett. So haben sich die Entwickler von Monolith Productions den einen oder anderen Charakter aufgespart, die man dann nach und nach zum Herunterladen anbieten möchte. Unter dem Aspekt, dass das Spiel in seiner aktuellen Form noch nicht ausbalanciert ist und das Mittelerde-Universum konsequent aus dem Gleichgewicht bringt, ist das nicht gerade die feine englische Art. Auf der technischen Seite kann Wächter von Mittelerde noch nicht einmal solides Mittelmaß erreichen. Schlachten laufen in der Regel zwar flüssig ab, doch gelegentlich pausiert das Spiel kurzfristig, wenn die Verbindung zu einem Spieler neu aufgenommen werden muss. Bei zehn Spielern gleichzeitig ist das aber zu verkraften, doch sind es vor allem die Wartezeiten, die wir in Kauf nehmen müssen. Bis sich mal genügend Spieler gefunden haben, können locker fünf Minuten vergehen. Dass danach die Entscheidungen dermaßen schnell getroffen werden müssen, welcher Wächter und welche Ausrüstung wir auswählen, ist dann ebenfalls nicht sehr spaßig. Grafisch fällt der Titel sehr trist aus und selbst die Effekte wirken, als ob man sie bereits vor Jahren deutlich besser gesehen hätte. Wer jetzt noch auf den originalen Filmsoundtrack oder einen der (deutschen) Synchronsprecher hofft, dem wird zu guter Letzt die restliche Identität fehlen.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-3-Fassung): Als ich mir das Spiel auf der letzten Gamescom im Vorfeld ein wenig angeschaut habe, war mir schon klar, dass es sich wohl um einen Titel handeln muss, der nicht gerade im Kontext mit Tolkiens Universum stehen wird. In der fertigen Version schmerzt es mich aber zu sehen, dass man die Werte, die Tolkien einst in sein Werk einfließen ließ, überhaupt nicht zu spüren bekommt. Der Titel wirkt beliebig und es wäre wohl günstiger gewesen, sich ein eigenes Universum zu erschaffen. Da in diesem Jahr aber der erste Film zum Roman Der Hobbit in den Kinos anläuft, hat man sich aber gedacht, dass man die Cashcow weiterhin melken sollte. Schade, denn so verliert das Franchise seine Identität. Das Spiel an sich macht immerhin doch ein wenig Spaß, wenn auch nur bedingt. Es ist einfach unglaublich, dass sich der Titel vollkommen an Online-Spieler richtet. Weder gibt es einen Modus für Solisten oder einen Spiltscreen-Modus für Spielabende daheim. Zudem ist mir das Matchmaking-System zu undurchsichtig und sogar zu unfair gehalten. Unerfahrene Spieler werden auf Dauer keinen Spaß mit dem Titel haben und wer sich dennoch ins System einarbeiten will, sollte sich zuvor den einen oder anderen guten Guide anschauen, um vorab direkt zu wissen, wie das Spiel eigentlich funktioniert, denn erklärt wird so gut wie nichts. Die Hauptzielgruppe, also die Tolkien-Fans, werden mit Wächter von Mittelerde nicht glücklich werden und sollten eher zu Klassikern wie Schlacht um Mittelerde greifen.

Vielen Dank an Warner Bros. Interactive für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars zu Wächter von Mittelerde!

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