Am 18. August 2022 erschien hierzulande die große Jubiläumsbox der Anime-Serie One Piece. Satte dreißig Ausgaben lang dürfen Fans die Strohhutpiraten auf ihrer Reise begleiten. Da verwundert es aber stark, dass gerade die Folgen der dreißigsten Serienbox etwas enttäuschen.
Filler-Episoden gehören bei Anime-Serien, die seit etlichen Jahren laufen und zudem auch auf einer Manga-Vorlage basieren, einfach dazu. Bei der 1999 gestarteten Anime-Serie One Piece können diese Folgen aber ganz schön zermürben. Das heißt, bevor es in der dreißigsten Ausgabe so richtig losgeht, müssen die Zuschauer erst einmal so einige Rückblickfolgen in Kauf nehmen. Fans erinnern sich hierbei wohl oder über in die Geschehnisse der neunten Serienbox zurückversetzt, denn auch dort wurde bereits ein Handlungsstrang in die Länge gezogen. Das ist im dreißigsten Episodenpaket zwar nicht ganz so heftig, da Ereignisse thematisiert werden, die einige hundert Folgen zurückliegen, aber dennoch ist ein fader Beigeschmack keineswegs von der Hand zu weisen. Zu Beginn des neuen Erzählstrangs steht die bereits mehrfach angedeutete Reverie im Mittelpunkt der Geschichte. Hier treffen sich fünfzig Nationen, die quer über den Globus verteilt sind, in der heiligen Stadt Mary Joa zu einer Weltkonferenz. Mit von der Partie sind zum Beispiel das Königreich Alabasta, die Fischmenscheninsel oder die Regierung des Inselarchipels von Dress Rosa. Vertreter sind Charaktere, die Monkey D. Ruffy und seine Freunde bereits getroffen haben. Sie tauschen notgedrungen Erinnerungen aus und nehmen die Zuschauer mit auf eine Reise voller Nostalgie. Gelegenheitszuschauern wird so zwar ihr Wissen aufgefrischt, aber Hardcore-Fans der ersten Stunde könnten sich daran echt stören.
Neue Einzelheiten, aber zu viele Rückblenden
Nebenher erhalten die Zuschauer Einblicke in die Geschichte der Revolutionsarmee, die sich heimlich nach Mary Joa begibt und es tatsächlich schafft, sich einzuschleusen. Die Erzählung wird hierbei vor allem aus der Sicht von Sabo erzählt, der die Herrschaft der Weltaristokraten stoppen will. Interessant sind definitiv auch die vielen Einzelheiten über die Welt, in der One Piece spielt, die aus Sicht der Gegenspieler immer mal wieder eingeworfen werden. Es ist in den wenigen Momenten, die nicht aus Flashbacks bestehen, wirklich erfrischend, tiefer in das Universum einzutauchen. Dass das sicherlich auch abgekürzt hätte werden können, steht wohl außer Frage, aber dann würde sich Tōei Animation mit der Beliebtheit des Franchises ja nicht so sehr die Taschen vollstopfen können. Nach etwa der Hälfte der enthaltenen 24 Episoden wird die Handlung deutlich stärker aus der Sicht von Strohhut Ruffy, Navigatorin Nami, Musiker Brook, Smutje Sanji Schiffsarzt Chopper und ihrer Begleiterin Carrot geschildert. Nach den Geschehnissen auf Whole Cake Island ist die Bande auf dem Weg nach Wa no Kuni – um sich dort mit ihren Freunden zusammenzuschließen, die in der Gesellschaft des absolut japanisch angehauchten Inselreichs untergetaucht sind. Gemeinsam wollen sie einen der vier Kaiser stürzen und die Ordnung in Wa no Kuni wiederherstellen. Kaidō der hundert Bestien wartet aber nur darauf, dass die Strohhutpiraten zuschlagen und bringt seine Leute in Stellung.
Japanische Einflüsse aus der Kunst
One Piece bedient sich in der dreißigsten Serienbox einem bekannten Stilmittel, denn wie so häufig werden die Strohhüte bei ihrer Ankunft in Wa no Kuni voneinander getrennt. Deshalb dürften die Zuschauer auch in den nächsten Episodenpaketen, die sich mit diesem Handlungsstrang beschäftigen, auf viele unterschiedliche Zeit- und Erzählebenen treffen. Der Einstand in Wa no Kuni läuft noch sehr gemächlich ab, was mitunter auch daran liegt, dass die Geschichte der Episoden aus dem Jahr 2019 schon kurz nach der Ankunft durch Bonusfolgen unterbrochen werden, die eine alternative Story der Strohhüte behandeln und daher eigentlich schon übersprungen werden können. Sonderlich spannend sind diese Folgen obendrein auch nicht. Was den ersten Folgen dieser Staffel an Inhalten fehlt, machen sie aber mit einem leicht veränderten Zeichenstil wieder wett. Schon vor dem Eintreffen in Wa no Kuni erinnern die Wellen des Meeres stark an Ukiyo-e, einem japanischen Zeichenstil, der häufig, aber nicht nur mit dem japanischen Farbholzschnitt in Verbindung gebracht wird. Auch diverse Charaktere und die Konturen von Lorenor Zorro erinnern daran. Es ist schön zu sehen, wie sich hier stilistisch ausgetobt wird, ohne gleich einen Bruch zu erzwingen. Kunsthistoriker dürften an dieser und wohl auch den weiteren Serienboxen der Wa-no-Kuni-Erzählung ihre wahre Freude beim Analysieren und Vergleichen haben. Storytechnisch muss diese aber besser werden!
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf den Episoden 878 bis 902 der Serie): Auch wenn Anime und Manga für sich genommen schon eine Kunstform bilden, so ist es doch faszinierend, wie teils Jahrhunderte alte Stile ihre Rückkehr feiern. Die Anime-Serie One Piece nutzt unter anderem Merkmale des Ukiyo-e so dezent an der Darstellung einzelner Details, dass sie den Zuschauern zwar sofort ins Auge springen, diese die Einzelheiten aber als Teil des Gesamtbildes ohne mit der Wimper zu zucken akzeptieren. Aus einer kunsthistorischen Perspektive sind die Folgen der dreißigsten Serienbox durchaus ein spannendes Diskussionsthema. Storytechnisch können die Episoden aber leider nicht ganz überzeugen. Das liegt eigentlich nur daran, dass One Piece einmal mehr viel zu viele Rückblenden am Stück präsentiert und Bonusfolgen einbaut, die überhaupt nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun haben. Zusammengenommen bieten unterm Strich nur die Hälfte der Episoden wirklich neue Inhalte. Das ist vom Animationsstudio zwar gut gemeint, da teilweise wirklich weit zurückliegende Ereignisse dargestellt werden, doch gerade Fans, die einfach nur wissen wollen, wie es weitergeht, dürften sich daran stören. Damit fällt die 30. Serienbox leider etwas schwach aus, aber da sich One Piece erfahrungsgemäß schnell von solchen Strapazen erholt, bin ich zuversichtlich, dass es sehr schnell wieder aufwärts geht.
Vielen Dank an Kazé Anime für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von One Piece: Box 30 (Episoden 878–902)!