Ursprünglich für September 2022 geplant, konnte der Veröffentlichungstermin für Xenoblade Chronicles 3 auf den Juli desselben Jahres vorverlegt werden. Entwicklerstudio Monolith Soft kann mit dem wahrhaftig riesigen Switch-Rollenspiel sowohl begeistern als auch ermüden.
Xenoblade Chronicles 3 erzählt die Geschichte der beiden verfeindeten Nationen Agnus und Keves. Zusammengerottet in verschiedenen Kolonien müssen die Bewohner, allesamt Jugendliche bis junge Erwachsene, ums Überleben kämpfen. Töten sie ihre Feinde, füllt sich die ominöse Flammenuhr einer Kolonie, die dadurch weiterhin bestehen darf. Ziel eines jeden Individuums ist, das zehnte Intervall zu erreichen, um im Rahmen einer Zeremonie die Lebensspanne zu beenden. Der Tod ist jedoch nur der Beginn eines neuen Zyklus, der nach der Wiedergeburt erfolgt. Mitten in diesem aussichtslosen Kreislauf befinden sich die Kämpfer Noah, Lanz und Eunie, die während eines Gefechts gegen Agnus auf die drei Krieger Mio, Sena und Taion treffen. Gemeinsam bemerken sie einen Mann, der anscheinend schon deutlich mehr Intervalle, sprich Jahre, gealtert ist. Kurz vor seinem Ableben erfahren sie, erzähltechnisch so kryptisch wie möglich, dass sie eine Lüge leben und die Konsuln, die Anführer der Kolonien, aus eigensinnigen Zwecken handeln. Mit ein wenig Skepsis bricht über der sechsköpfigen Charakterriege nach und nach ein Kartenhaus zusammen. Die sechs Protagonisten beschließen gemeinsam, die mysteriöse City zu finden, die sich in der Nähe eines gigantischen im Boden steckenden Schwertes befinden soll. Dort sollen sie Antworten auf ihre Fragen finden.
Philosophische Fragen
Wie schon die vorherigen Spiele des Entwicklerstudios ist auch Xenoblade Chronicles 3 voll von philosophischen Fragen. Leben und Tod, Wahrheit und Lüge, Freund und Feind, höherer Zweck und niederes Verlangen und die Sinnlosigkeit des Krieges sind Aspekte, die im Spiel von Monolith Soft angerissen werden. Aufgrund dessen, dass diese Gedanken nur peu à peu im Handlungsverlauf aufgegriffen werden, dauert es eine gewisse Zeit, bis die Story ins Rollen kommt. Immer wieder kommt es zu besonderen Momenten, die uns tiefer in die Geschichte und das Universum des Rollenspiels eintauchen lassen. Das auf etliche Stunden angelegte Abenteuer erzählt weitgehend eine eigenständige Handlung, nutzt aber bruchstückhaft Elemente aus Xenoblade Chronicles und Xenoblade Chronicles 2. Gespielt haben müsst ihr die beiden Vorgänger aber nicht, um den Kern des Rollenspiels mit seinen vielschichtigen Aussagen verstehen zu können. Wenige Aha-Erlebnisse bleiben euch so, gerade zum Finale hin, aber verwehrt. Einlassen müsst ihr euch in jedem Falle auf ausufernde Zwischensequenzen und ellenlange Dialoge, die meist stringent zum nächsten Ziel der Heldenreise leiten. Die Gespräche zwischen den Charakteren und den zahlreichen Nebenfiguren sind zwar interessant und oft sehr tiefgründig geschrieben, lassen jedoch zu viel Raum für Nebensächlichkeiten
Langatmige Geschichte
Es mag menschlich erscheinen, wenn sich die Figuren über persönliche Interessen und dergleichen unterhalten, es zieht Xenoblade Chronicles 3 aber unfassbar in die Länge. Dieser Umstand ist nicht nur in den Hauptmissionen zu erkennen, die wir allesamt bewältigen müssen. Auch die Nebenaufgaben, die zum Teil sogar etwas besser als die Story selbst geschrieben sind, ufern irgendwann aus. Kaum haben wir eine neue Kolonie besucht und sie von ihrem Konsul befreit, poppen auch schon die ersten Quest-Markierungen auf. Für das Abschließen der Nebenquests verbessern wir unsere Bindung zur Kolonie, was wiederum neue Nebenaufgaben freischaltet. Da wir in den Nebenaufgaben, trotz der schönen Geschichten, die währenddessen erzählt werden, aber immer wieder dieselben Missionsziele erfüllen, ermüdet das System auf Dauer sehr. Irgendwann haben wir einfach genug Gegner besiegt oder besondere Gegenstände eingesammelt. Darüber hinaus fallen die Belohnungen für das Abschließen der Quests im späteren Spielverlauf, wenn wir schon Stunden vor dem Abspann den Maximallevel erreicht haben, zu marginal aus. Was in Xenoblade Chronicles 3 anfangs noch motivierend wirkt, entpuppt sich nach dutzenden Stunden immer mehr als Fleißarbeit. Eine Ausnahme bilden die Helden-Quests, die uns weitere und stellenweise nötige Verbündete einbringen.
Klassen und Rollen
Neben der sechsköpfigen Gruppe steht uns immer ein besonderer Held zur Seite. Jeder neue Held schaltet für einen der sechs Gruppenmitglieder eine weitere Klasse frei, die sich auf die Rollen Angreifer, Verteidiger und Heiler aufteilen. Je länger die Klasse für den entsprechenden Charakter gewählt wird, desto eher steht sie den anderen Verbündeten zur Verfügung. In unseren Augen gehört das Klassensystem zu einem der Höhepunkte des Abenteuers, nutzen doch inzwischen viel zu wenige Rollenspiele derlei Mechaniken. Ungelogen kann Xenoblade Chronicles 3 bezüglich des Klassensystems mit Klassikern wie Final Fantasy V mithalten. Monolith Softs Werk geht jedoch noch einen Schritt weiter und verknüpft das Klassensystem mit einem Rollensystem wie in einem Online-Rollenspiel. Während die Angreifer den Gegnern ordentlich einheizen, ziehen die Verteidiger die Aufmerksamkeit auf sich und im Hintergrund verarzten die Heiler Wunden und unterstützen die anderen Figuren. Theoretisch funktioniert das ganz gut, doch je nach Klassenkombination, Klassenlevel und persönlichen Fähigkeiten können selbst Gegner auf niedrigeren Stufen die Oberhand gewinnen. Zugegeben ist dieser Umstand eher ganz zu Beginn des Spiels ein Problem und kommt später nur selten vor, doch von vorne bis hinten ausbalanciert ist Xenoblade Chronicles 3 leider nicht so ganz.
Mächtige Fähigkeiten und Verwandlungen
Streifen wir durch die weiten Ebenen der Spielwelt Aionios, die regelrecht zum Erkunden einlädt, laufen wir aller paar Nasen lang in Gegnerhorden hinein. Die Feinde erinnern an ausgestorbene oder rezente Tiere. Unter anderem kämpfen wir gegen fiese Truthähne, riesige Affen, noch größere Giraffen, gepanzerte Nashörner, aufmüpfige Hasen oder bösartige Eulen. In Echtzeit schicken wir unseren Protagonisten übers Schlachtfeld, der automatisch zu seiner Waffe greift. Lediglich Spezialmanöver, die Zeit zum Aufladen benötigen, müssen wir manuell befehligen. Je besser wir unsere Rolle verkörpern, desto eher können wir eine besonders starke Attacke entfesseln. Relativ früh im Spiel schalten wir darüber hinaus eine Fusionsfähigkeit frei. Jeweils zwei zueinander gehörende Charaktere, beispielsweise Noah und Mio, können sich dann in einen mächtigen Ouroboros verwandeln. Kurzfristig stecken wir dann jeglichen Schaden weg und sind eine noch größere Gefahr für jeden Gegner. Durch das Erkunden der Spielwelt, für das Öffnen von truhenähnlichen Containern oder dem Abschließen von Quests erhalten wir Spezialpunkte, die wir in die Fähigkeiten der Ouroboroi stecken können. Darüber hinaus erlernen wir je nach gelernter Klasse besondere Fähigkeiten, von denen wir drei an der Zahl bei einer anderen Klasse verwenden können. Hier ist das Spiel kreativ.
Eine Frage der Ausrüstung
Weitere Individualisierung findet in Xenoblade Chronicles 3 über Ausrüstungsgegenstände statt. Diese nehmen wir entweder Gegnern im Kampf ab oder wir erwerben sie im Laden. Wirklich nötig ist dies aber nicht. Einerseits haben wir nach 173 Spielstunden, die für einen möglichst vollen Durchlauf des Spiels benötigt werden, ein mit Ramsch vollgestopftes Inventar und inflationär viel Geld. Andererseits können wir unsere Charaktere automatisch ausrüsten, was wir klar empfehlen würden, weil es sonst viel zu lange dauert, durch ungelogen hunderte Rüstungsteile zu navigieren. Zudem benötigen wir immer dann, wenn wir die Klasse wechseln, neues Equipment. Auf Dauer kann der Ausrüstungswechsel je nach bevorzugter Methode durchaus nerven. Allgemein lässt sich sagen, dass Xenoblade Chronicles 3 mit etlichen Items vollgestopft ist. Kaum bewegen wir uns fünf Meter vorwärts, sammeln wir automatisch das nächste Item ein, das wir brauchen, um beispielsweise Juwelen zu schmieden, die weitere Verbesserungen bringen, oder um das Vertrauen zu einer anderen Kolonie zu verbessern, um neue Quests freizuschalten. Auch wenn das Juwelenschmieden deutlich einfacher ist als noch im Seriendebüt, fragen wir uns, warum der dritte Teil so derart vollgestopft sein muss mit Nonsens, wenn es auch mit deutlich weniger Items und Ausrüstung gehen würde.
Audiovisuell schönes Gesamtbild
Bedientechnisch funktioniert Xenoblade Chronicles 3 bis auf den Umstand, dass die Menüstrukturen teils arg verschachtelt sind, hervorragend. Blitzschnell lassen sich im Kampf Charaktere wechseln und nach ein wenig Einarbeitungszeit geht die restliche Steuerung in Fleisch und Blut über. Allerdings läuft das Spiel aufgrund der schwachen Hardware der Switch nicht durchweg rund. Wenn wir durch kleinere Gebiete streifen oder Höhlen untersuchen, bleibt die Bildwiederholrate stabil. Sind wir aber von Gegnern umzingelt und das auch noch unter freiem Himmel, gerät die Framerate schon mal ins Stottern. Da grenzt die phänomenale Weitsicht an ein Wunder, auch wenn bewegliche Elemente erst beim Annähern nachgeladen werden müssen. Schick ist das Spiel mit seinem Grafikstil auf jeden Fall und gerade Kenner der beiden Vorgänger werden optisch ein paar Ähnlichkeiten entdecken, die sogar handlungsbedingt erklärt werden. Bei der Musik gibt es nichts zu meckern. Sowohl die Kampfmusik als auch die Melodien, die uns beim Erkunden begleiten, wirken wie aus einem Guss und motivieren uns durchweg, das Spiel zum Abschluss zu bringen. Noch dazu punkten die guten englischen und japanischen Synchronsprecher. Xenoblade Chronicles 3 ist fast vollständig vertont. Ausnahmen bilden etliche Nebenquests und nebensächliche Dialoge. An allen Ecken und Enden ist anzumerken, dass Monolith Soft viel Liebe ins Spiel gesteckt hat, auch wenn das so manch nicht zu Ende gedachte Idee nicht vermuten lässt. Zu viel ist manchmal einfach zu viel!
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit: Xenoblade Chronicles 3 wäre ein fantastisches japanisches Rollenspiel, wären da nicht viele kleine Dinge, die mich persönlich auf Dauer zu sehr stören. Bitte versteht mich nicht falsch! Das Werk aus dem Hause Monolith Soft ist immer noch ein sehr gutes Rollenspiel, das mit seiner Story und den interessanten Charakteren und Helden bis auf das langatmige wie langweilige Finale spielerisch überzeugt. Die Kämpfe laufen dank der gelungenen Klassen- und Rollensysteme in der Regel einwandfrei, auch wenn die künstliche Intelligenz manchmal nicht die Allerbeste ist. Leider begebe ich mich auch zu häufig in Kämpfe, wodurch ich schon viele Stunden vor dem Abspann an der Stufenobergrenze angelangt bin. Eine Möglichkeit, den Level zu reduzieren, gibt es erst nach dem Durchspielen. Dafür motiviert mich wiederum das Erkunden der Spielwelt, denn überall entdecke ich einzigartige Orte, die mir dennoch ein wenig vertraut vorkommen. Was mich am meisten stört, ist die Tatsache, dass Xenoblade Chronicles 3 bis obenhin mit unnötigem Ballast vollgestopft ist. Trotz der schönen Geschichten laufen die Quests nach dem gleichen Prinzip ab. Noch dazu gibt es Unmengen von Gegenständen, die das Spiel einfach nicht gebraucht hätte. All das zieht sich irgendwann so unfassbar in die Länge, dass ich mich bis zum Abspann durchquäle und zu guter Letzt mit einem unspektakulären Finale abgespeist werde. Es ist möglich, mit dem Rollenspiel über Monate hinweg immer wieder eine gute Zeit zu haben, doch bietet das Genre Alternativen, die mit ähnlich horrenden Spielzeiten deutlich besser unterhalten können.
Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Xenoblade Chronicles 3!