Review: Classroom of the Elite (Staffel 1)

Zwischen 2015 und 2019 schrieb der japanische Autor Shōgo Kinugasa an der Light Novel Classroom of the Elite, die seit 2016 als Manga und seit 2019 zudem als Anime-Serie umgesetzt wird. Die erste Staffel macht hierbei aber keinen sonderlich guten Eindruck auf uns.

Konzepte wie Schulsysteme in populärkulturellen Werken unterzubringen und auszuschlachten ist keine neue Erfindung und gab es schon in etlichen Videospielen, Serien, Romanen oder Filmen wie zum Beispiel Harry Potter. Bei Classroom of the Elite konzentriert sich das Geschehen, wie der Titel es zunächst vermuten lässt, jedoch auf eine einzelne Klasse. Obwohl dieses Konstrukt schon im Verlauf der ersten Staffel zu einem guten Teil aufgebrochen wird, zeugen gerade die ersten Episoden von hoher Qualität. So fühlt sich die Story zu Beginn der zwölf Folgen umfassenden Season noch sehr stringent und zielführend an. Der Zuschauer wird mit dem Charakter Ayanokōji Kiyotaka an die Hand genommen. Diesen verschlägt es an eine Oberschule im Herzen von Japans Hauptstadt Tōkyō, an der jedoch andere Gesetze herrschen. In gewisser Weise erinnert die Oberschule an ein Gefängnis, denn verlassen dürfen die Schüler das Schulgelände nur unter bestimmten Umständen. Dennoch bietet die Oberschule alles, was sie zum alltäglichen Leben benötigen. Das schließt auch Freizeitaktivitäten wie den Besuch von Cafés, Kinos oder Karaokebars mit ein. Anstatt Yen bezahlen Kiyotaka und seine Mitschüler mit Punkten, die ihnen zu Beginn jedes Monats gutgeschrieben werden sollen. Einen Monat nach Schulbeginn bricht in Classroom of the Elite jedoch die Verzweiflung aus.

Oberflächlicher Wirrwarr

Grund dafür ist die Trägheit, in die viele der Schüler verfallen. Sie erbringen schlicht keine Leistung und die Noten in den Klausuren sind alles andere als gut. Chabashira Sae, die Lehrerin der D-Klasse, die Kiyotaka besucht, klärt sie auf: Nur wenn sie als Klassengemeinschaft Leistung erbringen, erhalten sie eine Gutschrift auf ihr Punktekonto. Was anfangs wie ein spannender Aufhänger für die Handlung klingt, entpuppt sich spätestens ab der vierten Episode als Rohrkrepierer. Immer mehr verliert die Geschichte ihre anfänglich noch vorhandene Struktur. So schlimm wie die letzten Episoden von Neon Genesis Evangelion ist dieser Umstand in Classroom of the Elite zwar nicht so werten, doch ist es äußerst schade, in welche Richtung sich der Plot entwickelt. Zunächst stehen offenbar noch die Charaktere im Mittelpunkt, über die der Zuschauer spannende Details und Hintergründe erfahren will, was den Konsum der Serie tatsächlich anheizt. Die quirlige Kushida Kikyō gibt sich nach außen hin offenherzig, ist aber zumindest teilweise eine falsche Schlange und hegt besonders einen Groll gegen ihre Mitschülerin Horikita Suzune. Diese ist wiederum zurückhaltend und will keine Freundschaften schließen. Für sie ist Erfolg das einzige Ziel im Leben, das zählt. Dennoch bleiben die Figuren, zumindest in der ersten Staffel, weitgehend sehr oberflächlich.

Philosophische Einfachheit

Am problematischsten ist in Classroom of the Elite allerdings die Verschiebung des Handlungsortes. In der zweiten Staffelhälfte verschlägt es die Charaktere auf eine unbewohnte Insel mitten im Pazifik, auf der sie eine Woche lang ums Überleben kämpfen sollen. Auch hier müssen sie mit ihren begrenzten Punkten haushalten. Noch dazu geht es darum, den Anführer der Parallelklassen zu enttarnen und dafür Punkte für die Klasse zu sammeln. Auch wenn der Zusammenhalt in der D-Klasse damit gefördert wird, herrscht allgemein Konkurrenzdenken vor, der im Psychoterror endet. Das liegt auch an den zahlreichen Abziehbildchen von testosterongesteuerten Widersachern, die ihren Klassenkameraden das Leben zur Hölle machen. Es ist mehr als nur anstrengend, die ersten zwölf Episoden durchzuhalten. Der philosophische Ansatz, der durch ein Zitat zu Beginn jeder Folge unterlegt wird, wertet die Anime-Serie auch nicht auf. Der philosophischen Komplexität eines The Garden of Sinners kann Classroom of the Elite nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen. Szenario und Setting würden sich so gut für eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Persönlichkeiten der Charaktere eignen, doch spielen die beiden Regisseure Hashimoto Hiroyuki und Kishi Seiji das Potenzial nicht aus. Was mitunter als Light Novel funktioniert, klappt also in Anime-Form nicht unbedingt.

Ermüdende zwölf Episoden

So stellt sich vielleicht die Frage nach der Daseinsberechtigung der Anime-Serie von Classroom of the Elite. Selbst der Storytwist am Ende der ersten Staffel ist derart seicht, dass er bei uns nur ein müdes Lächeln hervorruft. Die zwölf Folgen der Season decken zudem nur einen Zeitraum von ungefähr drei bis vier Monaten ab, was erschreckend ist, da die Oberschulzeit in Japan regulär drei Jahre umspannt. Eine zweite Staffel erschien im Jahr 2022 und eine dritte Staffel startete im Frühjahr 2024. Ob die Fortsetzungen besser funktionieren, kann zu diesem Zeitpunkt nur gemutmaßt werden. Zu wünschen wäre es, denn wenn es in diesem müden Trott weitergeht, der sich vom Auftakt derart weit entfernt hat, dann ist die Serie nicht mehr zu retten. Unter technischen Gesichtspunkten glänzt das Werk von Animationsstudio Lerche, die beispielsweise für Assassination Classroom verantwortlich sind, nur bedingt. Während die Umgebungsgrafiken zum visuellen Standard des Anime-Sektors gehören, heben sich die Charaktermodelle positiv etwas davon ab. Nichtsdestotrotz sind die Figuren nur spärlich animiert, was womöglich aber auch am Setting selbst liegt, in dem einfach nur wenig passiert und mehr geredet wird. Der Soundtrack von Takahashi Ryō ist in Ordnung, reißt aber keine Bäume aus. Wer sich auf Classroom of the Elite einlassen will, muss also genügend Kondition mitbringen.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei Crunchyroll): Von Classroom of the Elite habe ich mir deutlich mehr erhofft. Inszenatorisch japanische Oberschulen als Setting zu nehmen, ist oftmals eine sichere Sache. Nicht jedoch bei dieser Anime-Serie, die nach den ersten drei bis vier Episoden sehr stark abbaut. Stehen anfänglich noch die Charaktere im Mittelpunkt, über die ich mehr erfahren will, geht es spätestens in der zweiten Staffelhälfte nur noch darum, dass die Charaktere den Schülern der Parallelklassen eins auswischen wollen, um besser dazustehen. Da hilft auch das Punktesystem nur wenig, bei dem der eine oder andere Zuschauer ohnehin den Überblick verlieren dürfte. Nach und nach verlieren die einzelnen Charaktere an Bedeutung und durch den Wechsel an einen anderen Handlungsort fehlt es der Serie auch an ihrem Erkennungsmerkmal. Ihr merkt schon: Von der Serie bin ich nicht wirklich angetan und kann sie daher auch nicht empfehlen – zumindest bis zu dieser Stelle. Ob die zweite Staffel von Classroom of the Elite die erhoffte Rettung bringt, sei einmal dahingestellt. Ich glaube zwar nicht daran, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

Vielen Dank an Crunchyroll für die freundliche Bereitstellung des Zugangs zum Streaming-Angebot!

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