Review: Meiji Gekken: 1874

Zahlreiche populärkulturelle Werke wie Rurōni Kenshin nutzen die Meiji-Periode, um den Schwanengesang der Samurai-Ära in den Fokus der Erzählung zu rücken. Dieser durchaus spannende Konflikt kommt ebenfalls in der Anime-Serie Meiji Gekken: 1874 zur Geltung.

Eine der spannendsten japanischen Zeitepochen ist vermutlich die Meiji-Zeit, da in dieser Ära das Land der aufgehenden Sonne vor neuen Herausforderungen stand. Die zweieinhalb Jahrhunderte andauernde Herrschaft der Samurai unter den Tokugawa-Shōgunen war gebrochen. An der Spitze Japans stand erneut der Kaiser, doch gravierender dürfte der aufgeblühte Kontakt mit ausländischen Nationen aus Europa und Nordamerika sein. Um in der Welt als fortschrittliches Land wahrgenommen zu werden, war es wichtig, sich politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich zu öffnen. Dass diese Ansicht nicht jeder und gerade nur ein Teil der ehemaligen herrschenden Elite zustimmten, führte in den ersten Jahren der Zeitepoche zwischen den verschiedenen Parteien zu einem Kräftemessen, das in blutigen Auseinandersetzungen gipfelte. Meiji Gekken: 1874 findet zu Beginn der von 1868 bis 1912 andauernden Periode statt und zeigt in gewisser Weise ungeschönt, aber nicht weniger romantisiert, die angespannten Verhältnisse in Japan. Obwohl durch den erzählten Zeitraum und das Auftreten historischer Persönlichkeiten die Anime-Serie aus dem Jahr 2024 leichte dokumentarische Züge aufweist, ist die Geschichte rein fiktiv. Sie fügt sich aber nahtlos in das im Tsumugi Akita Animation Lab entstandene Historiendrama ein, ist jedoch stellenweise konfus erzählt.

Drei verschiedene Hauptfiguren

Konfus ist die Geschichte von Meiji Gekken: 1874 deshalb, da die Serie zwar versucht, den ehemaligen Samurai Origasa Shizuma in den Mittelpunkt der Erzählung zu rücken, sich gleichzeitig aber bemüht, zwei weitere Charaktere gleichwertig zu behandeln. Gerade zu Beginn fehlen verständliche Verknüpfungen zwischen dem Ensemble, die erst in den letzten drei von insgesamt zehn Episoden ans Tageslicht kommen. Shizuma arbeitet zunächst als Rikschafahrer, doch schon zu Beginn der Serie wechselt er zur Polizei, um Verbrechen aufzuklären. Da er nach seiner vermissten Verlobten sucht, kommt ihm der Berufswechsel gerade recht. Bei der zweiten wichtigen Figur handelt es sich um den einäugigen Schwertkämpfer Shuragami Kyōshirō, der sich den kriminellen Yakuza des Moriya-Klans unter Leitung von Moriya Ryūzō anschließt. Die Moriya sind zwar stets auf den eigenen Vorteil aus, arbeiten jedoch mit Mächten zusammen, welche die Meiji-Regierung stürzen wollen. Auf dieser Seite arbeitet auch die Auftragsmörderin Hinazuru, die zunächst mit Gift, später auch mit Waffengewalt ihre Gegner aus dem Weg räumen will. Es entsteht ein Konflikt zwischen der Polizei und den Yakuza, der schnell politische Ausmaße annimmt. All das ist grundsätzlich spannend, aber es fehlen zum besseren Verständnis einfach Szenen, die für die Verknüpfungen hilfreich wären.

Erwachsenes Erscheinungsbild

Oft ist dem Zuschauer nicht klar, welche Ziele primär verfolgt werden. Ob Shizuma nach seiner Verlobten sucht oder das Verbrechen bekämpft, ist nicht sofort ersichtlich. Wer sich auf Meiji Gekken: 1874 von Regisseur Tamamura Jin einlässt, sollte das im Hinterkopf behalten. Wie gesagt, am Ende setzen sich die einzelnen Aspekte setzen zu einem verständlichen Gesamtbild zusammen – nur der Weg dorthin hätte nicht so holprig sein müssen. Deutlich mehr überzeugt die audiovisuelle Gestaltung der Anime-Serie, die in einem erwachsenen Stil gezeichnet ist. Gerade die japanischen Wohnorte und die Innenräume, die wie die politischen Verhältnisse einen Konflikt zwischen Tradition und Veränderung darstellen, überzeugen. In nächtlichen Szenen, in denen Lichteffekte zum Einsatz kommen, weiß das Bild zu verzaubern. Lediglich das Charakterdesign der Hauptfiguren hebt sich in den Gesichtszügen zu stark von den Nebenfiguren ab. Dafür funkt es bei der gelungenen japanischen Synchronisation. Komponist Katayama Shūji, der bereits den atmosphärischen Soundtrack von Saga of Tanya the Evil zu verantworten hat, unterlegt das Spektakel stimmungsvoll. Szenen, in denen auch schon mal literweise Blut spritzt und Gliedmaßen abgetrennt werden, bleiben so nachhaltig in Erinnerung. Über das obere Mittelmaß kommt Meiji Gekken: 1873 deshalb aber nicht heraus.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf dem Stream bei Crunchyroll): Für die japanische Geschichte habe ich mich schon immer interessiert. Daher begrüße ich es auch, wenn sich Werke einzelne Zeiträume herauspicken, um die historischen Tatsachen zumindest in romantisierter Form einem größeren Publikum näherzubringen. Dies gelingt Meiji Gekken: 1874 ganz gut, auch wenn das Werk überwiegend fiktiv bleibt. Problematisch ist in meinen Augen in dieser Hinsicht, dass oft nicht ganz klar ist, auf welches Ziel die Anime-Serie gerade hinarbeitet. Es ermüdet mich, wenn ständig verschiedene Ansätze miteinander gemischt werden, wodurch die Story sichtlich nicht vorankommt. Erst in den letzten drei der insgesamt zehn Episoden gelingt es dem Werk des Tsumugi Akita Animation Lab, zu einem halbwegs zufriedenstellenden Ergebnis zukommen. Ebenfalls nicht gut gelungen ist der Umgang mit dem Charakterdesign, denn gerade die Gestaltung der Hauptfiguren hebt sich viel zu stark vom restlichen Ensemble ab. Hier hätte ich mehr Feingefühl erwartet, da dieser Umstand deutlich hervorsticht. Ansonsten überzeugt die Serie jedoch mit einem visuell ansprechenden Gesamtbild und einer tollen auditiven Untermalung. Berücksichtige ich alle positiven wie negativen Aspekte, bleibt Meiji Gekken: 1874 für mich jedoch eine durchschnittliche Anime-Serie, die sich eigentlich nur die größten Fans von Historienserien ansehen sollten. Alle anderen verpassen nicht viel.

Vielen Dank an Crunchyroll für die freundliche Bereitstellung des Zugangs zum Streaming-Angebot!

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