Erstmals erschien das Survival-Horror-Abenteuer Until Dawn im Jahr 2015 für die PlayStation 4. Ähnlich wie The Last of Us musste auch dieser Genrevertreter eine Neuauflage für die PlayStation 5 erhalten, die ein paar Änderungen mit sich bringt, aber vieles beim Alten belässt.
Mitte der 2010er-Jahre haben sich viele Survival-Horror-Spiele überwiegend dazu entwickelt, das Grauen mit purer Waffengewalt zu bekämpfen. Until Dawn bildet auch im Jahr 2024 eine angenehme Alternative, auch wenn fairerweise gesagt werden muss, dass zwischen beiden Veröffentlichungsjahren weitere Titel hinzugekommen sind, die sich vom Einheitsbrei positiv abheben. Until Dawn will uns jedenfalls mit seiner Geschichte und vielen Ereignissen, die in diese eingebettet sind, das Fürchten lehren. Das Spiel dreht sich um zehn Freunde, die sich mitten im Winter in einer Berghütte einnisten. Um sich die Zeit zu vertreiben, entschließen sie sich dazu, der in Mike verliebten Hannah einen Streich zu spielen. Gedemütigt flieht sie aus dem Haus in die dunkle Nacht und hinein in einen Schneesturm. In der Rolle ihrer Schwester Beth folgen wir ihr, bemerken unheimliche Geräusche, erschrecken uns vor jedem Schatten und einem Mann mit einem Flammenwerfer. Unsere Schwester finden wir zwar, doch unser Schicksal scheint besiegelt. Wir stürzen mitsamt Hannah in einen Abgrund. Unsere Leichen sind aber unauffindbar, weshalb seit einem Jahr die polizeilichen Ermittlungen andauern. Um seinen Schwestern zu gedenken, lädt Josh die sieben übrigen Freunde ein, in besagte Berghütte zurückzukehren. In der Zwischenzeit hat sich allerdings sehr viel für die Clique verändert.
Gruselstimmung
Im ersten Moment klingt alles sehr profan: Mike ist nicht mehr mit Emily zusammen. Während er mit Jessica flirtet, wird Emilys neuer Freund Matt von ihr schikaniert. Chris hat hingegen immer noch nicht seinen Mut gefasst, um Ashley seine Liebe zu gestehen. Josh schaut sich all das amüsiert an. Auch im Remake sind Freundschaft, Liebe und Vertrauen nach wie vor die zentralen Themen, die jeder von uns nachvollziehen kann. Obwohl das Spiel schon früh wie ein Teenie-Drama wirkt, kann Until Dawn glaubhaft seine Story erzählen. Kurios sind hingegen die weiteren Einflüsse des Spiels, die sich um einen entflohenen Massenmörder, einem Fluch und gefährlichen Tieren drehen. Zwischen den zehn Kapiteln des Spiels wachen wir zudem immer mal wieder bei einem Psychiater auf, der eher den Begriff Psychopath verdient. Dieser will von uns wissen, vor was und in welchem Maße wir eigentlich Angst haben. Lassen wir uns auf sein Spielchen ein, wirkt das Zusammentreffen der Freunde noch einmal eine ganze Ecke gruseliger. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es in Until Dawn keine Schusswaffen, weshalb wir hilflos auf jeden Schatten und jedes Geräusch achten. Hinter jeder Ecke könnte eine neue Bedrohung auf uns warten. Wer das Spiel auf der PlayStation 4 aber bereits gespielt haben sollte, dürfte die Gruselstimmung nur in geminderter Intensität wahrnehmen.
Schmetterlingseffekt
Ein gewöhnliches Survival-Horror-Spiel ist Until Dawn definitiv nicht, denn wir verkörpern die Freunde abwechselnd. So spielen wir innerhalb der zehn Stunden bis zur Morgendämmerung alle acht Charaktere. Diese erkunden entweder alleine, im Duo oder unter Umständen als Team die Hütte mitsamt ihrer Umgebung. Ziel des Spiels ist nach wie vor, das möglichst alle Freunde überleben. Sollte jemand in der Nacht sterben, bleibt er tot. Jede Entscheidung, die wir mit den Charakteren treffen, verändert die Handlung mal mehr und mal weniger stark. Es handelt sich hierbei um den berühmberüchtigten Schmetterlingseffekt, der metaphorisch besagt, dass ein Flügelschlag eines Insekts hunderte Kilometer entfernt einen Tornado auslösen kann. Die kleinste Entscheidung kann den Ausgang der verschiedenen Handlungsstränge beeinflussen. Aus Spoiler-Gründen möchten wir kein genaues Beispiel verraten, aber stellt euch einmal vor, ihr wärt mit euren besten Freunden ebenfalls in solch einer Hütte während eines Schneesturms gefangen: Der Strom fällt aus und jemand muss den Generator anschmeißen. Schickt ihr eure Freundin Anna in den Keller, wird sie sich zu Tode fürchten. Geht ihr selbst, werdet ihr zwar auch die Angst spüren, doch Anna wird dafür euren Mut bewundern. Aufgrund der Entscheidungsvielfalt bietet Until Dawn einen entsprechend hohen Wiederspielwert.
Quick-Time-Tode
Je schneller die Figuren den Tod ereilen, desto schneller endet auch das Spiel. Ihr braucht euch definitiv nicht dafür schämen, wenn am Ende eures ersten Spieldurchgangs nur ein oder zwei Charaktere überleben – so erging es uns 2015 ebenfalls. Bei unserem zweiten Spieldurchlauf haben es hingegen fast alle Teeanger geschafft, da wir uns geschickter, überlegter und selbstloser angestellt haben. Mit Vorwissen ist es eben leichter, Fehlentscheidungen zu vermeiden oder nach dem Durchspielen episodenhaft zu korrigieren. In puncto Gameplay erinnert der Titel an Heavy Rain und vermischt es mit der beklemmenden Atmosphäre von The Evil Within. Ihr solltet euch aber im Klaren darüber sein, dass der Titel auf viele, aber faire Quick Time Events setzt. Auch ist das Erkunden der oft schlauchartigen Abschnitte auf ein Minimum reduziert. Abseits der Wege sammeln wir Informationen, um die Mysterien des Spiels greifbar zu machen. Im Remake wurden die Fundorte leicht verändert und eine Handvoll neuer Items eingefügt. Technisch wurde das Spiel massiv überarbeitet und sieht nun deutlich besser aus. Leider läuft das Spiel aber nur mit dreißig Bildern pro Sekunde und die Mundbewegungen der Charaktere sind in der guten deutschen Vertonung oft nicht lippensynchron. Wer den Titel bereits gespielt hat, erlebt nicht viel Neues. Wollt ihr Until Dawn aber noch nachholen, solltet ihr direkt zur technisch besseren PlayStation-5-Fassung greifen.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-4- und der PlayStation-5-Fassung): Until Dawn war für mich im Jahr 2015 eine kleine Überraschung, die mir sehr viel Spaß gemacht hat. Damals habe ich das Spiel eine ganze Nacht hindurch, parallel zum Geschehen im Spiel, an einem Stück durchgezogen. Bis heute erzähle ich immer wieder von dieser immersiven Videospielerfahrung. Da ich aber keine Nachteule mehr bin, konnte ich dieses Projekt im Jahr 2024 schwerlich wiederholen. Tatsächlich hat mir auch der zweite Spieldurchgang sehr gut gefallen, obwohl ich den Titel tagsüber gespielt habe. Wirklich gegruselt habe ich mich aber nur an den Stellen, die ich noch nicht von meinem ersten Durchlauf her kannte. Bei Horror-Spielen ist dies leider ein großes Problem – das Überraschungsmoment wird genommen. Trotzdem denke ich, dass euch, sofern ihr den Titel noch überhaupt nicht kennt, das Herz hier und da in die Hose rutschen kann und ihr euch über die eine oder andere Entscheidung gehörig ärgern könntet. Genau das macht das Abenteuer aber aus. Der permanente Tod von Spielfiguren verändert die Erzählung mehr oder weniger stark, was auch zu einem vorzeitigen Ende führen kann. Je länger ihr Zeit mit euren virtuellen Freunden in den Bergen verbringt, desto mehr wollt ihr sie jedoch vor Unheil bewahren. All das funktioniert – und es funktioniert deutlich besser als das Gameplay, das sich auf das marginale Erkunden der Spielabschnitte, das Sammeln von Informationen und dem Ausführen von Quick Time Events beschränkt. Hierbei bleibt Until Dawn aber stets fair, weshalb sich auch all jene ans Survival-Horror-Abenteuer trauen können, die das Genre vielleicht sonst gar nicht beachten würden.
Vielen Dank an Sony Interactive Entertainment für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Until Dawn!