Ende 1995 legte Konami mit dem japanischen Rollenspiel Suikoden den Grundstein zu einer langjährigen Rollenspielreihe, die aber unlängst in Vergessenheit geraten ist. Mit einem Remaster-Doppelpack belebt der Videospielkonzern die Serie kurz vor dem Jubiläum wieder.
In den 1990er-Jahren haben die japanischen Rollenspielurgesteine Dragon Quest und Final Fantasy den Markt in Fernost erobert. Dennoch blieb hierbei immer noch Raum für weitere Spiele von den Unternehmen Square und Enix. Andere Hersteller haben zwar ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen, dass das Genre der japanischen Rollenspiele floriert, doch Franchises, die sich über etliche Fortsetzungen und Ableger identifizierten, waren eher die Ausnahme. Da kam die 2024 verstorbene Entwicklerlegende Murayama Yoshitaka auf Publisher Konami mit der Idee zu einer neuen Rollenspielreihe zu. Lose angelehnt an den chinesischen Romanklassiker Shuǐhǔ Zhuàn, im Deutschen Die Räuber vom Liang-Schan-Moor, sollte sich Suikoden mit frischen Ideen von der Konkurrenz abheben. Bis zum Jahr 2006 erschienen zwei Sequels und zwei Prequels. Nebenher und danach kam es noch zu einigen Spin-offs, doch die wahre Faszination, welche die Reihe mit dem Seriendebüt und vor allem mit dessen Fortsetzung auf der PlayStation ausgelöst hat, ging mit der Zeit verloren. Da ist es nur allzu erfreulich, dass sich Konami an seinen Auftrag als Videospielunternehmen zurückerinnert und der Reihe in Form einer Anime-Serie zur zweiten Episode, einem Mobile-Ableger und nicht zuletzt Suikoden I & II HD Remaster: Gate Rune & Dunan Unification Wars neues Leben einhauchen will.
Von Rebellen und Imperien
Glücklicherweise hat Konami beide Spiele mit Samthandschuhen angefasst, sodass die Identität von Suikoden und Suikoden II durchweg erhalten geblieben ist. Wer die Spiele bereits in den 1990er-Jahren auf der PlayStation gespielt hat, wird sich also sofort heimisch fühlen. Im ersten Serienteil schlüpfen wir in die Rolle des jungen Kämpfers Tir McDohl, der kurz vor seiner militärischen Ausbildung im aufstrebenden Scharlachmond-Imperium steht. Während seines ersten Auftrags, bei dem er von seinem besten Freund Ted unterstützt wird, überschlagen sich die Ereignisse: Ted setzt eine magische Rune ein, mit der er Lebewesen verschlucken und damit töten kann. Das Imperium wird auf ihn aufmerksam, weshalb Tir und seiner Entourage nichts weiter übrig bleibt, als aus der Hauptstadt Gregminster zu fliehen. Relativ früh im Spiel schließen wir uns den Rebellen an, die sich gegen das Imperium auflehnen. Über kurz oder lang finden wir uns in der Rolle des Anführers wieder. So erhalten wir auch Zugriff auf einen verlassenen Felsenturm inmitten eines Sees. Im Verlauf des auf fünfzehn bis zwanzig Stunden angelegten Abenteuers rekrutieren wir weitere Anhänger und versammeln diese in unserer neuen Basis. Neben dem allgemeinen Rollenspiel entpuppt sich Suikoden ebenfalls als dezentes Strategiespiel, denn von hier aus planen wir etliche Schlachten gegen den Feind.
Längere und düstere Geschichte
Suikoden II, das 1998 erstmals in Japan veröffentlicht wurde, spielt hingegen drei Jahre nach den Ereignissen des Debüts. Wir schlüpfen in die Haut von Riou, der zusammen mit seinem Freund Jowy in der Jugendbrigade des Königreichs Highland dient. Sie werden von ihrem Truppenanführer verraten und müssen aus der Schlacht fliehen. Während sie in ihrer Heimat als Verräter gebrandmarkt werden, schlagen sie sich fernab von Zuhause an der Seite einer Söldnergruppe durchs Leben. In Suikoden II ist die Geschichte aber wesentlich komplexer, denn die Geschichte konzentriert sich neben dem Konflikt zwischen Highland und den Stadtstaaten von Jowston vor allem auf die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Riou und Jowy, die mehr und mehr in einer Tragödie endet. Hinzu kommen weitere Charaktere, welche für zahlreiche Wendungen und Überraschungen innerhalb der Story sorgen. Die Handlung ist zudem wesentlich düsterer gehalten. Ähnlich wie im ersten Serienteil werden wir auch in der Fortsetzung in die Rolle eines Anführers geworfen und kommen nach einigen Spielstunden in den Genuss einer Burgstadt, die wir nach und nach zu unserer Basis ausbauen. Auch in Suikoden II ist es unsere oberste Priorität, Verbündete in Form der 108 Sterne des Schicksals aufzuspüren und an ihrer Seite in den vierzig bis fünfzig Stunden langen Krieg zu ziehen.
Große Charakterriege mit Aufstiegspotenzial
Grundsätzlich spielen sich beide Titel des Doppelpacks im Rahmen ihres Gameplays gleich. So ziehen wir über eine Oberweltkarte von einem Ort zum nächsten, plaudern in den Städten mit zahlreichen Nebenfiguren, decken uns mit Objekten wie Medizin und Ausrüstungsgegenständen ein, rekrutieren besagte Verbündete und erledigen kleinere Nebenaufgaben. Letztere sind zumeist schmuckes Beiwerk und ergänzen die Handlung in unseren Augen deutlich besser als es Videospiele der 2010er- und 2020er-Jahre zu gelingen vermag. Außerhalb der Dörfer und Städte kämpfen wir auf der Oberwelt oder in Dungeons gegen bösartige Kreaturen wie giftige Spinnen oder schlurfende Zombies und legen uns immer mal wieder mit menschlichen Widersachern an. So steigen wir nach und nach im Level auf. In Anbetracht dessen, dass wir dutzende Charaktere in unsere sechsköpfige Gruppe aufnehmen können, müsst ihr jedoch keine Angst davor haben, hunderte Zufallskämpfe über euch ergehen zu lassen. Recken, die sich noch auf niedrigen Stufen befinden, schließen binnen weniger Auseinandersetzungen auf den aktuell geforderten Level auf. Das ist praktisch, denn hin und wieder kann es vorkommen, dass wichtige Charaktere aus spieltechnischen Gründen ausfallen und die Lücke gestopft werden muss. Nur der Erwerb der jeweils besten Ausrüstung ist für alle Figuren meist zu teuer.
Zwei Arten der Kriegsführung
Neben dem rundenbasierten Kampfsystem gibt es in Suikoden und Suikoden II zudem noch weitere Mechaniken, die wir nicht außer Acht lassen dürfen. Besondere Feinde aus den Reihen des Imperiums oder des Königreichs fordern die Helden gelegentlich auch schon mal zu einem Duell heraus. Dieses funktioniert nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip, indem wir den Gegner attackieren, seinen Angriff abwehren oder eine Spezialfähigkeit auswählen. Welche Aktion gefordert wird, entnehmen wir den Worten, die uns der Gegner an den Kopf wirft. Damit nicht genug, gibt es in Suikoden auch noch zu schlagende Schlachten, die nach einem ähnlichen Schema ablaufen. Allerdings gibt es hier keine visuellen Merkmale, sodass diese Scharmützel zunächst Glückssache sind. Mit zunehmender Anhängerschaft kommen jedoch Spezialfähigkeiten hinzu, welche unsere Unterlegenheit ausgleichen. Bei Suikoden II hat sich Konami von dieser Form der Kriegführung verabschiedet. Stattdessen führen wir die einzelnen Truppen wie in Fire Emblem schachbrettartig übers Schlachtfeld, ohne jedoch den Tiefgang des Vorbilds zu erreichen. Tatsächlich münden die meisten dieser Auseinandersetzungen im Rückzug des Feindes, was zunehmend an unseren Nerven zerrt. Richtige Erfolgserlebnisse kann Suikoden II so nicht vermitteln. Stattdessen benutzt der Titel die Story als Schutzschild.
Beste Version der Klassiker mit Schwächen
Wie es der Untertitel von Suikoden I & II HD Remaster: Gate Rune & Dunan Unification Wars vermuten lässt, handelt es sich hierbei um keine Remakes, sondern um zwei vor allem grafisch angepasste Neuauflagen. Hiervon profitieren gerade die Hintergründe, die im Gegensatz zum Pixel-Look der Originale deutlich klarer wirken. Zudem gefallen uns Spiegelungseffekte im Seriendebüt als auch die Lichteffekte in der zweiten Episode. Das Pixel-Outfit der Charaktere wurde hingegen beibehalten. Eine Möglichkeit zwischen der ursprünglichen Grafik und der Überarbeitung zu wechseln, gibt es nicht. Die Akustik wurde auch nur bei den Soundeffekten angerührt. Dennoch mögen wir die Musik, auch wenn sich die Melodien zum Ende hin abnutzen. Kurios wirkt auch das automatische Speichersystem, welches nur aktiv wird, wenn ohnehin eine Speicherkugel auf dem aktuellen Bildschirm zu sehen ist. Vor allem bei seltenen Abstürzen oder eingefrorenen Bildern wäre ein besseres Konzept wünschenswert. Erfreulicher ist da schon die deutsche Übersetzung, zumal das Debüt hierzulande bislang nur auf Englisch spielbar war. Hier und da gibt es jedoch Übersetzungsfehler, welche den Spielspaß zwar nur bedingt schmälern, doch immer mal wieder aus der dichten Atmosphäre reißen. Kennt ihr die Spiele nicht, solltet ihr euch davon nicht entmutigen lassen, denn abseits dessen bietet Suikoden I & II HD Remaster: Gate Rune & Dunan Unification Wars Spielspaß pur.
Geschrieben von Eric Ebelt
Erics Fazit (basierend auf der PlayStation-5-Fassung): Seit über einem Jahrzehnt wollte ich die Suikoden-Reihe nachholen. Mit Suikoden I & II HD Remaster: Gate Rune & Dunan Unification Wars hat sich inzwischen eine sehr gute Möglichkeit aufgetan, zumindest das Debüt und dessen direkte Fortsetzung zu erleben. Beide Spiele sind in meinen Augen zwar nicht überragend, aber dennoch gute bis sehr gute Vertreter ihres Fachs. Es macht mir sehr viel Spaß, in beiden Serienteilen möglichst viele Anhänger um mich zu scharen, um mit ihnen gemeinsam in die Schlacht zu ziehen. Auch die Gefahr, dass dort in seltenen Fällen Charaktere permanent sterben können, sorgt für zusätzlichen Nervenkitzel. Bei den Schlachten hätte ich mir aber gerade in der Neuauflage etwas mehr Feinschliff erhofft, da sie entweder zu langatmig ausfallen oder vom Glücksfaktor abhängig sind. Trotz allem machen mir beide Serienteile sehr viel Spaß, da sie im Rahmen der Story nicht mit Überraschungen oder Wendungen geizen. Vor allem der zweite Serienteil traut sich hierbei Schritte zu gehen, die ich in vergleichbaren japanischen Rollenspielen aus den späten 1990er-Jahren vermisse. Kennt ihr die beiden enthaltenen Spiele noch nicht oder wollt sie noch einmal in einem relativ frischen Gewand erleben, so kann ich Suikoden I & II HD Remaster: Gate Rune & Dunan Unification Wars aller Unkenrufe zum Trotz nur wärmstens empfehlen. Es sind schlicht Klassiker, die jeder Rollenspielfan in seinem Leben einmal gespielt haben sollte.